Kommentar

Alternative Medien: Sagen Sie niemals Journalismus dazu

Die Verhandlungsprotokolle belegen: Die FPÖ hat kein Problem mit faktenfreier Berichterstattung und könnte öffentliche Förderungen für Propagandaportale ermöglichen – obwohl diese Medien die wichtigsten journalistischen Prinzipien verachten.

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Wer noch einen Beweis dafür gesucht hat, dass die Freiheitlichen kein Interesse an seriöser und faktenbasierter Berichterstattung haben, wird in den geleakten Verhandlungsprotokollen von FPÖ und ÖVP fündig. 

Die Volkspartei wollte offenbar einen Passus ins Koalitionsabkommen hineinverhandeln, der „Kriterien wie Faktizität, Quellenherkunft und journalistische Sorgfalt“ als „entscheidend für den Erhalt von Medienförderungen“ definiert. Wie reagierte die FPÖ auf diesen Vorschlag, der eine Selbstverständlichkeit sein sollte? Mit „Dissens“.

Aus Sicht der Blauen soll faktenfreie Berichterstattung also konsequenzenlos bleiben. Dieser Eindruck wird noch durch einen zweiten Passus verstärkt, den die Freiheitlichen verhindern wollen. Vorschlag ÖVP: „Keine Inserate in extremistischen Medien (etwa bei Gewaltaufrufen, Verstoß Strafrecht, etc.)“ Reaktion FPÖ: „Rot“, also Ablehnung.

Das offenbart ein bedenkliches Rechtsverständnis der FPÖ, das man auch als Unrechtsverständnis bezeichnen könnte: Während die Partei eine Sicherungshaft für Aslywerber  forciert – und zwar bereits „bei einer Gefährdung“, also wenn sie noch gar nichts angestellt haben –, sollen Propagandamedien selbst dann noch öffentliche Gelder bekommen können, wenn sie das Gesetz gebrochen haben.

Mehr Doppelmoral geht kaum.

Die blauen Medienpläne sind schnell erklärt: Im Umfeld der FPÖ sind im vergangenen Jahrzehnt zahlreiche Propagandakanäle entstanden, die mit ihren Falschinformationen die Bevölkerung verunsichern.

Diese Medien tragen Namen wie „Report 24“, „AUF 1“ oder „Info-Direkt“. Sie bezeichnen sich selbst als „Alternativmedien“, also als Gegenangebot zu den etablierten und seriösen Angeboten auf dem Markt. Kurzum: Als Alternative zu Journalismus. Denn man sollte nicht den Fehler machen, diese „Alternativmedien“ – treffender wäre „Propagandamedien“ – mit Journalismus zu verwechseln. 

Schließlich unterscheiden sich diese Portale in drei entscheidenden Punkten von seriösem Angebot.

Erstens: Die Fehler-Unkultur

Bundespräsident Alexander Van der Bellen weiß wie kaum ein anderer, wie es sich anfühlt, wenn man zum Opfer einer Fake-News-Kampagne wird. Bei seiner ersten Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten im Jahr 2016 machten Krebsgerüchte über den früheren Parteichef der Grünen die Runde.

Das hätte wahlentscheidend sein können: Wenn sich in der Bevölkerung der Glaube festsetzt, dass ein Kandidat aus gesundheitlichen Gründen nicht fit für das Amt ist, schmälert das seine Chancen.

Verbreitet wurde das Gerücht vom Verschwörungsportal „PI-News“ (das steht für: „politically incorrect“). Unkorrekt waren allerdings auch die Fakten: Van der Bellen ließ sich untersuchen und veröffentlichte seine Befunde, um die perfide Falschmeldung aus der Welt zu schaffen.

Jedes ernstzunehmende Medium der Welt hätte daraufhin diese üble Denunzierung von seiner Website entfernt. Auf „PI-news“ lässt sich der Artikel über Krebs- und Demenz-Gerüchte aber auch neun Jahre später immer noch aufrufen. Man muss hier von böser Absicht ausgehen, die jeder journalistischen Ethik zuwiderläuft. Es ist Desinformation.

Zweitens: Die Schlagseite

Kaum ein Tag vergeht, an dem die rechtslastigen Propagandamedien nicht eine angebliche „Linkslastigkeit“ bei etablierten Medien behaupten würden – sich selbst stellen diese Portale als die einzigen Quellen der Wahrheit dar. Ein beliebter Claim in diesen Kreisen lautet: „Sie lügen wie gedruckt. Wir drucken, wie sie lügen.“

Ein kurzer Blick auf die Veröffentlichungen dieser Kanäle genügt, um diese Behauptung als halluzinatorisch zu entlarven. Denn FPÖ-kritische Berichte wird man dort kaum finden, im Gegenteil: Die Partei wird hofiert, darf teilweise sogar Gastkommentare veröffentlichen. Alle anderen kriegen eins über die Rübe.

Umgekehrt geht auch der Vorwurf gegen die seriösen Medien ins Leere. Wer regelmäßig die Interviews in der ZIB 2 verfolgt, wird feststellen, dass dort noch jede Parteichefin und jeder Parteichef kritisch gegrillt wurde – ein Beispiel von vielen: Der früheren SPÖ-Vorsitzenden Pamela Rendi-Wagner wurde live im Studio ein Tonbandmitschnitt von einem Meeting in der eigenen Parteizentrale vorgespielt, in dem es um die maroden Finanzen der Partei geht. Die SPÖ prüfte damals rechtliche Schritte. Das ist weder links- noch rechtslastig, das ist kritisch und es ist faktenbasiert. Denn von der Echtheit des Tonbandes konnte sich auch profil überzeugen. 

Und wer regelmäßig profil liest, wird feststellen, dass wir nicht nur über den FPÖ-Finanzskandal berichtet haben, sondern auch über die ÖVP-Umfragenaffäre (Sie erinnern sich ans „Beinschab-Tool“) und die SPÖ-Silberstein-Affäre.

Journalistische Medien kommen ihrer Kritik- und Kontrollfunktion nach, indem sie an alle Parteien und Interessensgruppen dieselben Maßstäbe anlegen. Sie decken Missstände auf, egal, wer sie verursacht hat. Weil es letztlich darum geht, Veruntreuung und Verschwendung von Steuergeld abzustellen. Und darum, die Öffentlichkeit über politische Scharlatane aufzuklären, die im Hintergrund ganz anders handeln, als sie es in ihren öffentlichen Auftritten behaupten. 

Durchsuchen Sie die einschlägigen rechten Kanäle einmal nach Beiträgen zur blauen Spesenaffäre oder Finanzaffäre. Sie werden so gut wie nichts finden.

Bei anderen Parteien werden dagegen Skandale aufgeblasen, die gar keine sind. Auch das zeigt: Das ist kein Journalismus, sondern wie es in einem Bericht der Bundesstelle für Sektenfragen heißt:  Es sei „Strategie dieser ‚alternativen Medien‘, durch ein vermeintlich seriöses Auftreten als Nachrichten- und Informationsplattform eine Normalisierung verschwörungstheoretischer und teilweise auch rechtsextremer Narrative zu erreichen“.

Drittens: Die personelle Verhaberung

Das „vermeintlich seriöse Auftreten“ rechter und rechtsextremer Propagandakanäle wird auch dadurch erreicht, dass die Hinterleute dieser Medien sich oft mit kreativen Konstruktionen vor ihren Leserinnen und Lesern verstecken. 

Wer wissen will, wer hinter dem FPÖ-nahen Portal „unzensuriert“ steckt, muss ein bisschen graben: Die Webseite wird von der 1848 Medienvielfalt Verlags GmbH betrieben. Mehrheitseigentümer der GmbH ist der Verein „unzensuriert – Verein zur Förderung der Medienvielfalt“. Erst ein Vereinsregisterauszug offenbart den Obmann: Walter Asperl, langjähriger Mitarbeiter des FPÖ-Klubs.

Ein früherer „unzensuriert“-Macher – der ebenfalls für die FPÖ arbeitet – plauderte einst vor einer deutschen Undercover-Redakteurin aus, was ohnehin evident ist: „Wir machen ja nicht dieses Medium, weil uns am unabhängigen Journalismus so sehr gelegen ist, sondern weil wir diese politischen Bewegungen in gewisser Weise unterstützen wollen. Im Prinzip wollen wir versuchen, dass wir uns mittelfristig vor allem gegenüber der AfD ähnlich positionieren, wie wir in Österreich gegenüber der FPÖ positioniert sind. – Eine reine Positiv-Berichterstattung zu fahren.“

Und FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker erklärte bei einem Vortrag vor Abgeordneten der deutschen Schwesterpartei AfD: „Bei den neuen Medien (...) gibt es eine strukturierte Vorgehensweise. Das heißt, wir haben regelmäßige Treffen mit den Chefredakteuren dieser Medien und Plattformen, und das ist institutionalisiert. Das heißt, man versucht sich wirklich gegenseitig zu helfen.“

Wenn sich Generalsekretäre Berichterstattung wünschen können, ist das kein Journalismus, sondern politische Propaganda – oder höflich ausgedrückt: Öffentlichkeitsarbeit. 

Jakob Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.