Leitartikel

Andreas Bablers patschertes Leben

Der Skandal um den Linzer SPÖ-Bürgermeister Klaus Luger ist der vorläufige Höhepunkt von Bablers Pechsträhne – bestätigt aber auch jedes Klischee, das man von der Politik hat. Kickl freut’s.

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In Linz beginnt’s. Am 29. August hätte SPÖ-Chef Andreas Babler seine Genossen hier im Ars-Electronica-Center auf den Wahlkampfauftakt einschwören wollen. Jetzt schaut es eher so aus, als ob für ihn in Linz ein ziemliches Desaster startet. Der SPÖ-Bürgermeister Klaus Luger hat gerade einen Skandal produziert – den er noch dazu in erbärmlicher Weise behandelt, und damit die gesamte Partei hineingezogen hat.

Dietmar Kerschbaum, Intendant des Brucknerhauses, wurde im Juli entlassen. Er soll fragwürdige Insichgeschäfte abgeschlossen und die Programmgestaltung an einen Agenten vergeben haben, der selbst potenzielle Künstler für das Konzerthaus betreute. Freilich spricht Kerschbaum von Rufmord – aber, dass eine Hand die andere wäscht, dürfte ihm nicht fremd sein. Seinen Intendanten-Job hat er mit Hilfe bekommen – von Luger. Der hat ihm die Fragen vor dem Hearing zukommen lassen, das belegen Chats. Luger hatte zuvor stets behauptet, Kerschbaum nicht zu kennen. Mehr noch: Als im Frühjahr bekannt wurde, dass die Bestellung geschoben sein könnte, gab Luger ein sauteures Gutachten in Auftrag, um herauszufinden, ob und wer die Fragen geleakt hat.

Der politische Anstand hätte eine reumütige Entschuldigung Lugers und einen sofortigen Rücktritt bedeuten müssen. Aber nein, er reitet stattdessen seine gesamte Partei hinein. Er stellte der Linzer SPÖ die Vertrauensfrage, und – erstaunlicherweise – stellte die sich nach allem was passiert ist auch noch hinter ihn. Und zwar zu 100 Prozent. Was in Linz passiert, ist für die SPÖ aber auch die gesamte Politik ein Desaster. Es bestätigt so ziemlich jedes Klischee, das der skeptische Bürger von „denen da oben“ hat: Alle stecken unter einer Decke. Man schanzt sich gegenseitig Gustostücke zu – und es sind sowieso alle korrupt. Das ist auch ein Narrativ, das die FPÖ gerne bedient.

Halber Rücktritt

SPÖ-Chef Andreas Babler hat nach Bekanntwerden des Vorfalls einmal nichts gesagt, was alles auch nur noch schlimmer machte – um Luger dann am Donnerstag öffentlich zum Rücktritt aufzufordern. Endlich konnte es Babler Luger auch ein wenig heimzahlen. Denn dieser hat ihm in Dokozil-Manier nicht nur ein Mal öffentlich angegriffen: Etwa, wenn es um seine Vorschläge zu Tempo 100 ging, zur Inflationsbekämpfung oder ob man die Partei künftig über Koalitions-Abkommen abstimmen lassen will. Luger war für Babler immer ein Problem - und bleibt es. Denn der zog sich zwar aus der Partei, aber zuerst nicht von seinem Bürgermeisterposten zurück. Das folgte dann am Freitag.* Der Schaden ist für Babler und die SPÖ bereits angerichtet. Aber auch sonst hat Babler keine Glückssträhne. Da war etwa ein abgesagtes Taylor-Swift-Konzert wegen eines versuchten Terroranschlags. Das Sicherheitsthema hat Aufwind – eine Materie, die für die SPÖ immer schon schwierig war und in den vergangenen Jahren vor allem am Thema Zuwanderung diskutiert wird. Mit Bablers sachter Pro-Flüchtlings-Haltung gewinnt man damit im eher rechts-konservativen Österreich aber keinen Blumenstrauß, wie Umfragen zeigen.

Das hat Babler aber auch nicht daran gehindert, in der höchst emotionalen Mindestsicherungsdebatte noch eins draufzulegen. Wochenlang wurde intensiv diskutiert, ob eine Mindestsicherung von 4600 Euro für eine neunköpfige syrische Familie nicht zu viel sei – immerhin sei das ein Gehalt, das ein Einzelner nur schwer verdienen könne. Babler schlug im Zuge der Diskussion eine Kindergrundsicherung vor – hätte man sein Modell auf diese Familie umgelegt, hätte diese etwa noch rund 2000 Euro (inklusive Sachleistungen) mehr bekommen. Freilich stürzten sich ÖVP und FPÖ auf ihn – und Babler beschwerte sich, dass man ihn absichtlich falsch verstehe und das Thema emotional ausgeschlachtet werde. Überraschung, willkommen im Wahlkampf.

Es zeigt aber vor allem eines: Babler hat manchmal wenig „Herz und Hirn“ für die Stimmung im Volk – und in der Kommunikation ein gröberes Problem. Das belegen auch seine immer wieder etwas patscherten Social-Media-Auftritte, die einen ratlos zurücklassen. Wie kommt man etwa auf die Idee, rund um die olympischen Spiele ein Sujet mit einem Babler-Konterfei anzufertigen, unter dem steht „Wenn Macher sein olympisch wäre“. Man darf sich schon fragen: Wer befindet zuerst, dass das eine gute Idee sein könnte – und gibt es dann auch noch zur Veröffentlichung frei?

In der ÖVP sorgt die schlechte Performance der SPÖ mittlerweile für gemischte Gefühle – es mehren sich die Stimmen, die befinden, man solle die „Roten“ doch ein wenig schonen. Denn alle Stimmen, die sie verlieren, gingen eben tendenziell eher nicht an die Schwarzen, sondern die FPÖ. Und die sei ja wohl der Hauptfeind.

Die ÖVP-Parteizentrale dürfte diese Auffassung nur bedingt teilen – gegen Babler wird dieser Tage mit Kampagnen mobilisiert. Und Herbert Kickl, der tut wohl, was er am besten kann: Sich zurücklehnen und sich das Schauspiel fußfrei anschauen. Auch das kann eine höchst erfolgreiche Taktik sein wie Umfragen zeigen.

*Hinweis: Als profil Donnerstagabend in Druck ging, hatte Luger seine Entscheidung auch von seinem Posten als Bürgermeister zurückzutreten noch nicht bekanntgegeben.

Anna  Thalhammer

Anna Thalhammer

ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.