Gastkommentar

Auch FPÖ und ÖVP werden in der Realität ankommen müssen

Zwischen Wahlprogrammen und einem konkreten Budgetentwurf liegt ein weiter Weg; und der heißt Ankommen in der Realität.

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Budgetprobleme hängen nicht davon ab, wer Koalitionsverhandlungen führt. Zwar sind die Programme von ÖVP und FPÖ bei Wirtschaftsfragen ähnlich. Doch heißt das nicht, dass man sich bei Blau-Schwarz leicht einigen kann.

Fangen wir mit der kurzfristigen Budgetsanierung für das Jahr 2025 an, also jener Konsolidierung, die der Regierung ein Defizitverfahren ersparen würde. Da ist zunächst der Zeitfaktor. Nach den offiziellen Mitteilungen der EU-Kommission blieben für die Vorlage eines solchen Konzepts nur mehr wenige Tage. Aber auch wenn nochmals Aufschub gewährt würde, müsste man zur Umsetzung der meisten ausgabenseitig angedachten Einsparungen Gesetze ändern. In der Praxis bliebe dann nur etwa ein halbes Jahr, um Sparmaßnahmen für 2025 zu implementieren.

Es ist daher nicht trivial, bei diesem Fristenlauf für 2025 noch die geforderten sechs Milliarden Euro einzusparen. Zwar ergäbe zum Beispiel die Summe aus Klimabonus, Klimaticket, Familienbonus, Bildungskarenz und der Hälfte der Umweltförderungen seit 2019 schon ein Einsparungspotenzial von mehr als fünf Milliarden Euro. Aber eben nur für ein ganzes Jahr bei Beschluss der Gesetze im Vorhinein. Passiert das aber erst gegen Jahresmitte, fällt ein großer Teil der Möglichkeiten weg oder wird zumindest kleiner.

Weiters stellt sich die Frage, was etwa umweltpolitisch überhaupt vertretbar ist. Überdies wären große Bevölkerungsgruppen betroffen – die Maßnahmen sind also unpopulär. Ist das der gewünschte Beginn der Regierungsarbeit eines Kanzlers Kickl? Hält die ÖVP das aus?

Ferner wären für die Folgejahre jeweils noch mehrere Milliarden zusätzlich einzusparen. Ob man da an den großen Brocken wie Pensionserhöhungen oder den Gehaltssteigerungen im öffentlichen Dienst vorbeikäme? Wohl kaum. Auch hier müssten beide Parteien ihre eigene Klientel schädigen.

Und zu all dem sind auch noch Mittel freizuspielen, um die von beiden Verhandlern angekündigten Vorhaben wie Senkungen der Abgabenquote oder der Lohnnebenkosten möglich zu machen. Abgesehen davon, dass noch kein Cent für irgendwelche Zukunftsprojekte freigeschaufelt wäre. Oder für die Reformprojekte, die die EU bei einem siebenjährigen Konsolidierungspfad verlangen würde.

Es ist kein Zufall, dass die vollmundig angekündigte, rein ausgabenseitige Sanierung noch nie als ein vollständiges Konzept in der Öffentlichkeit präsentiert worden ist. Pauschal die Kürzung der Förderungen oder die Verwaltungsvereinfachung zu versprechen, macht noch lange kein Budget.

Es ist kein Zufall, dass die vollmundig angekündigte, rein ausgabenseitige Sanierung noch nie als ein vollständiges Konzept in der Öffentlichkeit präsentiert worden ist. 

Christoph Badelt, Präsident des Fiskalrats

Dann ist noch auf die inneren Widersprüche einiger Vorhaben hinzuweisen. Die FPÖ (und auch Teile der ÖVP) würden gerne die CO2-Bepreisung abschaffen. Abgesehen davon, dass dies (wenn man vorher schon den Klimabonus abgeschafft hat) mehr als eine Milliarde Euro kosten würde, wäre dies die Abschaffung des stärksten marktwirtschaftlichen Instruments der Klimapolitik – einschließlich der von der Industrie immer geforderten „Planungssicherheit“. Und wie zwei Parteien, die sich noch nie getraut haben, die langfristige Anpassung des gesetzlichen Pensionsalters an die Lebenserwartung anzudenken, nachhaltige Arbeitsmarkt- und Finanzpolitik betreiben wollen, ist auch schwer erklärbar.

Schließlich die immer wieder kolportierte Variante, Populismus pur zu praktizieren und die EU-Regeln einfach zu ignorieren. Wenn das die ÖVP mitträgt, wäre das ihre Selbstaufgabe. Noch wichtiger aber ist: Es ist fatal, so zu tun, als ob es nur die böse EU ist, die uns zum Sparen zwingt. Denn die Budgetkonsolidierung ist ökonomisch wichtig: Die Kapitalmärkte beobachten sehr rasch, ob ein Staat einen Konsolidierungsplan verfolgt oder nicht. Und wenn Österreich höhere Zinsen zahlen muss, dann setzt dies eine weitere Spirale von Budgetschwierigkeiten in Gang.

Die Quintessenz: In einer ökonomisch schwierigen Zeit ist Sachpolitik gefragt. Populismus löst keine Probleme. Schauma mal.

Zur Person

Christoph Badelt (74) ist emeritierter Professor für Wirtschafts- und Sozialpolitik an der WU sowie Präsident des Fiskalrats.