Kolumne

Psst … Wir müssen reden!

Es gibt ein paar Dinge, die sind in Österreich tabu. Wir lesen auf Plakaten: die Neutralität. Der Boulevard sagt: das Schnitzel. Der ORF sagt: unsere Skifahrer und -innen. Und natürlich die Vermögensbesteuerung. Die ist so tabu, dass man sie offenbar gar nicht mehr aussprechen darf.

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Eine Studie der Oesterreichischen Nationalbank hat sich eines Nationalheiligen angenommen: des Häuslbauers. Der Polarstern der Politik, an dem sich alles ausrichtet – geht’s dem Häuslbauer gut, geht’s uns allen gut. Fachlich ist die Studie unbestritten. Aber politisch gibt es von der Spitze der Nationalbank einen Maulkorb für die Studienverfasser.

Warum? Die von Sozialministerium und Nationalbank beauftragten Ökonomen sind in der Studie sehr klar: Es gibt ihn gar nicht, den „kleinen Häuslbauer“. Es gibt fast nur große Häuslbauer. Mit Besitz, Eigentum – und Vermögen. Wer mietet, hat im Schnitt knapp 60.000 Euro Vermögen. Wer im Eigentum wohnt, ist im Schnitt acht Mal so reich. Die ärmere Hälfte des Landes lebt also in Miete. Und sie schupft Monat für Monat ein Drittel bis die Hälfte ihres hart verdienten Einkommens an die obersten zehn Prozent rüber, denen die Wohnungen und Häuser gehören. Die beiden Autoren sagen: Es braucht eine Vermögens- und Erbschaftssteuer. Moderat und mit hohen Freibeträgen. Aber (Be-)Steuerung ist nötig.

Die Studie warnt ausdrücklich vor Überreichtum als demokratiezersetzendes Element. Weil der Zugang der Reichen zur Politik viel einfacher und ihr Einfluss größer ist: „Sie können den rechtlichen Rahmen viel einfacher als Arme und Menschen der gesellschaftlichen Mitte zu ihren Gunsten beeinflussen.“

Die Spitze der Nationalbank ist darüber not amused: Die beiden Autoren dürfen bei der öffentlichen Präsentation der Studie Mitte Juni nicht über diesen Teil ihrer Arbeit sprechen, das hat der „Standard“ jüngst berichtet. Ihnen soll sogar untersagt worden sein, Fragen zu beantworten.

Dieses brüllend laute Schweigen der OeNB-Führung kann aber nicht kaschieren, dass die Debatte über Vermögenssteuern überfällig ist. Von 38 Mitgliedsstaaten der OECD – das sind im Wesentlichen Nordamerika, Europa, Japan, Ozeanien und kleine Teile Südamerikas – haben nur vier noch weniger Steuern auf Vermögen als Österreich. In keinem Land der Europäischen Union ist Vermögen stärker konzentriert in den Händen einiger weniger als hierzulande.

600 Milliarden Euro werden in Österreich in den nächsten 30 Jahren vererbt. Aber sehr wenige erben sehr viel. 40 Prozent des gesamten Erbvolumens gehen an die Top-10-Prozent. 

Aber psst, bloß nicht darüber reden, auch nicht über Erbschaftssteuern. Ganz böse. Dabei wäre da einiges geradezubiegen. 600 Milliarden Euro werden in Österreich in den nächsten 30 Jahren vererbt. Aber sehr wenige erben sehr viel. 40 Prozent des gesamten Erbvolumens gehen an die Top-10-Prozent. Im reichsten Zehntel erben drei von vier Menschen etwas, das sind dreieinhalb Mal so viele wie im ärmsten Zehntel. Die Reichsten erben, wenn sie was erben, durchschnittlich 730.000 Euro, die unteren zehn Prozent nur ein Achtzehntel davon: 41.000 Euro. Die Reichen werden also noch reicher, und das fast steuerfrei – während jeder Euro, der durch Arbeit verdient wird, selbstverständlich besteuert wird. Da stimmt doch was nicht.

Muss das so sein? Der Blick in viele andere Länder der Welt zeigt, dass eine deutlich höhere Vermögensbesteuerung finanzielle Manövriermasse für sinnvolle Maßnahmen schafft, von denen alle profitieren: Stichwort Gesundheitswesen, ordentliches Bildungs- und Betreuungsangebot schon für die Kleinsten, gute Pflege. Aber so weit muss man gar nicht schauen: In Österreich lagen die vermögensbezogenen Steuern 1965, also noch vor Kreisky, bei vier Prozent. 1990 waren es noch knapp drei Prozent. Heute sind wir bei 1,5 Prozent vermögensbezogenen Steuern angekommen. Das ist gewollt, gewünscht, politisch durchlobbyiert. So sehr, dass man offenbar nicht einmal mehr darüber reden darf.

„In der verteilungspolitischen Diskussion ist jedoch nicht allein die Frage relevant, wie ungleich sich (…) Einkommen gestaltet (…), sondern mindestens ebenso bedeutsam ist die Frage, wie weit es dem Staat durch Einsatz des ihm zur Verfügung stehenden Instrumentariums gelingt, eine höhere Gleichheit zu bewirken.“

Der Satz stammt nicht von den beiden Autoren der OeNB-Studie. Geschrieben hat das ausgerechnet jener Mann, der ihnen den Maulkorb angelegt haben soll. Nationalbank-Gouverneur Robert Holzmann hat sich mit einer Arbeit zur Verteilungspolitik habilitiert, da steht der Satz. Vielleicht sollte sich Holzmann an jenem Ökonomen orientieren, dessen Assistent er einmal war: „Wenn wir Lohn- und Einkommenssteuer weiter senken wollen, ebenso wie die Sozialversicherungsabgaben für die unteren Einkommensbezieher, braucht es eine Gegenfinanzierung. Und die kann in Österreich nur bei der Erbschaftssteuer und bei Ökosteuern liegen.’’ Das ist von Alexander Van der Bellen. Und was der Bundespräsident sagt, das kann doch in Österreich nicht verboten sein?

Barbara Blaha

Barbara Blaha

leitet das ökosoziale Momentum Institut.