KOLUMNE

Barbara Blaha: Wie Wörter Debatten töten

Endlich debattiert die Politik wieder über Vermögen- und Erbschaftsteuern: Die Bevölkerung wäre sowieso dafür, aber manche Medienmacher randalieren, sowie sie diese Worte hören.

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Frank Luntz denkt beruflich über Worte nach. Er ist langjähriger Berater der US-Republikaner, und er weiß, dass die richtige Wortwahl den Rahmen politischer Debatten verschieben kann. Dass man gut beraten ist, Worte sorgsam auszuwählen. Und manchmal sogar Worte neu zu erfinden, um die Stimmung zu drehen.

Luntz testet mit Fokusgruppen und Umfragen, welche Wortwahl wie wirkt. Ein Beispiel: Eine „Erbschaftsteuer“ lehnen zehn Prozent weniger Personen ab als eine „Todessteuer“. Weil dieses Wort andere Emotionen auslöst: Besteuert wird sprachlich nicht mehr der Erbe, sondern der Verstorbene. Und so klingt eine simple Steuer auf großen Vermögenszuwachs von Lebenden … nach Leichenfledderei.

In einem Memo an republikanische Abgeordnete schreibt Luntz: „Wenn Sie die Erbschaftsteuer abschaffen wollen, nennen Sie sie Todessteuer.“ Kein republikanischer Abgeordneter spricht heute noch von Erbschaftsteuern. Der Kampfbegriff der US-Konservativen wird seit einiger Zeit auch in Österreich verwendet. Die FPÖ und ihr Chef Herbert Kickl tun es konsequent; jüngst hat es aber auch Hubert Patterer, der Chefredakteur der „Kleinen Zeitung", in einem Kommentar getan.

Er packt das Brachialwerkzeug gleich in den Titel: „Der Staat und die Todessteuer“. Man könnte das als erwartbaren Ausfall wegwischen: Immerhin gehört seine Zeitung der Kirche; dass die mit Erbschaftsteuern nicht selig ist, ist aufgelegt.

Aber Patterer ist kein Einzelfall. Andere Journalist:innen bedienen sich zwar nicht in Luntz’ Giftküche, aber auch sie würzen die Debatte mit Panikmache. Die „Kronen Zeitung" halluziniert „mittelfristig die Vernichtung aller Privatvermögen“. Und zitiert wenige Tage nach dieser Zeile einen Thinktank, den die Industrie finanziert – ohne Hinweis auf dessen Interessenslage. Headline: „Völlig unrealistisch: Ökonom zerpflückt SPÖ-Steuermodell“.

Dass die Kommentator:innen sich stramm gegen jede Steuer auf Erbschaften und Reichtümer stellen, das gehört in Österreich zur Medientradition. Über 1000 Zeitungskommentare aus 15 Jahren hat das Momentum Institut unter die Lupe genommen: Von 2005 bis 2020 haben 125 Journalist:innen und 167 Gastautor:innen Kommentare zum Themenkomplex Vermögensteuern geschrieben. Nur „Der Standard“ schafft es, dabei halbwegs ausgewogen zu bleiben: 80 negative, knapp 60 positive Kommentare in 15 Jahren.

Bei der „Tiroler Tageszeitung“ ist das Verhältnis von positiven zu negativen Kommentaren schon 1:2. Und in der „Kleinen Zeitung“ ist es in 15 untersuchten Jahren 1:4; in der „Presse“ 1:7, in den „Oberösterreichischen Nachrichten“ sogar 1:20.

Das Dogma „Keine neuen Steuern“ ist ein Minderheitenprogramm. Sogar unter den Bestverdienern.

Im Querschnitt aller Medien sind fast 70 Prozent der untersuchten Kommentare überwiegend gegen Vermögensteuern. Und nur 20 Prozent dafür. (Der Rest wägt Für und Wider ab.)

Na gut, würde Patterer jetzt einwenden: Die Medien bilden halt ab, wie Österreich über das Thema denkt. Mitnichten. Für das Momentum Institut hat SORA 2000 Menschen gefragt, was sie über das Thema denken. Und welche Maßnahmen sie wollen. Das Vermögen ist ungerecht verteilt – das sieht die große Mehrheit so, quer durch alle Schichten, auch die Reichen selbst. 65 Prozent wollen eine Steuer auf große Vermögen. Auch hier wieder: quer durch alle Schichten, auch 61 Prozent des reichsten Drittels der Befragten wollen das.

Das deckt sich mit anderen Umfragen. Im Mai 2022 sagen 58 Prozent in einer Umfrage von Peter Hajek für den Sender ATV: Sie sind für eine Erbschaft- und Vermögensteuer ab 500.000 Euro. SORA erhebt im August 2022 für die Volkshilfe: 78 Prozent der Österreicher:innen befürworten eine Erbschaft- und Vermögensteuer. Im Dezember 2022 sagen 70 Prozent in einer IFES-Umfrage für die Gewerkschaft der Privatangestellten: Sie wollen eine Erbschaft- und Vermögensteuer ab einer Million Euro.

Verschiedene Zeitpunkte, verschiedene Institute: Die Haltung der Menschen in Österreich zur gerechteren Verteilung ist eindeutig. Das Dogma „Keine neuen Steuern“ ist ein Minderheitenprogramm. Sogar unter den Bestverdienern. Nur nicht unter den Verleger:innen und Chefredakteur:innen großer Zeitungen.

Aber obwohl sie seit (mindestens) 15 Jahren voller Wucht, Wut und mit den Kreationen aus der US-republikanischen Giftküche dagegen anschreiben: Die Stimmung bleibt gleich. Im Ergebnis ist trotz 15 Jahren intensiven Anschreibens der meisten Medien gegen eine gerechtere Verteilung von Vermögen die Stimmung Monat für Monat und Umfrage für Umfrage unverändert. Die Österreicher:innen wollen Vermögen- und Erbschaftsteuern. Man könnte daraus einen politischen Auftrag ableiten: Das Richtige tun und dabei auch noch große Mehrheiten der Bevölkerung hinter sich haben – das müsste doch ein No-Brainer sein.

Barbara Blaha

Barbara Blaha

leitet das ökosoziale Momentum Institut.