Brandmauerl gegen Kickl krachte zusammen, nun kommt die FPÖ
Was für ein Desaster! Österreich erlebt beispiellose Chaostage. Der Versuch, eine Brandmauer gegen die FPÖ und ihren Obmann, Herbert Kickl, zu errichten, ist hochkant gescheitert. Mehr als ein windschiefes Brandmauerl brachten die ehemaligen Großparteien ÖVP und SPÖ gemeinsam mit den Neos ohnehin nicht zusammen, auch die tatkräftige Unterstützung des Staatsoberhauptes Alexander Van der Bellen half nichts. Nun ist das Brandmauerl zusammengekracht. Und lässt einen Scherbenhaufen und viele Verlierer zurück.
Erstens den Bundespräsidenten, der nun wohl das tun wird, was er unbedingt vermeiden wollte: Den Regierungsbildungsauftrag an FPÖ-Obmann Herbert Kickl geben, an den Mann, der ihn als „Mumie in der Hofburg“ bezeichnet. Die Strategie Van der Bellens, erstmals den Wahlsieger zu umgehen, ist damit hochkant gescheitert, sein persönliches Ansehen nachhaltig beschädigt. Möglicherweise wird ausgerechnet Van der Bellen den ersten blauen Kanzler Österreichs angeloben. Diesen Eintrag im Geschichtsbuch wollte er eigentlich partout verhindern.
Dem langjährigen Konsens der Zweiten Republik hätte es entsprochen, sich in einer derart heiklen Situation zusammenzureißen und Parteiinteressen hinter Staatsinteressen zu stellen. Dieser Konsens ist beendet. Die Zweite Republik scheint sich ihrem Ende zuzuneigen.
Zweite große Verliererin ist die ÖVP. Die machtgewohnte Noch-Kanzlerpartei zeigt auf offener Bühne einen peinlichen Richtungskampf und schlittert weitgehend führungslos ins Ungewisse. Nicht einmal auf einen neuen Obmann konnte man sich einigen, nur auf den Interimschef, den bulligen Parteigeneral Christian Stocker. Den Mann, der seit Monaten als Anti-Kickl auftrat, die FPÖ als „Sicherheitsrisiko“ geißelte – ausgerechnet er soll nun versuchen, den Kotau vor den Freiheitlichen zu machen und die ÖVP in den Last Exit Vizekanzleramt zu retten. Glaubwürdigkeit schaut anders aus, Strategie sowieso.
Dritte große Verliererin ist die SPÖ. Ihr drohen weitere bittere Jahre auf der Oppositionsbank und damit der Schritt in die Bedeutungslosigkeit. Schon jetzt regiert die FPÖ in fünf Bundesländern mit und damit häufiger als die SPÖ, wieder nicht in der Bundesregierung vertreten zu sein, schmerzt daher umso mehr. Das Aus der Koalitionsverhandlungen erwischt die SPÖ am falschen Fuß. An einen Plan B scheint niemand gedacht zu haben.
Vierte Verlierer sind die Neos, die als Erneuerer, aber mit zu hohen Erwartungen antraten und mit ihrem Ausstieg aus den Koalitionsgesprächen den Anfang vom Ende der Dreierkoalition einläuteten.
Bei etwas mehr gutem Willen und Mut zu Kompromissen von allen Seiten wäre eine Dreierkoalition machbar gewesen – Betonung auf: wäre. Die notwendige staatstragende Verantwortung wollte offenbar keine der drei Parteien ernsthaft tragen. Und das, wohlgemerkt, in einer Wirtschaftslage, die mehr als kritisch ist: Österreich steckt in einer hartnäckigen Rezession, die Arbeitslosigkeit steigt, Zukunftsinvestitionen in Bildung oder Gesundheitssystem wären notwendig – sind aber wegen der angesammelten Schuldenberge schwer zu finanzieren. Dem langjährigen Konsens der Zweiten Republik hätte es entsprochen, sich in einer derart heiklen Situation zusammenzureißen und Parteiinteressen hinter Staatsinteressen zu stellen.
Dieser Konsens ist beendet. Die Zweite Republik scheint sich ihrem Ende zuzuneigen. Der Weg für die FPÖ ins Kanzleramt ist frei.