Bogotá oder Rossatz an der Donau?
Von Herbert Windwarder
Was schreibt Peter Pilz zum Tod des Sektionschefs? „Pilnaceks Daumen entschied. Zeigte er nach oben, hatten die Ankläger freie Bahn. Zeigte er nach unten, wurde ,daschlogn‘.“ Und: „Pilnacek schien bereit, auszupacken. Sein Tod kam dazwischen.“ Weiter: „Es war kein Selbstmord. Es war kein einzelner Sturz. Was war es dann? Vieles weist auf ein Tötungsdelikt hin.“
Nun, wer könnte ein Motiv haben? Pilz: „Hat Pilnacek Kurz oder andere Spitzen der ÖVP informiert, dass er auspacken wollte? Hat er ‚nur‘ Hilfe gesucht, oder hat er bereits gedroht?“
Was wurde vielleicht vertuscht? Pilz schreibt: „Wenn die Todesursache weder Selbstmord noch Unfall war – woran ist Christian Pilnacek gestorben? Dieser Frage sind weder Kriminalpolizei noch gerichtsmedizinischer Gutachter konsequent nachgegangen.“
Und welche Rolle spielte die Staatsanwaltschaft Krems? „Nach dem Ende ihrer ‚Ermittlungen‘ (sic!) übernahm die StA Krems die Sprachregelung der ÖVP. In der Presse ließ Staatsanwalt Franz Hütter keine Frage offen: ,Ein Suizid, wie er klarer nicht sein könnte.‘“
Alles in trockenen Tüchern? Noch nicht ganz: „Wer hatte aus Ermittlern des Landeskriminalamtes einen Daten-Putztrupp der ÖVP gemacht?“ Und „Nur eines ist klar: Die ‚Aktion Handy‘ wurde weiter oben gestartet.“
Fassen wir kurz zusammen: Wurde der mächtigste Sektionschef des Justizministeriums im Auftrag der ÖVP umgebracht, weil er über die Türkisen „auspacken“ wollte? Und wurde dann diese Tat von einer eingespielten Truppe aus Polizisten, dem Gerichtsmediziner und der Staatsanwaltschaft Krems vertuscht? Gedeckt von ihren Vorgesetzten und beauftragt von den Spitzen der ÖVP? Wenn wir den Gedankenspielen des Peter Pilz für einen Moment folgen wollen, dann stellen sich Fragen: Die Telefonnummer jenes Mörders, der für die ÖVP Leute beseitigt – hängt die am Schwarzen Brett im Parlamentsklub oder hat die nur der jeweilige Vorsitzende, also jetzt Bundeskanzler Stocker? Und wenn die SPÖ einen Verräter in Wien beseitigen lässt, fährt dann die Spurenvernichtungskommission von Polizeipräsident Pürstl aus?
Nun, man könnte die hanebüchenen Geschichten aus „Tausendundeiner Nacht“ in diesem Buch lustig finden und einfach ignorieren. Aber erstens ist Peter Pilz nicht irgendein Staatsverweigerer, sondern ehemaliger Nationalratsabgeordneter. Wenn er systematische Korruption in den Raum stellt, wird das ernst genommen, was Medienberichte und eine parlamentarische Anfrage bewiesen haben. Der Autor Peter Pilz hat die Kraft, das Vertrauen in Justiz und Polizei in Teilen der Bevölkerung zu untergraben.
Pilz’ Anwalt Volkert Sackmann zeigte die Kriminalbeamten im Namen von Pilnaceks Lebensgefährtin bei der WKStA an. Dort startete man ausgedehnte Erhebungen, diese dauern nun über ein Jahr. Ein Jahr, in dem Polizisten als Beschuldigte geführt werden, die einfach ihre Arbeit gemacht haben. Die Kriminalisten von Leib/Leben des Landeskriminalamts waren zum Leichenfundort geschickt worden, damit in diesem prominenten Fall nichts übersehen wird. Auch für das LKA war das Bild für einen Suizid ziemlich eindeutig. Der Gerichtsmediziner fand bei der Obduktion keine Anzeichen eines Fremdverschuldens, der Akt wurde somit vom Staatsanwalt geschlossen. Business as usual.
Gab’s den „Daten-Putztrupp“? Das Telefon von Christian Pilnacek war, da kein Fremdverschulden vorlag, nie Gegenstand der Ermittlungen. Warum wurde ein Strafrechtsdelikt protokolliert, obwohl man eigentlich von einem Suizid ausging? Ganz normal, da die Staatsanwaltschaft sonst keine Obduktion anordnen kann, siehe § 128 StPO. Alles in allem: Das Tatsachensubstrat im Buch ist ähnlich gehaltvoll wie in der Bibel: Es gab die handelnden Personen, aber an den Plot muss man glauben!
Zur Person
Herbert Windwarder ist Generalsekretär der Vereinigung österreichischer Kriminalisten.