Christian Rainer: Eine Erlösung

Der Rücktritt des Vizekanzlers ist keine Tragödie, sondern eine Erlösung, kein Drama, kein Schritt ins Leere oder gar ins Chaos.

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Erlöst wird einerseits Reinhold Mitterlehner. Wie dringend diese Entscheidung für ihn persönlich war, wurde erst im Gestus und mit dem Inhalt seiner Abdankung deutlich. Mir ist keine Rede dieser Art in Erinnerung: mit diesem Maß an Verbitterung gegenüber dem Kosmos Politik, an Schuldzuweisung in Richtung des von ihm stets harmonisch bespielten Schallraums Journalismus, an Abrechnung mit Freund und Feind. Mitterlehner ist ein weiterer Parteiobmann, der im Zustand der Frustration geht. In den vergangenen fünf Jahrzehnten gab es – mit den Ausnahmen Vranitzky und Riegler – im bürgerlichen und im sozialdemokratischen Lager keinen, bei dem es besser geendet hätte.

Andererseits ist der Rücktritt über dieses Einzelschicksal hinaus eine Erlösung für die Republik. Ein Dead Man Walking in Koalition mit einem virilen Jungbundeskanzler ist keine Basis einer stabilen und produktiven Regierung.

Mit Kurz stünde einer der besten Politiker Europas an der Parteispitze.

Diese Analyse gilt freilich nur für den Fall, dass die Volkspartei nun das einzig rational Fassbare tut: Sie muss Sebastian Kurz zum Parteiobmann machen, wenn nötig händeringend, wenn nötig auf den Knien flehend. Und die ÖVP muss das zu dessen Bedingungen tun: weil er sonst nicht zur Verfügung steht und weil weder Kurz noch die Partei ohne diese Bedingungen eine Lebenschance hat.

Mit Kurz hingegen stünde einer der besten Politiker Europas an der Parteispitze. Und mit Kurz & Kern wären es gleich zwei von dieser Sorte. Jedenfalls bis zur nächsten Wahl, die dann nicht lange auf sich warten ließe.