Leitartikel: Christian Rainer

Christian Rainer Krida, jetzt straffrei!

Krida, jetzt straffrei!

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Um nicht lange herumzureden: Sie ist nicht das Zeitungspapier wert, auf dem sie in der vergangenen Woche gelobt wurde. Mit der so genannten Schuldenbremse will sich Österreich verpflichten, sein jährliches Defizit ab 2017 unter 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu halten. Es ist eine Selbstverpflichtung per Verfassung, und da fängt das Dilemma an, und da hört es nicht auf.

Hier ein paar Argumente, warum Skepsis gegenüber dieser Schuldenbremse nicht angebracht ist: Skepsis würde ein gewisses Maß an Vertrauen in die handelnden Personen und deren Pläne voraussetzen. Aber worauf sollte dieses Vertrauen denn gründen?

Liebe Ratingagenturen, sehr geehrte zukünftige Zeichner österreichischer Schuldenpapiere, lesen Sie die folgenden Zeilen bitte nicht!

Erstens: Die Schuldenbremse ist noch gar nicht beschlossen. Dazu braucht es eine Verfassungsmehrheit im Parlament und daher die Zustimmung einer Oppositionspartei. Gut, die lässt sich vielleicht erkaufen. Aber womit? Am Ende mit irgendwelchen Zugeständnissen, die wiederum Geld kosten?

Zweitens: Schön wär’s, wenn es bloß an der Zustimmung der Opposition krankte. Zunächst einmal müssen die eigenen Parteigänger gekauft werden. Da kommt etwa Kritik aus den Landesorganisationen der SPÖ, wie vom einmal mehr grenzmarxistisch argumentierenden oberösterreichischen Flügel. Leider nicht nur von dort, sondern auch aus dem Zentrum: ÖGB-Chef Erich Foglar fürchtet um Wachstum sowie Beschäftigung und meint, „volkswirtschaftliche Regelungen gehören nicht in die Verfassung“.

Drittens: Nicht in die Verfassung? Darüber können wir reden. Tatsächlich ist es nur Theater, also ein Täuschungsmanöver, eine Farce, Budgetregelungen in Verfassungsrang zu erheben. Was heißt das denn juristisch, inhaltlich? Nix heißt es.

Viertens. Es heißt allenfalls: Wenn sich eine Regierung nicht an die Schuldenbremse hält, passiert eben gar nichts. Sanktionen, also Strafen, eine Taschenpfändung der Regierungsmitglieder, sieht die Verfassung ja nicht vor. War­um also sollten wir glauben, dass die Regierung wirklich sparen und so ihre Wähler verprellen wird?

Fünftens: Also gehörte die Schuldenbremse statt in die Verfassung in das Strafgesetzbuch. Das ist natürlich nur eine Träumerei. Andererseits: Warum eigentlich? Schließlich finden sich die Krida-Tatbestände auch im Strafgesetz. Krida begeht, wer schuldhaft die Befriedigung seiner Gläubiger unmöglich macht. Bei fahrlässiger Krida reicht es, übermäßigen Aufwand getrieben oder unverhältnismäßigen Kredit genommen zu haben, und darauf stehen bis zu drei Jahre Haft. Aufwand durch zu hohe öffentliche Ausgaben, Kredit in Form von Staatsschulden – klingelt es?

Sechstens: Aber vielleicht denken wir viel zu abstrakt, viel zu unrealistisch. Als wäre die Vergangenheit spurlos an uns vorübergegangen. 0,35 Prozent? Da klingelt es gleich wieder. Nulldefizit! Was ist nicht schon alles unternommen worden, um Budgetlöcher zu verstecken. Die Griechen haben plump Zahlen gefälscht, gelogen und betrogen. Österreich? Da wurde doch stets auf Biegen und Brechen ausgegliedert, umgebucht und rausgerechnet. Zum Beispiel von Karl-Heinz Grasser. So kam es zum Nulldefizit 2001 – und 2004, mitten im Konjunkturaufschwung, mit 4,4 Prozent zum höchsten Fehlbetrag des Jahrzehnts: Die EU hatte Österreich einen Budgettrick bei der Entschuldung der ÖBB nachträglich verboten.

Siebtens: 2017? Das wird also erst in fünf bis sechs Jahren gemessen werden. Da sind Kanzler, Vize und Finanzministerin längst nicht mehr im Amt. Warum sollten wir darauf vertrauen, dass wir es hier mit Helden zu tun haben, die ihren Nachfolgern den Weg ebnen werden?

Denn achtens: Es gibt bloß die hastigst (nicht) beschlossene Schuldenbremse, aber keinen noch so kleinen Hinweis darauf, was jetzt konkret geschehen wird.

Vielmehr gibt es neuntens: Am Freitag der Vorwoche – schlanke vier Tage nach Präsentation der Schuldenbremse – beschloss der Nationalrat den Staatshaushalt für 2012: 3,2 Prozent höhere Schulden und keine nennenswerten Einsparungen. Ein privater Schuldner würde für diesen Beschluss nach Paragraf 156 des Strafgesetzbuchs verurteilt und weggesperrt.

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