Christian Rainer: Populismusunterwanderung

Dieser Demokratie droht nicht nur Erosion von innen. Es kann auch anders kommen. Weiß die Regierung das?

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In der vergangenen Woche haben sich dieses Magazin und der Leitartikel mit einer Bedrohung der Demokratie von innen und nach innen beschäftigt: mit den freiheitlichen Burschenschaftern und ihrem ideologischen Gedankenbau. Dank der journalistischen Arbeit von „Falter“ und profil ist der FP-Spitzenkandidat für Niederösterreich nach der Wahl von allen Funktionen zurückgetreten. Die Wahl selbst sei durch die Aufdeckung des Skandals zuungunsten der FPÖ ausgegangen, suggeriert die ÖVP. Die Meinungsforscher sind sich da nicht so sicher, zumal die demoskopischen Daten schon vor Monaten recht genau dem Ergebnis entsprochen hatten. Ich bin mir überdies nicht so sicher, ob der Vorgang nicht ein Pyrrhussieg war; ob Heinz-Christian Strache selbst weiß, wie viel Einfluss (und Geld) bei den „völkischen“ Verbindungen liegt; ob seine „Läuterung“ ihn nicht gegenüber den schlimmeren Elementen in der Partei schwächt; ob Sebastian Kurz das Machtmikado seines Koalitionspartners durchschaut hat. Die hanebüchene Geschichte rund um eine Wanze im Büro des freiheitlichen Vizekanzlers, in deren Aufklärung das freiheitliche Innen- und das freiheitliche Verteidigungsministerium eingebunden sind samt den beiden Geheimdiensten, die nun zwei freiheitlichen Ministern unterstehen, muss uns jedenfalls eine Warnung sein.

Doch in dieser Woche soll es um eine andere Bedrohung der Demokratie gehen: eine Bedrohung von außen. Antrieb für diese Überlegungen ist ein Artikel dieser Ausgabe. Martin Staudinger berichtet da von österreichischen und türkischen Staatsbürgern, die bei der Einreise in die Türkei entweder festgenommen und mit Ausreiseverbot belegt oder abgewiesen und mit Einreiseverbot belegt wurden. Grund für diese Maßnahmen war jeweils Kritik an der Türkei oder deren Präsidenten, die in Österreich geäußert worden war, sei es im privaten Umfeld, sei es in sozialen Medien. Ohne Zweifel waren diese Personen also auf österreichischem Hoheitsgebiet von Agenten überwacht, von Spitzeln vernadert oder elektronisch verfolgt worden.

profil schildert drei zufällig an uns herangetragene Fälle. Die Dunkelziffer ist hoch. Rund 400.000 ethnische Türken leben in Österreich. Da sich der Sachverhalt auf Deutschland mit seinem vergleichbaren türkischstämmigen Bevölkerungsanteil (an die 3,5 Millionen) übertragen lässt, muss diese Geschichte in Berlin (200.000 Türken) für dröhnenden Kopfschmerz sorgen.

Staudingers Text lehrt uns: Der Arm aller populistischen Regime ist lang, und sie sind skrupellos. Bisher war der türkische Präsident hier und in der Bundesrepublik aufgefallen, weil er seine Anhänger im Wahlkampf auch jenseits der eigenen Staatsgrenzen mobilmachte; er übertrug die türkische Innenpolitik ohne Federlesens direkt ins Ausland; die damit im Zusammenhang stehende Suche nach Doppelstaatsbürgern in Österreich ist mit lächerlichen Zahlen gescheitert. Jetzt wurde der Spieß umgedreht, indem man sich auf die Suche nach den Gegnern gemacht hat. Die Mittel, die dabei angewendet werden, entsprechen offensichtlich weniger der westeuropäischen Rechtsstaatlichkeit als den türkischen Standards.

Nichts spricht dagegen und vieles dafür, dass Österreichs neuer Best Buddy Viktor Orbán genauso mit der ungarischstämmigen Bevölkerung in Österreich (rund 60.000 Personen) umgeht. Das ähnlich dubiose Kaczyński-Regime wird seine Fühler in Richtung der fast 100.000 ethnischen Polen ausgestreckt haben, ebenso die Rumänen, die Bulgaren und die Serben.

Ich bezweifle, dass sich die Bundesregierung mit der Ansteckungsgefahr auseinandersetzt, die von rechtspopulistischen Regierungen im Ausland herrührt; sie beschäftigt sich nur mit der Bedrohung durch muslimische Zuwanderung. Wir Journalisten wiederum sehen die Gefahr eher bei der ideologischen Verwandtschaft zwischen FPÖ und ihren Schwesterbewegungen als in einer direkten Verbindung. Dieser unmittelbare Anknüpfungspunkt sind die eigenen Bürger im Ausland, egal welchen Pass sie haben: Wenn sie sich kritisch gegenüber ihrem Herkunftsland geben, werden sie als Staatsfeinde behandelt. Bei positivem Verhalten sind sie wohlgelitten, dienen als Zuträger und als Schläfer für spätere Zeiten.

Angesichts der großen Fallzahlen müssen wir eine Populismusunterwanderung befürchten.