Christian Rainer: Uberfall

Über den Zusammenhang zwischen Taxifahrten und der Sozialpartnerschaft. (Nein, so einfach ist es nicht.)

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„Über den Zusammenhang zwischen Taxifahrten und der Sozialpartnerschaft.“ Die Zeile ist im Vorspann dieses Textes zu lesen, und sie lässt im Zusammenhang mit der Anspielung im Titel „Uberfall“ wohl nur einen Schluss zu: Sie werden hier ein wortgewaltiges Plädoyer gegen die Kammern und die von ihr abgeleitete Gewerbeordnung lesen. Schließlich ist es eine Zumutung für die Bürger, dass der Fahrtendienst Uber auf Betreiben eines Wiener Taxiunternehmens über Tage stillgelegt war, seine Zukunft in der Schwebe bleibt: Uber-Fahrten sind viel billiger als Taxifahrten, die Fahrer freundlicher, die Autos meist besser.

Und hatte die Taxi-Innung nicht vor Jahren ein Verfassungsgesetz erzwungen, damit nur ja nicht mehr Fahrzeuge zur Verfügung stünden und so die Wartezeiten verkürzt würden – was bis heute als archetypischer Fall für den Missbrauch der Verfassung wider höchstgerichtliche Kontrolle gilt? Ja, so war es.

Aber gemach! Der Titel meines vorwöchigen Leitartikels „Eine Alternative zur Demokratie“ konnte schließlich auch nur mit großer mentaler Kraftanstrengung (ich danke für die Drohungen gegen mein Auskommen und Fortkommen) als Aufforderung zum Umsturz gedeutet werden – und nicht als eine Warnung vor einer „chinesischen ökonomischen Hegemonie“, wo „Gewaltentrennung, unabhängige Medien und Menschenrechte nicht existieren“.

Wie steht es also um die Sozialpartnerschaft im Allgemeinen und um Uber speziell? Bei Uber liegt die Lösung auf der Hand: Da müssen die Regeln geändert werden, damit der Personentransport in der digitalen Gegenwart ankommen kann, statt dass die Republik diese Gegenwart mit dem Hinweis auf die geltenden Regeln in die Vergangenheit schiebt.

Ähnlich absurde Verhältnisse erlebt doch jeder, der den Flughafen der Hauptstadt ansteuert: Alle Wiener Taxis müssen aus Schwechat leer zurückfahren, die Schwechater Taxis umgekehrt aus Wien. Luft wird verpestet und Arbeitskraft verschwendet, weil sich der Gesetzgeber seit Jahrzehnten nicht gegen die jeweils lokal verortete Gewerbekamarilla durchsetzen wollte.

Bei der Sozialpartnerschaft ist die Sachlage komplexer. Die Titelgeschichte dieser Ausgabe beschäftigt sich profunder damit als ziemlich jeder journalistische Text davor. Die Autoren Gernot Bauer und Rosemarie Schwaiger orten, wenn ich sie richtig interpretiere, großflächig Reformbedarf und hegen damit auch ein gewisses Maß an Verständnis für die Regierung. Ich selbst hatte in meinen Zeiten als Chefredakteur von „Wochenpresse“ und „Wirtschaftswoche“ das Anschreiben gegen die Zwangsmitgliedschaft in den Kammern zu meinem Leibthema gemacht. Ohne jeden Erfolg, wie ersichtlich.

Meine Meinung exemplarisch: Alle Gewerbe und Berufe, durch deren Ausübung nicht beträchtliche Gefahr für Leben und Gesundheit der Bevölkerung entstehen kann, sollten freigegeben werden. Ein höheres Maß an Eigenverantwortung ist den Menschen zumutbar. Das Verhältnis von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sollte durch Gesetzgeber, Gerichte, Verwaltungsbehörden geregelt, regelmäßig verändert und kontrolliert werden, nicht durch die Sozialpartner. Die Tarif- und Kollektivvertragsgestaltung erinnert an planwirtschaftliche Prozesse – auf Basis von Berufsbildern, Berufsgruppen, Karriereschemata aus dem frühen 20. Jahrhundert. Auch hier ist dem Einzelnen und den einzelnen Betrieben viel mehr zumutbar. Schließlich: Das Entsenden von Kammervertretern in jeden Winkel des öffentlichen Lebens, von der Notenbank bis zum Salzamt, trägt Züge des Ständewesens.

Entspricht das Zurückdrängen der Sozialpartner einer Wende nach Steuerbord, ist die Entmachtung der Sozialpartnerschaft eine konservative Entwicklung? Im Prinzip bedeutet das alles bloß Modernisierung und Erneuerung ohne viel Ideologie. Und wer sich eben noch darüber alterierte, dass diese Regierung die großspurig angekündigten Reformen nicht auf den Boden bringe, der möge jetzt nicht einen „Umsturz“ beklagen.

Aber für ein Urteil darüber, was tatsächlich passiert, sollten wir ein paar Monate warten: Nur Umfärbung? ­Höhere Effizienz des Staates? Entmachtung nur der Gewerkschaften oder auch der Krämervertreter? Entmachtung ­zugunsten dieser Regierung? Oder mehr Macht für jede denkbare Regierung?

Wir warten ab.