Christian Rainer Wahlempfehlung an die ÖVP
Man kann es sophistisch ausdrücken, wie Presse-Chefredakteur Michael Fleischhacker, der die Empfehlung, weiß zu wählen, als einen Protest einiger ÖVP-Funktionäre gegen sich selbst bezeichnet: Der Weiß- und Nichtwähler will den Parteien sagen, dass ihr Angebot ungenügend ist, was mangels irgendeines Angebots besonders die Volkspartei träfe. Man kann die Haltung der ÖVP zur Bundespräsidentenwahl aber auch weniger spitzfindig und wesentlich brutaler kritisieren. Das tut Eva Glawischnig: Die Äquidistanz, mit der die ÖVP dem Amtsinhaber und der FPÖ-Spitzenkandidatin begegne, sei eine Verharmlosung des Nationalsozialismus, so die grüne Bundesgeschäftsführerin.
Ich schließe mich Glawischnigs Urteil an, mache vorerst nur deshalb eine Einschränkung, weil die Behauptung der Äquidistanz noch näher zu diskutieren ist. Ich meine mit den Grünen, dass man am kommenden Sonntag Heinz Fischer wählen muss.
Das ist eine Wahlempfehlung, nichts Unübliches für seriöse Medien, aber nach meiner Meinung in diesem speziellen Fall sogar eine Notwendigkeit: Keine Wahlempfehlung abzugeben wäre hier ein Versäumnis. Warum das? Weil Nichtwählen oder Weißwählen wie von der ÖVP angeregt bedeuten würde, dass die beiden ernst zu nehmenden Kandidaten in ähnlicher Weise keine Option sind, dass der Bürger beim sorgfältigen Abwägen von Fischer gegen Barbara Rosenkranz zu keiner Entscheidung kommen konnte. Die Wahl zwischen einem sauberen Demokraten und einer Rechtsradikalen eine unlösbare Aufgabe? Das darf nicht sein.
Schon die blanke Tatsache, dass es in Österreich eine Wahlauseinandersetzung zwischen dem amtierenden Bundespräsidenten und einer Person gibt, die eben noch das Verbotsgesetz abschaffen wollte und den Holocaust infrage stellen durfte, ist beschämend. Die Antwort darauf kann nur sein, dem Weltbild des dritten Lagers wider parteipolitische Präferenzen und notfalls über jede Mentalreservation gegenüber Heinz Fischer hinweg eine Absage zu erteilen. Das funktioniert aber nicht mit Weißwählen oder ungültig, sondern nur mit einer Stimme für Fischer. Ist das für einen ÖVP-Wähler beim Sozi Fischer wirklich so schwierig? Einen Schritt zurück: Bedeutet Nichtwählen wirklich, dass man Fischer und Rosenkranz auf derselben Ebene als mögliche Präsidenten abgelehnt hat? Kann es nicht auch sein, dass jemand Frau Rosenkranz für vollkommen indiskutabel hält, Herrn Fischer aber bloß aufgrund mäßigen Widerwillens nicht wählen will?
Dagegen spricht einerseits die persönliche Beobachtung: Beim klassischen bürgerlichen Wähler, erst recht bei den Döblinger Regimentern in Wien, hält sich die Differenzierung zwischen den beiden Kandidaten in Grenzen. Da wird Fischers Diplomatie gegenüber Nordkorea schnell mit Frau Rosenkranz Nähe zu nationalsozialistischem Gedankengut gleichgesetzt.
Andererseits ist es aber die Volkspartei selbst, die Fischer und Rosenkranz auf eine Ebene der Möglichkeiten im politischen Raum gestellt hat: Stichwort Äquidistanz, wie von Eva Glawischnig postuliert. Glawischnigs Formulierung ist allenfalls zu hinterfragen, weil sich aus einer akribischen Beobachtung des Parteiobmanns ableiten lässt, dass dieser wenig für Frau Rosenkranz übrig hat: Josef Pröll erklärte, er werde sie nicht wählen. Ob dieser Eindruck beim Publikum angekommen ist oder ankommen sollte, darf aber bezweifelt werden.
Zumal sich niemand in der ÖVP die Mühe gemacht hat, die Unterschiede zwischen Fischer und Rosenkranz herauszuarbeiten. Tatsache ist vielmehr, dass es eine Wahlempfehlung für Rosenkranz durch den niederösterreichischen ÖVP-Klubobmann Klaus Schneeberger gegeben hat. (Die Empfehlung wurde später in ein Weder-noch abgeändert so viel zur Äquidistanz.) Entsprechende ÖVP-Empfehlungen für Fischer kamen ausschließlich von Politik-Pensionisten wie Heinrich Neisser und Erhard Busek. Und das ist einfach zu wenig. Es ist zu wenig, wenn Josef Pröll sagt, Rosenkranz sei kein Magnet für ÖVP-Sympathisanten.
Frau Rosenkranz ist nämlich die Antithese zu allem, worauf die Zweite Republik aufgebaut wurde. Sie steht für die Relativierung des Nationalsozialismus. Ihr Mann, von dem sie sich nie auch nur im Kleinsten distanziert hat, segelt seit Jahrzehnten mit eindeutiger Gesinnung durch die Neonazi-Szene.
Da ist es notwendig, eine Antithese zu dieser Antithese zu suchen. Und diese Antithese heißt am kommenden Sonntag mangels eines ÖVP-Kandidaten eben Heinz Fischer. Das anzuerkennen, statt parteipolitisches Kleingeld zu schlagen, wäre für die Volkspartei das Gebot der Stunde. Es auszusprechen wäre für Josef Pröll ein Gebot des politischen Anstands.