Leitartikel: Christian Rainer

Christian Rainer Wie gerecht ist Pröll?

Wie gerecht ist Pröll?

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Josef Pröll will ein „Transferkonto“ einführen. Die SPÖ ist dagegen. Wer hat Recht? Was sind die Hintergedanken? Und ist es damit getan? Die Grundidee dieses Transferkontos: Alle Zuwendungen des Staats an jeden einzelnen Bürger sollen zusammengefasst und so sichtbar gemacht werden. Details fehlen: ob etwa die Zahlen öffentlich sein sollen oder – wohl eher – nur den Betroffenen und den Behörden zugänglich sind; ob es eine Gegenrechnung gibt, die Steuer- und Sozialversicherungsleistungen auflistet; ob nicht gleich auch alle Einkommen in einer derartigen Statistik aufscheinen müssen.

Die Idee ist gut. Wer keine Zahlen über das verfügbare Einkommen der Bürger zur Verfügung hat, kann schlecht über Gerechtigkeit sprechen. Beim Zahlenmaterial fehlt tatsächlich vor allem eine Einordnung der so diversen wie diffusen öffentlichen Leistungen. Das reicht von der simplen Überweisung des Familiengelds über die in absurder Weise entseelte Wohnbauförderung bis zu kaum einzeln zurechenbaren Dingen à la Unternehmenssubventionen oder gar der Abdeckung des ÖBB-Defizits. (Wie komplex das Thema ist, zeigt die dieswöchige profil-Titelgeschichte, die freilich zu einer eindeutigen Bewertung der derzeit herrschenden Gerechtigkeit im Lande kommt.)

Wenn all das erfasst wird, kann einerseits eine volkswirtschaftliche Gesamtschau gute Auskunft über die Lage der Nation und über deren karitativen Einsatz geben. Vor allem aber gäbe es endlich eine Basis für eine Diskussion über individuelle Gerechtigkeit. Erst auf dieser Basis lässt sich nämlich darüber streiten, wer wie viel bekommen soll, wie also Steuersätze und Transferleistungen zu gestalten sind.

Was Pröll vorschlägt, ist also nur eine Feststellung von Fakten. Die für Österreich anzuwendende Gerechtigkeitsformel ist hingegen eine Festlegung nach willkürlichen Definitionen einer gerechten Gesellschaft. Ob der Finanzminister ein gerechter Mensch ist oder nicht, lässt sich also derzeit nicht beantworten, jedenfalls will er eine Gerechtigkeitsfeststellung durchführen, und das ist gut so.

Die SPÖ sieht das ganz anders und wehrt sich mit allen Mitteln gegen das Transferkonto. Zum Beispiel mit den Mitteln des Sozialministers, der dann „auch über Förderungen für Bauern und Wirtschaftstreibende reden will“. (Was die ÖVP in erster Reaktion wenig zu schrecken scheint.)

Zentral aber: Die Sozialdemokratie vermutet Hintergedanken. Pröll solle die Idee in der „Verwaltungsreformgruppe zum Förderwesen“ einbringen, so der Bundeskanzler. Ein allfälliger Vorschlag, der dazu da wäre, „Neid und die Streichung von Sozialleistungen zu bewirken“, werde mit der „erbitterten Gegnerschaft der SPÖ rechnen müssen“. Die „Verwaltungsreformgruppe zum Förderwesen“ – das kommt einer Beerdigung des Transferkontos in tiefer Erde gleich. Will die ÖVP tatsächlich Sozialleistungen streichen und diesen Vorgang schlau im Wege des Beweises mangelnder Treffsicherheit in die Gänge bringen? Antwort: Ja hoffentlich!

Denn einerseits ist der Beweis dafür ausständig, dass sich die Schulden der Republik in Luft auflösen werden, dass die Kosten der Finanzkrise mit der Krise verpuffen werden, dass die Belastungen des Pensions- und Gesundheitsapparats in einem zügig vergreisenden Staat ohne „Streichung von Sozialleistungen“ an anderer Stelle geschultert werden können. Andererseits wäre es nicht sozial, sondern bloß feig, eine festgestellte Abweichung bei der Treffsicherheit nicht zu korrigieren. Die Argumente der SPÖ gegen den Finanzminister stehen demnach auf weichem Boden.

Der ist mit seinem Vorschlag allerdings nicht weit genug gegangen. Das Transferkonto soll im Endeffekt ermöglichen, die Notwendigkeit von staatlichen Leistungen zu überprüfen. Oder anders: Geld soll bekommen, wer es wirklich braucht – und insgesamt soll genau so viel Geld umverteilt werden, dass ein Konsens über Verteilungsgerechtigkeit entsteht. Dazu ist zusätzlich ein „Vermögenskonto“ vonnöten. Denn ein arbeitsloser Filmstar braucht keine Sozialhilfe, wenn er Bares auf der Kante hat. Der unregelmäßig beschäftigte Millionenerbe kann das Orchideenstudium seiner Kinder selber bezahlen. Und selbst die notorische Billa-Kassiererin braucht weniger Unterstützung, wenn sie in einem abgezahlten Haus lebt, als wenn sie zur Miete wohnt. Ohne Vermögenskonto führt das Transferkonto also nicht zur Gerechtigkeit.

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