Christian Rainer: Wir, die Feinde des Volkes

Christian Rainer: Wir, die Feinde des Volkes

Leitartikel: So ganz allein ist Donald Trump mit seiner Meinung über Journalisten nicht.

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Donald Trump sagt: „Journalisten sind die Feinde des Volkes.“ Er zielt auf die Arbeit von CNN, ABC, NBC, CBS und „New York Times“. Seine Tochter Ivanka widerspricht dem Vater: „Ich glaube nicht, dass Journalisten die Feinde des Volkes sind.“ Präsidentensprecherin Sarah Sanders hingegen distanziert sich nicht von der Äußerung ihres Chefs; der CNN-Reporter Jim Acosta verlässt daraufhin die Pressekonferenz im Weißen Haus.

Die freie Welt und ihr Führer im 21. Jahrhundert.

Es wäre gefährlich, es wäre aber vor allem die Verschwendung einer guten Gelegenheit, Trump als den Außenseiter zu bezeichnen, der er zweifellos ist (anders als seine Wähler, die eben die Mehrheit sind), und seinen Angriff auf die Presse als eine Verrücktheit abzutun. Oder nur als einen Gegenangriff des in die Enge getriebenen Biestes. Stellen wir uns vielmehr hier die Frage, wie uns Politiker generell sehen, ob es zum Beispiel Überschneidungen zwischen der Meinung der österreichischen Bundesregierung und jener des Weißen Hauses gibt!

Die gibt es. Sie liegt mehr im Wort „Feind“ als im „Volk“.

In der Kombination der beiden Worte schimmert allenfalls die Haltung der Freiheitlichen Partei Österreichs durch, schon weil das Wort „Volk“ dort ja leicht von der Zunge geht. Wenn etwa der oberösterreichische Landesrat Elmar Podgorschek die „Neutralisierung des öffentlich- rechtlichen Rundfunks“ fordert oder Vizekanzler Heinz- Christian Strache den „ZIB-2“-Anchorman Armin Wolf der Nachrichtenlüge zeiht, dann steckt in diesen Vorbringungen mehr Ideologie als in Trumps bewaffnetem Narzissmus: Journalisten sind aus dem Blickwinkel der FPÖ deren Feinde, und weil sich die FPÖ als Volkes Stimme versteht, sind sie indirekt auch die Feinde des Volkes. Diese Überzeugung ist nicht nur einigen Jahrzehnten harter Auseinandersetzung zwischen FPÖ und kritischem Journalismus geschuldet. Sie ist auch Ausdruck der Ablehnung von Intellektualität und Eliten durch die FPÖ, im Besonderen der Kombination von beidem – und die wird eben allen voran durch Journalisten verkörpert.

„Journalisten, die sind doch alle links“, habe ich in jüngster Zeit von mehr als einem türkisen Regierungsmitglied gehört.

Komplizierter, subtiler, nicht so einfach ergründbar ist hingegen die Haltung der Volkspartei zu den Journalisten, zu uns Journalisten. Sie trägt wohl auch Spurenelemente von Feindschaft in sich, „Gegnerschaft“ ist aber das bessere Wort, allerdings auch ein Wort, das eine Verniedlichung des recht gespannten Verhältnisses in sich birgt. Denn diese „Gegnerschaft“ ist durchaus der Überzeugung vieler ÖVP-Funktionäre geschuldet, dass es sich um unterschiedliche Glaubensbekenntnisse handelt, die da parallel gebetet werden – und nicht nur um die natürlichen Positionen von Kontrollierenden und Kontrollierten.

„Journalisten, die sind doch alle links“, habe ich in jüngster Zeit von mehr als einem türkisen Regierungsmitglied gehört, von mehr als einem schwarzen Landeshauptmann. Statistisch lässt sich das so nicht belegen: Die einzige mir bekannte Studie lässt vermuten, dass es zwar keine konservative Mehrheit unter österreichischen Journalisten gibt. Jeder empirische Befund zeigt aber auch, dass die journalistischen Führungsebenen von Print und Rundfunk alles andere als sozialdemokratisch oder grün besetzt sind.

Die Aufzählung entsprechender Namen eher bürgerlicher Vertreter unseres Gewerbes ist bei jenen Politikern der Volkspartei allerdings wenig erfolgreich: Nein, Journalisten seien quasi genetisch links, so der rechte Tenor.

Andersartig kann aus rechter Perspektive nur links sein.

Eine Erklärung für diese Überzeugung, die keinen Argumenten zugänglich ist – weder der konkreten Benennung von Journalisten noch einer Analyse unserer Arbeit –, finde ich im Wesen, das einer Partei wie der ÖVP qua definitionem innewohnt: Wer konservativ oder auch nur bürgerlich denkt, denkt zuallererst in Hierarchien: Familie, Religion, bäuerliches Umfeld, Unternehmen – das sind die Stabilität gebenden Strukturen für einen Sebastian Kurz, einen Gernot Blümel, eine Johanna Mikl-Leitner. Freies, unvoreingenommenes, unabhängiges Denken hingegen, also die Basis und die Ausgangslage von Qualitätsjournalismus, muss folgerichtig für jeden Konservativen suspekt, weil andersartig erscheinen.

Und andersartig kann aus rechter Perspektive nur links sein. Auch wenn dieses Andersartige mit parteipolitischer Ausrichtung nichts am Hut hat. Und schon gar nicht mit feindlicher Berichterstattung.

[email protected] Twitter: @chr_rai