Das Sicherheitsrisiko Kickl wird schlagend
Oft geht es nicht um Inhalte, sondern um die Verpackung. FPÖ-Chef Herbert Kickl würde darum nie so ungeschickt wie die AfD sein und einen EU-Austritt mit dem Reizwort „Öxit“ fordern. Man kann sich aus der gemeinsamen Idee einer EU auch anders verabschieden. Zum Beispiel, indem man als Kanzler im Europäischen Rat Beschlüsse torpediert. Mit dem lapidaren Hinweis, sie entsprächen eben nicht den „nationalen Interessen“ – oder, und das ist der neueste Narrativ-Witz, der „Neutralität“ Österreichs. Diese sogenannte „Neutralität“ wird von den Blauen auch in den laufenden Koalitionsverhandlungen strapaziert, um jedes einzelne, gemeinsame EU-Sicherheits-Projekt infrage zu stellen. Man will etwa kein gemeinsames Luftverteidigungssystem „Sky shield“ – weil man auch mit Nato-Staaten, und das wäre ja nicht neutral. Laut Experten ist das schlicht Unsinn.
Die FPÖ vertritt auch die Ansicht, dass die „Partnerschaft für den Frieden“ infrage zu stellen sei. Das ist eine seit 1994 ins Leben gerufene Verbindung zur militärischen Zusammenarbeit zwischen der NATO und 18 europäischen und asiatischen Staaten – auch die neutrale Schweiz ist Mitglied. Das Bündnis ist eine gute und wichtige Sache – ebenso die gemeinsame, beschlossene EU-Sicherheitspolitik, die den Blauen nicht schmeckt. Angeblich nicht „neutral“ genug. Österreich gegen das „System“ also wieder einmal.
Auch wenn manche in diesem Land offenbar der Größenwahn plagt – wir sind ein kleiner Staat, der leider gedanklich zur weiteren Verzwergung neigt, statt sich intellektuell in jenen Raum zu begeben, in dem wir nun mal sind: einer globalisierten Welt. Wer Schlagkraft entwickeln will, wer mitreden will, der muss Verbündete haben. Wenn wir uns im Sicherheitsbereich aus bewährten Partnerschaften zurückziehen, bedeutet das eine reale Bedrohung für dieses Land. Wir wären isoliert, von Informationsflüssen abgeschnitten. Wer wird uns im Fall der Fälle verteidigen? Uns helfen?
Davon abgesehen: Es ist doch skurril, dass permanent Dinge infrage gestellt werden, die man auch einfach als Gegebenheit ansehen könnte. Österreich ist seit 30 Jahren Teil der EU – es hat uns nachweislich deutlich mehr gebracht als geschadet, auch wenn Populisten unbelegt das Gegenteil behaupten. Warum wird es überhaupt diskutiert, ob wir weiterhin daran Teil haben wollen? Das ist doch so, als ob man diskutieren würde, ob das Burgenland oder Vorarlberg weiter Teil von Österreich sein sollten, weil ja jetzt angeblich alles diskutiert werden muss. SNU!
Aber es ist nicht nur die Europäische Union, die die FPÖ als böses „System“ ortet. Es ist die Rechtsstaatlichkeit an sich. Man muss sich das vor Augen führen: Ein Möchtegern-Kanzler fabuliert jetzt schon davon, Gesetze auszureizen, ja sogar zu ignorieren, anstatt sich daran zu halten. Stichwort: Pushbacks von Flüchtlingen, widerrechtliche „Remigration“. Bis vor Kurzem wäre es ein Skandal gewesen, wenn ein künftiger Vielleicht-Regierungschef ankündigt, geltende Gesetze auch ignorieren zu wollen. Denn jeder mit etwas Grips weiß: Es ist dringend notwendig, dass die Menschen den Glauben haben, dass es notwendig ist, sich an geltende Gesetze zu halten; damit die Gesellschaft funktioniert, sich entlang von Regeln orientiert. Darum ist es – völlig abgesehen von inhaltlichen Diskussionen – wichtig, dass die Politik hier glühendes Vorbild ist und nicht einfach willkürlich tut, was sie will.
Was sich die Menschen in einer global unsicheren und schwierig gewordenen Welt zurecht wünschen, ist mehr Sicherheit und Stabilität. Ständig wird uns verkauft, dass dies nur mit Veränderung geht. Aber nicht jede Veränderung ist gut – ein gezielter Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit und ein Herauslösen aus bewährten und vertrauensvollen Partnerschaften gehört definitiv nicht dazu. Wer versucht, die Gesellschaft mit derartigen Narrativen zu emotionalisieren und zu manipulieren, ist ein Sicherheitsrisiko. Die FPÖ tut das und kann darum getrost als solches bezeichnet werden. Man kann nur hoffen, dass die ÖVP ihr Rückgrat wiederfindet und die Blauen gewisse, bisher geltende rote Linien nicht überschreiten lässt.