Das wird man wohl noch hoffen dürfen
„Das Leben unterteilt sich in zwei Kategorien: schrecklich und elend“, sagt Woody Allen in der Rolle des misserfolgsverwöhnten Alvy Singer in dem Filmklassiker „Der Stadtneurotiker“. Wer will ihm widersprechen? Nun, Philipp Blom tut es im Titel-Interview in dieser Ausgabe. Der Historiker und Philosoph rehabilitiert mitten in der Hochkonjunktur geopolitischen Trübsinns und wohlargumentierter Niedergeschlagenheit die Hoffnung als Weltanschauung.
Hoffnung richtet sich immer auf eine potenzielle Verbesserung der Welt in der Zukunft, also trifft es sich gut, dass die Gegenwart ausreichend düster daherkommt. Ein Mann eignet sich wie niemand sonst als Personifikation der beunruhigend verrückten Zustände: Elon Musk. Zuletzt reichte sein wenig durchdachter Gastkommentar in der deutschen Tageszeitung „Die Welt“ für tagelangen Schlagabtausch pro und kontra. Musk hatte darin eine Wahlempfehlung für die Rechtsaußen-Partei AfD abgegeben. „Standard“-Chefredakteur Gerold Riedmann sah in dem Text eine „Wahleinmischung“ in die bevorstehende Bundestagswahl und erklärte Musk zum „globalen Sicherheitsrisiko“.
Ich halte eine offen deklarierte Wahlempfehlung eines global agierenden Unternehmers nicht für illegitim. Bestürzend ist hingegen die Position, die Elon Musk erklommen hat. Er ist zum Megastar aufgestiegen, dessen Aussagen und Tweets von Hunderten Millionen Menschen wahrgenommen werden. Gleichzeitig dient er dem kommenden US-Präsidenten Donald Trump in einer Quasi-Regierungsfunktion des sogenannten Departments für Regierungseffizienz. Ach ja, und der reichste Mann der Welt ist er auch.
Musk, der einst vorgab, ein Kämpfer für Meinungsfreiheit zu sein, benutzt seine Prominenz dazu, gefährliche Lügen zu verbreiten. Ein Beispiel: Diese Woche forderte Musk via X (Twitter) „Freiheit für Tommy Robinson“. Robinson (mit bürgerlichem Namen Stephen Yaxley-Lennon) ist ein britischer Rechtsextremist, der derzeit wegen Missachtung des Gerichts in Haft ist. Er hatte einen syrischen Schüler zu Unrecht Gewalttaten bezichtigt, war deshalb verurteilt worden, setzte aber die Verleumdungen fort. Musk stellt sich auf Robinsons Seite, so wie er mittlerweile überall Rechtsaußen-Figuren und -Parteien bejubelt.
Man kann Musk nicht mehr als irrlichternden Wirrkopf abtun, da hat „Standard“-Chefredakteur Riedmann recht. Zumal Musk kein Gegenüber hat. Es gibt tatsächlich niemanden, der über eine auch nur annähernd große Lautstärke verfügt, um Musk widersprechen zu können: 210 Millionen Follower auf X, dazu eine Unzahl an Verstärkern in anderen sozialen Medien. Zum Vergleich: Bluesky, die Gegenplattform zu X, hat insgesamt knapp 25 Millionen User.
Das nennt man wohl Hegemonie. Sie hat die Seiten gewechselt und ist jetzt in der Hand der Musks und der Trumps. Wir werden ein ungemütliches Jahr erleben, in dem sie und ihresgleichen an die Macht kommen. Vielleicht folgen sogar noch weitere, ähnliche Figuren in Europa.
Die Hoffnung aber, die dabei wach wird, ist, dass sie es alle mit der Realität zu tun bekommen. Verschwörungstheorien und populistische Propaganda sind X-tauglich, im richtigen Leben jedoch stehen Fakten im Weg. Elon Musk möchte nach eigenen Angaben fast ein Drittel der US-Staatsausgaben einsparen. Es wird ein aufwühlendes Schauspiel, wenn er seine Vorschläge den republikanischen Kongressabgeordneten unterbreitet, die in zwei Jahren von den Leuten wiedergewählt werden wollen, denen Musk das Weiße aus den Augen kürzt.
Budgetzahlen lügen nicht, und die patriotischen Hausmittel der rechtspopulistischen Wunderheiler (AfD: Raus aus der EU! Marine Le Pen: Wir kürzen einfach den EU-Beitrag!) wirken ähnlich gut wie Ringelblumensalbe gegen Leukämie.
Auch Trumps angekündigte Massendeportationen illegaler Einwanderer, selbst wenn diese seit Langem in den USA leben und arbeiten, lesen sich in einem Truth-Social-Posting angenehmer, als sie in Wirklichkeit ablaufen. Mal sehen, wie die republikanischen Unternehmer reagieren, wenn ihre billigen Mitarbeiter abgeführt werden.
Die Hoffnung also. Sie lässt sich mit einem alten Zitat beschreiben, das fälschlich Abraham Lincoln zugeschrieben wird: „Man kann manche Leute die ganze Zeit zum Narren halten und alle Leute eine gewisse Zeit lang, aber nicht alle Leute für alle Zeit.“