Der Neid ist ein Hund
In Österreich regiert eine Politik der Gefühle. Das ist an sich nicht nur falsch: Emotionen sind wichtig, um Menschen zu bewegen und zukunftsgerichtete Veränderungen positiv zu besetzen. In der Politik gilt: Wem es gelingt, Gefühle anzusprechen, der hat bessere Chancen, gewählt zu werden. Um das zu erreichen, setzen die Parteistrategen derzeit aber kaum auf positive Gefühle wie Begeisterung, Tatendrang oder Freude. Sondern sprechen starke, niedere Instinkte wie Neid, Missgunst und Wut an.
Integrationsministerin Susanne Raab befand dieser Tage, dass Asylwerber, die verpflichtende Deutschprüfungen nicht gleich bestehen, keine Sozialhilfe bekommen sollten. Sprachleistungspflicht also. Dass die Qualität der vom Staat zur Verfügung gestellten Kurse teilweise unter jeder Kritik ist – und es immer wieder auch gar nicht genug Plätze gibt –, bleibt unerwähnt. Eine Bringschuld wird nur bei den anderen geortet. Auch dass der Staat damit (wenn überhaupt) nur Peanuts spart, wird nicht kommuniziert. Der gewünschte Effekt ist dennoch erreicht: Die geweckte Missgunst des Volkes bringt der Ministerin Aufmerksamkeit.
Feindbilder sind die politische A-Schablone der FPÖ seit ihrem Bestehen: Der böse Ausländer, der Österreichern etwas wegnehmen könnte, war bisher in jedem Wahlkampf zentrales Element. Nun haben sich die Zeiten geändert: Es sickert in der Bevölkerung, dass wir es ohne Zuzug nicht schaffen, essenzielle Bereiche wie Pflege, Tourismus oder Landwirtschaft aufrechtzuerhalten. Das hat sogar FPÖ-Chef Herbert Kickl verstanden und spricht neuerdings eher vom „guten Gastarbeiter“ – und nicht mehr ausschließlich von unerwünschten „Asylanten“.
Dass das Ausländer-Thema für einen erfolgreichen Wahlkampf nächstes Jahr zu dünn ist, weiß Kickl. Im ORF-Sommergespräch hat er durchblicken lassen, wen er als neues Haupt-feindbild auserkoren hat: die sogenannte Elite. Also die Reichen. Die da oben, die viel zu viel haben – freilich sollte der FPÖ-Wähler davon ausgehen, dass etwas faul an ihrer guten Situierung ist.
Eigentlich klassischer Klassenkampf also. Das wird das große Wahlkampfthema des nächsten Jahres werden – auch bei der SPÖ. Da reitet die Abgeordnete Julia Herr dieser Tage gegen den Milliardenerben Mark Mateschitz aus. Er schenkte seiner Freundin zum 30. Geburtstag eine luxuriöse Reise nach Griechenland: Privatjet, Limousine und ein Ausflug mit einer Yacht inklusive. „Ein Urlaub mit wahrscheinlich mehr CO2-Ausstoß als andere im ganzen Jahr!“, schrieb Herr auf X (einst Twitter). Und: „Nix für ungut und alles Gute zum Geburtstag aber wegen der Millionärssteuer warad’s.“
Davon abgesehen, dass man sich fragen kann, was Mark Mateschitz getan hat, um permanent Angriffsobjekt der SPÖ zu werden, ist er auch noch ein besonders schlechtes Beispiel: Im Gegensatz zu vielen anderen zahlt die Familie Mateschitz ihre Steuern brav in Österreich. Eine Reichensteuer hätte dazu wohl nur wenig Einfluss auf sein Urlaubsverhalten – weil er nämlich noch immer reich wäre und sich diesen Urlaub schlicht leisten könnte.
Nicht falsch verstehen: Natürlich ist es Aufgabe des Staates, ständig zu evaluieren, ob die vorherrschenden Verhältnisse noch gerecht sind. Kommt man zum Schluss, dass etwas in Schieflage geraten ist, ist die Politik verpflichtet zu reagieren. Dafür gibt es verschiedene Vorschläge je nach Partei – die SPÖ sieht eine Lösung in der Reichensteuer. Soll sein. Nachdem jemand den vom Staat vorgeschriebenen – wie auch immer gestalteten – Beitrag bezahlt hat, sollte es dann aber auch mal gut sein. Oder wollen wir wirklich dahin kommen, zu diskutieren, was jemand mit seinem Privatvermögen tut? Neid und Missgunst schüren? Erfolg in Form von Geld nur negativ framen? Das empfiehlt sich weder für den Zusammenhalt in der Gesellschaft noch für den Wirtschaftsstandort.
Bisher gab es zwei große Denkschulen, die den Umgang von Emotionen in der Politik maßgeblich prägten. Die eine setzt auf die Rationalisierung der politischen Prozesse, das Emotionale gehört nach dieser Schule weitgehend ins Private. Der andere Ansatz heißt „Herz und Verstand“, er will leidenschaftlich um das Gemeinwohl streiten. Beide Philosophien sind sich über eines einig. Es gibt eine Emotion, um die man als Politiker kämpfen muss: das Vertrauen. Wenn man sich die Vertrauenswerte der heimischen Politiker ansieht, könnte man schlussfolgern: Da ist noch ziemlich viel Luft nach oben. Vielleicht ist die Art und Weise, wie man derzeit Gefühle der Bevölkerung anspricht, doch nicht nur gewinnbringend.