Meinung

Der Staat als Erbonkel

Ein Startkapital für alle jungen Menschen! Her damit! Aber wer finanziert es?

Drucken

Schriftgröße

Die NEOS schlagen vor, jungen Menschen mit dem Erreichen des 18. Lebensjahrs ein sogenanntes Chancenkonto zu eröffnen, für das der Staat ein Grundkapital von 25.000 Euro beisteuert. Danach dürfen auf das Konto jährlich weitere 3000 Euro steuerfrei eingezahlt werden. Abheben ist für Investitionen in Bildung, Firmengründung oder Wohnungseigentum erlaubt, ansonsten bleibt das Geld als Pensionsvorsorge auf dem Konto. Damit sei die Ungerechtigkeit der Geburtslotterie, bei der Menschen bekanntlich sehr unterschiedliche Karten für ihre Lebensumstände und Zukunftschancen ziehen, ein wenig abgemildert.

Die Idee ist nicht neu. (Das ist nicht abwertend gemeint, es ist nicht notwendig, das Rad immer wieder zu erfinden.)

Sie wird unter der Bezeichnung „Grunderbe“ seit geraumer Zeit diskutiert. So plädiert der bekannte französische Ökonom Thomas Piketty zum Beispiel dafür, 60 Prozent des Durchschnittsvermögens an alle 25-Jährigen auszubezahlen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung berechnete ein Modell, bei dem allen 18-Jährigen 20.000 Euro übereignet werden. Und die deutsche Stiftung „Ein Erbe für jeden“ verlost in einem Pilotprojekt seit 2022 jährlich drei „Grunderbschaften“ von 20.000 Euro unter 30-Jährigen, die dafür jährlich über die weitere Entwicklung dieses Kapitals Auskunft geben müssen.

Hinter all diesen Modellen steckt die Überlegung, dass an der ungleichen Vermögensverteilung in der Bevölkerung

Erbschaften einen wesentlichen Anteil haben, und deswegen gehen sie auch alle davon aus, dass das Grunderbe durch Einnahmen aus Erbschaftssteuern finanziert werden soll. Nur so lässt sich letztlich argumentieren, dass es unterschiedslos an alle jungen Leuten ausgezahlt wird: weil diejenigen, die später einmal viel erben, auf dem Weg über die Erbschaftssteuer wieder Geld an die Gemeinschaft zurückgeben.

Lieber die Alten länger arbeiten lassen als Erbschaftssteuern?

Die große Gerechtigkeit lässt sich dadurch mit ziemlicher Sicherheit nicht herstellen, aber als kleiner Ausgleich für die große Ungerechtigkeit ist das Grunderbe durchaus zu diskutieren. Die NEOS bringen es allerdings als Alternative zur Erbschaftssteuer ins Spiel. Wenn ohnehin alle 25.000 Euro kriegen, sind Erbschaftssteuern überflüssig, lautet ihre Begründung. Sie schlagen zur Finanzierung die Anhebung des Pensionsalters um ein Jahr vor. Eventuell könne auch ein späteres Erbe gegenverrechnet werden.

Hm. Die ungleiche Vermögensaufteilung zur Generationenfrage erklären? Lieber die arbeitenden Alten länger arbeiten lassen, als den privilegierten Jungen etwas von ihrem arbeitslosen Einkommen abzuzwacken? Das kommt jetzt nicht wirklich als Gipfel an sozialer Gerechtigkeit rüber.

Und im Vergleich zu eventuellen individuellen Gegenrechnungen erscheint eine Erbschaftssteuer als der kleinere bürokratische Aufwand.

(Was die Förderung von Investitionen in Bildung und Ausbildung anlangt, so höre ich sie mit Beunruhigung, weil solche Investitionen vor allem dann notwendig sind, wenn Bildungseinrichtungen privatisiert werden.)

Alles in allem also eine Variante des Grunderbes, die nicht auf eine gerechtere Vermögensverteilung abzielt, sondern auf dem Glaubensgrundsatz fußt, dass den Tüchtigen die Welt gehöre. Dass ein Startkapital von 25.000 Euro junge Menschen in Firmengründerinnen und Eigenheimbesitzer verwandelt, wenn sie nur wollen, ist eine, sagen wir mal, kühne Annahme, weil 25.000 Euro pro Kopf zwar viel Geld für den Staat sind, aber kein Wundertopf für den Einzelnen. Ist aber liberal gesehen wurscht, denn wenn sie damit nicht reich werden, dann sind sie eben nicht tüchtig genug für diese Welt.

Und weil wir gerade wieder einmal so lässig übers Erben reden, noch zwei Anmerkungen dazu: Ist all denen, die so leichtherzig darüber spekulieren, was sie machen werden, wenn Opas und Omas Haus „einmal uns“ gehört, eigentlich klar, dass Oma und Opa dann tot sein werden?

T-o-t, liebe Leute, damit das auch deutlich wird. Kommen nie wieder. Sind dahin. Ist euch das bewusst? Fällt da wenigstens ein leichter Schatten auf die strahlenden Zukunftsvisionen, denen ihr euch da hingebt?

Zu erben heißt, dass jemand gestorben ist. Und meistens handelt es sich dabei um jemand, der einem nahestand. Den Erbonkel in Amerika, den man nie zu Gesicht bekam und demzufolge nicht vermisst, wenn er unter freundlicher Hinterlassung namhafter Reichtümer ins Jenseits verschwindet, den gibt es häufiger in Boulevardkomödien als in der Realität.

Irritierend ist auch die Selbstverständlichkeit, mit der oft von einem zu erwartenden Erbe ausgegangen wird. Und die Erbitterung, mit der künftige Erben angeblich verschwenderische Ausgaben der noch lebenden potenziellen Erblasser kommentieren. In Wahrheit gibt es meiner Meinung nach kein erwartbares Erbe in dem Sinn, dass man mit Fug und Recht eines erwarten darf. Eltern sind verpflichtet, nach Kräften so weit vorzusorgen, dass sie ihren Kindern im Alter und bei überraschenden Ausgaben nicht zur Last fallen, aber sie sind nicht verpflichtet, eisern zu sparen, damit Kinder und Kindeskinder einmal aus dem Vollen schöpfen können.

Ich will es nur gesagt haben.