Gastkommentar

Die Lücken im Klimaprogramm der Bundesregierung

Wie Österreich die EU-Ziele erreichen will – und welche Punkte noch unklar bleiben.

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Das Programm der neuen Bundesregierung enthält auch ein Kapitel zum Klima- und Umweltschutz. Es bekennt sich zur Klimaneutralität 2040 und zu den Zielsetzungen des Green Deal sowie zur Umsetzung des „Fit-for-55“-Pakets. Dies findet etwa in der im Regierungsprogramm festgehaltenen Zielsetzung seinen Ausdruck, die bestehende österreichische CO2-Bepreisung wie geplant in den ab 2027 auf Verkehr und Gebäude erweiterten europäischen Emissionshandel überzuführen. Darüber hinaus finden sich einige zentrale Ansatzpunkte zur Forcierung klima- und umweltpolitischer Zielsetzungen.

Positiv ist das Bekenntnis zu Kreislaufwirtschaft, Bodenschutz und zur Ökologisierung klimaschädlicher Subventionen. Der Handlungsbedarf in diesem Bereich wird schon seit vielen Jahren in den Empfehlungen von EU und OECD betont. Auch die geplante Schaffung einer Governance-Struktur ist von großer Bedeutung: insbesondere die längst überfällige Verabschiedung eines Klimagesetzes, die Erarbeitung eines Klimafahrplans sowie ein Klimacheck in der Gesetzesfolgenabschätzung. Darüber hinaus ist die Energiewende ein wesentlicher Faktor für einen effektiven Klimaschutz, und die angestrebte Beschleunigung von Verfahren ist für den Fortschritt von herausragender Bedeutung.

Einiges bleibt allerdings relativ vage, manches ist widersprüchlich, und im Zuge der Umsetzung des Programms sollte an der einen oder anderen Stelle nachgeschärft werden.

Im Mobilitätsbereich werden etwa der Ausbau des öffentlichen Verkehrs und eine bessere Anbindung des ländlichen Raums einschließlich Lösungen für die „letzte Meile“ als Zielsetzungen genannt. Rahmenbedingungen, die die Umsetzung von Mikro-Öffi-Lösungen erleichtern, sind in diesem Zusammenhang besonders relevant. Gleichzeitig wird allerdings im Mobilitätsbereich der Straßenbau wieder stärker in den Vordergrund gerückt. Aus umweltpolitischer Perspektive ist das kritisch zu sehen, da es zu einer weiteren Stärkung des motorisierten Individualverkehrs beiträgt. Andere kosteneffiziente Instrumente wie eine Absenkung des Tempolimits finden sich hingegen nicht.

Ein blinder Fleck ist die weitere Ökologisierung des Abgabensystems. Ein wesentlicher Hebel zur Erreichung der Klima- und Umweltziele sind effektive Umweltsteuern. Daher sollten Energieabgaben und Mineralölsteuer zumindest regelmäßig an die Inflation angepasst werden, um ihre Lenkungseffekte zu erhalten. Die Stärkung der Grundsteuer wäre ein bedeutender Baustein einer effektiven Bodenschutzstrategie. Die zusätzlichen Einnahmen würden gleichzeitig den mittelfristig sehr engen Spielraum zur Reduktion der Abgaben auf Arbeit erweitern.

Auch die Klima-Governance braucht weitere Bausteine. Wichtig wäre ein Mechanismus zur Aufteilung der mittelfristig erforderlichen Klimainvestitionen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Angesichts der auf unterschiedliche Ministerien verteilten Zuständigkeiten ist zudem besonders auf eine sektorübergreifende Planung und Koordinierung zu achten.

Schließlich braucht es eine soziale Ausgestaltung der Klimapolitik. Unmittelbar sollte die Streichung des Klimabonus nicht nur für Pendler, sondern für niedrige Einkommen insgesamt kompensiert werden. Generell sind Maßnahmen zu entwickeln, die die besondere Belastung niedriger Einkommen durch klimapolitische Instrumente ausgleichen können.

Eine intakte Umwelt und die Begrenzung des Klimawandels sind für die langfristige ökonomische Entwicklung und die Sicherung des Wohlstands von herausragender Bedeutung. Im Regierungsprogramm fehlt eine kohärente Geschichte, wo Österreich im Klimaschutz, bei der Dekarbonisierung im Gebäude- und Mobilitätssystem, der Transformation der Industrie und einem resilienten Energiesystem sein will und wie diese Bereiche miteinander zusammenhängen. Aus den Ansatzpunkten im Regierungsprogramm solch eine Geschichte zu schreiben, ist eine der wichtigsten Aufgaben der neuen Regierung: Nicht zuletzt deshalb, weil der Verzicht auf eine wirksame Klimapolitik auch für die öffentlichen Haushalte auf Dauer teurer ist.

Angela Köppl

ist Ökonomin beim Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO).

Margit Schratzenstaller

Margit Schratzenstaller

ist Ökonomin beim Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO).