Donald Trump: Eine seiner harmloseren Untaten
Donald Trump ist – nicht rechtskräftig – verurteilt. Ich habe keinen Grund anzunehmen, der Prozess sei „geschoben“ gewesen, wie Trump behauptet. Dennoch halte ich das Urteil und die Rechtslage, die es ermöglicht hat, für bedenklich.
Was hat Trump getan? Er hat dem Gericht zufolge in seinen Geschäftsdokumenten Zahlungen an seinen Anwalt falsch deklariert. Es handelte sich nicht, wie er angab, um „Anwaltskosten“, sondern um Schweigegeld, das sein Anwalt Michael Cohen an die frühere Porno-Darstellerin Stormy Daniels (bürgerlicher Name: Stephanie Clifford) transferierte. Zahlungen falsch zu verbuchen ist laut dem Recht des Staates New York ein Finanzvergehen der niedrigsten Kategorie. Wegen dieser Kleinigkeit wäre der Ex-Präsident nicht vor einem Geschworenengericht gelandet.
Doch der leitende Staatsanwalt Alvin Bragg sah hinter der Falsch-Buchung ein zweites Delikt: Trump habe mittels der falsch deklarierten Zahlungen versucht, auf unerlaubte Weise die Präsidentschaftswahl des Jahres 2016 zu beeinflussen. Das machte aus dem Bilanzierungsdelikt eine Straftat von ungleich schwerwiegender Tragweite.
Worin bestand die Wahlbeeinflussung? Die „New York Times“ fasste Braggs Argumentation so zusammen: Die amerikanischen Wähler seien die Opfer von Trumps Plot geworden, denn ihnen sei dadurch „eine wichtige Information über den Kandidaten (Trump, Anm.) vorenthalten worden“. Trump hatte mittels der Zahlungen verhindert, dass das Wahlvolk vor dem Urnengang erfuhr, was Stormy Daniels erzählen wollte. Diese „wichtige Information“ bestand darin, dass Trump mit Daniels Sex gehabt haben soll. Er bestreitet dies, aber selbst, wenn es wahr sein sollte – haben die Amerikanerinnen und Amerikaner ein Recht darauf, davon zu erfahren, um sich ein Bild von dem Präsidentschaftskandidaten zu machen?
Daniels gibt an, Trump habe im Jahr 2006 mit ihr Geschlechtsverkehr gehabt. Sie behauptet nicht, dass dabei irgendeine Art von Nötigung, Missbrauch oder sonstiges Fehlverhalten im Spiel gewesen sei. Ein Mann und eine Frau hatten Sex miteinander, mehr nicht. Auch die Tatsache, dass Daniels Porno-Star war, ändert nichts an der Sache. Sie hätte auch Kellnerin oder Managerin sein können, bloß schwingt seither in der medialen Berichterstattung dank des Begriffs „Porno-Star“ ein wenig Verruchtheit mit.
In Europa hat gemäß Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention jeder Anspruch auf Achtung seines Privatlebens. Dadurch ist auch die Privatsphäre von Politikern geschützt. Wenn private Handlungen keinen Bezug zur politischen Tätigkeit oder zur politischen Funktion haben und nicht strafrechtlich relevant sind, darf nicht über sie berichtet werden. Zuletzt wurde diese Frage im Zusammenhang mit der EU-Spitzenkandidatin Lena Schilling diskutiert. Bei ihr stand der Vorwurf im Raum, sie habe Unwahrheiten über andere Leute verbreitet, was sie bestreitet. Bei Trump gibt es im konkreten Fall nicht einmal den Verdacht eines solchen Fehlverhaltens. Hat er Sex mit Daniels gehabt, so hat er wohl seine Ehefrau betrogen, aber auch das ginge die Öffentlichkeit (jedenfalls nach österreichischem Medienrecht) nichts an. Er hat dabei keine öffentlichen Mittel veruntreut, es geschah nicht in Ausübung seines Amtes (er war damals noch gar nicht Politiker) und auch nicht (wie etwa bei US-Präsident Bill Clinton) mit einer Untergebenen.
Dass Trump nicht wollte, dass die Geschichte an die Öffentlichkeit dringt, war sein gutes Recht. Auch Stormy Daniels dafür 130.000 Dollar zu zahlen, war legal. Illegal wurde das Manöver erst, weil es nach Meinung des Gerichts relevant für den Wahlkampf gewesen sei. Das Geld hätte als Wahlkampfausgabe deklariert werden müssen.
Das ist, zumindest nach meinem Rechtsverständnis, drollig. Wenn das denn tatsächlich eine Untat Trumps war, dann jedenfalls eine seiner harmloseren. Er wird vermutlich gegen das Urteil berufen.
Was folgt daraus politisch? Es gibt tausendundein gute Gründe, Donald Trump nicht zu wählen. Dass er versucht hat, zu verhindern, dass eine Sex-Affäre publik wird, ist der mickrigste von allen.