Kommentar

Die Macht des letzten Wortes

Donald Trumps Handeln ist geprägt von Widerspruch und Willkür. Vieles hängt wohl davon ab, mit wem er zuletzt gesprochen hat.

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Die Frage, wie Trump Entscheidungen trifft, beschäftigt Beobachter seit Langem, und vergangene Woche war es wieder einmal so weit.

Noch am Mittwochmorgen war der US-Präsident wild entschlossen, für fast alle Länder Zölle auf fast alles zu erheben, und er ließ sich selbst vom Absturz der Börsen und dem massiven Wertverlust der US-Staatsanleihen nicht umstimmen. „Ich weiß, was zur Hölle ich tue!“, sagte er gegenüber Parteikollegen, und auf „Truth Social“ schrieb er: „BLEIBT COOL!!!“

Doch dann, nur wenige Stunden später, kam die Kehrtwende. Zu Mittag vermeldete Trump über die sozialen Medien, die Zölle vorerst für die meisten Länder mit Ausnahme Chinas zu pausieren. Die Entscheidung kam so plötzlich, dass sein Handelsbeauftragter Jamieson Greer davon überrascht wurde, als er das ursprüngliche Vorhaben vor dem Repräsentantenhaus verteidigte. Da schwärmten Trumps Leute bereits aus, um ihren Spin zu verbreiten: Alles sei Teil eines sorgfältig vorbereiteten Plans, ein geniales Manöver, um China vom Rest der Welt zu isolieren.

Diesem Plot noch zu folgen, dürfte selbst den treuesten Anhängern des US-Präsidenten schwerfallen.

Trumps Entscheidungen waren schon immer geprägt von Willkür und Widerspruch. „Du willst Trump politisch umstimmen?“, fragte die „Washington Post“ bereits 2017. „Sei die letzte Person, mit der er spricht.“

Diesmal dürfte es so gelaufen sein: Laut „New York Times“ besprach sich Trump am Mittwochvormittag mit Finanzminister Scott Bessent, Handelsminister Howard Lutnick und dem Direktor des Nationalen Wirtschaftsrats Kevin Hassett. Sie erklärten ihm, was der Anstieg der Anleiherenditen konkret für Banken und Kreditvergaben bedeuten würde. Das habe der ehemalige Immobilienunternehmer Donald Trump schließlich eingesehen.

Dass der US-Präsident kurzfristige Impulse zur Grundlage seiner Entscheidungen macht und es dabei vor allem darauf ankommt, mit wem er zuletzt gesprochen hat, ist beunruhigend genug. Erschwerend kommt hinzu, dass Trumps Umfeld sich maßgeblich von jenem seiner ersten Amtszeit unterscheidet. Damals gelang es den sogenannten Erwachsenen im Raum mitunter, das Schlimmste zu verhindern – offenbar buchstäblich auch dadurch, dass sie zuletzt mit Trump im selben Raum waren.

In seiner zweiten Amtszeit fehlen diese vergleichsweise vernünftigen Stimmen komplett. Tonangebend sind schrille Exzentriker, Megalomanen und Egozentriker. In Trumps Umfeld eingenistet haben sich auch Rechtsextreme, Verschwörungstheoretiker und spirituelle Heilpraktiker. Das hat Folgen für Trumps Handeln – und damit für die ganze Welt.

So konnte die rechtsradikale Influencerin Laura Loomer Trump Anfang April offenbar überreden, den Direktor des US-Geheimdienstes NSA sowie mehrere leitende Mitarbeiter des Nationalen Sicherheitsrates zu entlassen. Loomer hat einen kurzen Draht zum US-Präsidenten, sie war schon während des Wahlkampfs einige Male in seinem Flugzeug mitgeflogen und Gast in Trumps Privatdomizil Mar-a-Lago gewesen. Loomers bizarre Verschwörungstheorien (darunter die Behauptung, die Terroranschläge vom 11. September 2001 seien ein „Werk von Insidern“ gewesen) waren sogar Trumps Team zu radikal, doch alle Versuche, sie fernzuhalten, scheiterten. Trump dürfte gefallen haben, dass Loomer auf „X“ Stimmung für ihn machte. Ihre Angriffe auf seine Gegner, darunter rassistische Attacken auf seine Rivalin Kamala Harris, gehen so weit, dass ihr Nachname in rechtsextremen Kreisen zum Verb wurde: Wen sie ins Visier nimmt, wird „geloomert“.

Die Wahl zum Präsidenten hat der Verbindung zwischen Trump und der Heldin des rechten Randes keinen Abbruch getan, und vor zwei Wochen empfing er sie im Oval Office. Laut US-Medien tauchte die 31-Jährige mit einem Stapel Papiere auf, ätzte gegen die Führung des Nationalen Sicherheitsrates und nannte sechs Mitarbeiter, die Trump gegenüber illoyal gewesen sein sollen. Wenig später wurden sie alle gefeuert.

„Es war ein bemerkenswertes Spektakel“, kommentiert die „New York Times“. Offenbar habe Loomer mehr Einfluss auf den Nationalen Sicherheitsrat als Michael Waltz, der die Agentur leitet.

Trumps Anhänger haben es nicht leicht. Mal sind sie aufgerufen, die wunderbaren Zölle des Präsidenten zu feiern, um wenige Stunden später in Übereinstimmung mit Trumps Kehrtwende die Rücknahme der Zölle noch toller zu finden.

Wenn man bloß immer wüsste, mit wem Trump zuletzt im selben Raum war.

Siobhán Geets

Siobhán Geets

ist seit 2020 im Außenpolitik-Ressort.