Elfriede Hammerl: Ach, Oma!

Gehört es sich, den Kindern ein sanierungsbedürftiges Haus zu hinterlassen?

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Jetzt ist die Oma tot, und die Kinder müssen sich mit einem baufälligen Haus herumschlagen. Also: nicht direkt baufällig. Aber sanierungsbedürftig.

Oder, na ja, kein Sanierungsfall im strengen Sinn, das Dach, die Leitungen, die Fußböden – alles so weit okay, aber der Rest: alt halt, unansehnlich, total überholt, ein einziger Schrei nach Modernisierung sozusagen.

Die Kinder haben es kommen sehen. Wobei es ihnen natürlich nicht darum ging, wie das Haus beisammen sein würde, wenn sie es einmal erbten, sondern darum, dass es die Oma bequem haben sollte. Nur deshalb haben sie immer wieder auf Renovierung gedrängt, allerdings vergeblich.

Wie kannst du es in dieser Küche aushalten?, haben sie die Oma oft gefragt. Der Herd, wie lange hast du den? Dreißig Jahre? Kannst du mit diesem Backrohr überhaupt noch backen? Wie kannst du ohne Dampfgarer kochen? Und diese vorsintflutlichen Küchenkastln! Warum lässt du dir nicht einfach eine komplett neue Küche machen?

Die Oma war, das muss man leider sagen, ziemlich stur. Nein, nein, bloß keine Neuerungen, lasst mich in Ruhe! Dazu hob sie abwehrend die Hände, als wolle man ihr an den Kragen, statt dass sie dankbar war, weil über ihr Wohlergehen nachgedacht wurde.

Nicht die alte Küche strapaziere sie, behauptete sie, sondern die Vorstellung einer Baustelle im Haus. Sie backe ohnehin nur noch selten. Sie komme ohne Dampfgarer prima über die Runden. Ob ihre Küchenkastln innenarchitektonisch was her machten, sei ihr total egal.

Mit ähnlichen Argumenten lehnte sie auch den Umbau des Badezimmers, das Lackieren der Zimmertüren, die Anschaffung neuer Sofas und einen Pool im Garten ab. Zu viel Aufwand. Zu viel Unruhe. Zu teuer. Du schwimmst doch so gern? Wenn du einen Pool im Garten hättest, vielleicht sogar einen überdachten … Ich habe eine Saisonkarte fürs Freibad.

Magst du dir nicht wenigstens eine Regendusche im Bad einbauen lassen? Ich habe eine Dusche, das genügt. Regnet eh viel zu viel, da muss es nicht auch noch im Bad regnen.

Was die Kinder so aufgeregt hat (sagen die Kinder), war diese genügsame Alte-Leute-Haltung. Für mich reicht’s. Ich brauche nicht mehr. Mir ist das gut genug. Das klang so lustfeindlich. Und es machte die Oma so greisenhaft. Sie hätten sich eine anspruchsvolle, lebenslustige, mit der Zeit gehende Mutter und Großmutter gewünscht. Kann es sein, dass die Oma anspruchsvoll und lebenslustig einfach anders definiert hat als die Kinder?

Die Oma stellte den Anspruch, nicht mit der Zeit gehen zu müssen, so weit es ihre Inneneinrichtung betraf. Die Oma fand es unlustig, sich mit Umbauplänen, Prospekten, Kostenvoranschlägen und Handwerkern auseinandersetzen zu sollen. Die Oma schreckte sich vor Staub und Dreck im Haus. Sie wolle, sagte sie etwas melodramatisch, für den Rest ihres Lebens nicht schon wieder von anderen eingeteilt werden wie all die Jahrzehnte davor.

Außerdem behauptete sie, kein Geld zu haben, obwohl sie zugab, über Ersparnisse zu verfügen. Wenn die Kinder sie auf diesen Widerspruch hinwiesen, nannte sie ihre Ersparnisse einen Notgroschen, der für unvorhergesehene Ausgaben reserviert sei. Den verschwende sie nicht für einen Pool im Garten.

Andererseits war sie nicht davor zurückgescheut, mit Freundinnen nach Korsika, Südfrankreich oder Portugal zu reisen, was in Summe, über die Jahre gerechnet, wahrscheinlich so viel gekostet hatte wie eine neue Küche.

Na und? Es ist mein Geld!, hatte sie angeblich immer trotzig gesagt, ich habe es mir erarbeitet, und ich kann es ausgeben, wofür ich will. (Die Oma war früher einmal eine tüchtige Geschäftsfrau gewesen.)

Was natürlich stimmte, aber die Kinder fragen sich trotzdem, ob es sie nicht glücklicher gemacht hätte, wenn sie vom Kuchen, den sie ihnen fallweise buk, keine verbrannten Ränder hätte abkratzen müssen, ehe sie ihn servierte.

Jetzt sitzen Omas Erben, wie gesagt, auf einem Haus mit Badezimmerfliesen aus den Achtzigern, einem alten Heizkessel, zerschlissenen Sofas und einer abgefuckten Küche. Es ist trostlos. Ehrlich gesagt könnten sie auf den Notgroschen, den die Oma gehortet hat und der nun ihnen gehört, gerne verzichten, wenn das Haus dafür besser in Schuss wäre.

Bei den Tagungen des Familienrats haben die halbwüchsigen Enkel den alten Heizkessel zum Anlass genommen, um für eine Umstellung auf Erdwärme zu plädieren. Außerdem fordern sie ein neues Dach mit Sonnenkollektoren, die thermische Isolierung der Außenmauern und den Abriss des nur einfach verglasten Wintergartens. Lauter vernünftige Vorschläge. Trotzdem hörte sich die Mutter, Omas Tochter, plötzlich sagen: Also, ich weiß nicht, so viel Aufwand … Nehmt ihr das doch in Angriff, wenn das Haus einmal euch gehört!

Themawechsel: Das Netzwerk österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen leistet seit Jahren wichtige Präventivarbeit in Sachen Gewaltschutz. Die Mitarbeiterinnen befürchten allerdings, dass die Einrichtungen als Anlaufstellen nicht bekannt genug sind. Deshalb gibt es hier einen Link zur Website, auf der ratsuchende Frauen und Mädchen die Standorte der Beratungsstellen finden.