Elfriede Hammerl: Altspatzen
Wenn vier Menschen um die 70 für die Bundespräsidentschaft kandidieren, dann kommt Häme auf. Pensionistenpartie! Altspatzen! Geriatrische Truppe! Weil’s wahr ist. Haben die überhaupt noch ihre sieben Sinne beisammen? Fünf? Na bitte! Nur fünf. Können die noch ausm Flugzeug klettern, wenn sie Gott behüte auf Staatsbesuch sind? Finden die überhaupt ohne fremde Hilfe auf den Heldenplatz? Was? Na dann halt Ballhausplatz. Wie? Ja, von mir aus: Präsidentschaftskanzlei. Jedenfalls: Kennen sich die überhaupt aus?
Und sollten sie nicht längst Tauberln vergiften im Park? Warum? Ganz einfach, weil die Alten loslassen sollen. Die müssen doch einmal Ruhe geben können. Die müssen doch endlich andere nachrücken lassen.
Aber nein, die sind nicht bloß Sesselkleber, die wollen sich sogar neue Sessel unter den Hintern reißen! Also bitte.
Und dann sind diese Oldies ja auch kein Angebot für die Jugend! Was sollen sich denn junge Leute dabei denken?
Reife, Erfahrung! Braucht doch kein Mensch.
Gut, rein theoretisch ist denkbar, dass sie in einem Politiker, der knapp so alt ist wie sie selber, keinen Ausbund an höherer Weisheit erblicken, aber das ist nicht erwiesen. Wir vermuten lieber, dass junge Leute am liebsten noch jüngere in Spitzenpositionen sehen, weil sie erstens alle Menschen über 30 für gaga halten und sich zweitens freuen, wenn ein anderer früh eine steile Karriere hinlegt, während sie selber sich immer noch von Praktikum zu Praktikum hanteln müssen. Deshalb noch einmal: Was soll sich denn die Jugend beim Anblick von vier alten, respektablen, kompetenten, hochqualifizierten Menschen denken, die Staatsoberhaupt werden wollen?
Reife, Erfahrung! Braucht doch kein Mensch. Zumindest brauchen wir kein reifes, erfahrenes Staatsoberhaupt. Ihre Erfahrung können die Alten auch beim Papierlaufklauben in öffentlichen Parkanlagen einbringen. Oder als Leihoma. Oder als Hilfskellner. Oder als MitarbeiterIn in einem Callcenter.
Denn selbstverständlich sollen sich die Alten nützlich machen, und zwar so lange wie möglich. Das Pensionssystem sollen sie nicht belasten! Wir wollen sie fit, leistungsbereit und aktiv bis mindestens 75, aber deswegen müssen sie doch nicht gleich BundespräsidentIn werden oder KanzleileiterIn bleiben oder weiterhin in öffentlichem Auftrag wissenschaftlich forschen wollen. Wenn wir sagen, die Alten sollen gefälligst noch was arbeiten, dann meinen wir was Untergeordnetes. Wenn wir sagen, die Alten sollen endlich Ruhe geben, dann meinen wir nicht, sie sollen sich zurücklehnen und ihren Ruhestand genießen, sondern wir meinen: Sie sollen zurückstecken. Wenn wir sagen, sie sollen leisertreten, dann meinen wir: Sie sollen ihre Ansprüche zurückschrauben.
Außer, sie haben ihre Ansprüche schon immer niedrig halten müssen, und wir erklären ihnen, warum die Rente, in die ihre Firma sie vorzeitig geschickt hat, so mickrig ist. Das liegt daran, sagen wir dann, weil sie ihren vorzeitigen Ruhestand akzeptiert haben, statt schnell noch die Karriereleiter hinaufgeklettert zu sein und ihre Pensionsberechnungsgrundlage um fünf oder sieben Jahre Spitzenverdienst aufgefettet zu haben.
Auch im Alter kann, nein, soll man sich sinnvoll beschäftigen. Aber muss man es übertreiben und unbedingt Staatsoberhaupt werden wollen?
Dieses Argument wird besonders gern auf die im Durchschnitt jämmerlichen Frauenpensionen angewendet. Miese Löhne, schlechtere Aufstiegschancen, lange Teilzeitstrecken wegen der Kinder – egal. Wirklich schuld an der niedrigen Pension ist (so beispielsweise Agenda-Austria-Direktor Franz Schellhorn in profil 3/2016) das niedrige Frauenpensionsalter, mit dem den Frauen „die fünf einkommensstärksten Jahre genommen werden“. Merk’s, elende Frühpensionistin, die du es stur abgelehnt hast, auf die Schnelle noch als Managerin des Jahres zu reüssieren, statt dich sozialschmarotzerisch darauf zu verlassen, dass du mit deiner Mindestrente eh einen Heizkostenzuschuss kriegst.
Ein wenig widersprüchlich erscheint auf den ersten Blick, dass wir die Frauen einerseits erst spät in Pension schicken wollen, andererseits aber fix davon ausgehen, dass jedem jungen Elternpaar mindestens eine Großmutter im Bedarfsfall die Kinderbetreuung abnimmt. Standard-Ratschlag an junge Mütter, die erklären, dass sie eines Babys wegen nicht um Punkt irgendwas irgendwo, zum Beispiel auf einem Amt, erscheinen können: Lassen S’ halt das Kind bei der Oma! Der Widerspruch löst sich aber auf, wenn wir bedenken, dass die Oma das Kind ja einfach mitnehmen könnte zu ihrer Arbeit, so viel Flexibilität wird sie hoffentlich aufbringen. Wenn nicht, dann sollte sie sich überlegen, ob sie wirklich noch geeignet ist, etwas Anspruchsvolles wie, sagen wir, eine Elektronenstrahlmikrosonde zu bedienen, oder ob sie an einem weniger herausfordernden Arbeitsplatz nicht besser aufgehoben wäre. Gemüseschälen in einer Kantinenküche ließe sich doch bestimmt besser mit Babybetreuung verbinden.
Bringen wir es auf diesen Punkt: Auch im Alter kann, nein, soll man sich sinnvoll beschäftigen. Aber muss man es übertreiben und unbedingt Staatsoberhaupt werden wollen? Zumal das ja ein verdammt anstrengender Job ist und die Alten – wir sagen das in ihrem Interesse – mit ihren Kräften haushalten sollten.