Elfriede Hammerl: Niemand muss arbeiten gehen

Aber wer daheim bleibt, geht ein Risiko ein. Das sollte man nicht immer verschweigen.

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Das Wichtigste sei die Wahlfreiheit, betonte Ministerin Juliane Bogner-Strauß im Ö1-„Morgenjournal“ am Weltfrauentag. Frauen sollten die Wahl haben, ob sie bei den Kindern bleiben oder berufstätig sein wollten.

Die oberösterreichische Landesrätin Christine Haberlander stieß in einem Interview im „Standard“ (am 2.3.2018) ins selbe Horn. Angesprochen auf die neuerliche Kostenpflichtigkeit der Nachmittagsbetreuung in Oberösterreichs Kindergärten und gefragt, ob dahinter nicht ein „gestriges Gesellschaftsbild“ mit dem „Mann als Ernährer“ und einer allenfalls Teilzeit arbeitenden Frau stehe, antwortete sie: „Die Möglichkeit, dass Kinder von ihren Eltern versorgt werden, wenn die es wollen, ist doch eine schöne Möglichkeit.“

Ach ja, die gute alte Wahlfreiheit. Immer wieder von PolitikerInnen als Versprechen strapaziert und als Nonplusultra einer modernen Frauenpolitik propagiert. Frauen sollen die freie Wahl haben. Müssen nichts. Dürfen alles. Das ist Selbstbestimmung.

In einigen Vorarlberger Gemeinden wird Familien, die ihre Kinder nicht in den Kindergarten schicken, sogar eine Prämie ausbezahlt.

Da ist es doch an der Zeit, daran zu erinnern, dass es ohnehin kein Gesetz gibt, das Frauen verpflichtet, erwerbstätig zu sein. Es gibt auch kein Gesetz, das Männer dazu verpflichtet. Jeder Mensch darf daheimbleiben, mit Kindern, ohne Kinder, um sich dem Nachwuchs zu widmen, den schönen Künsten, dem Nachdenken oder dem Nichtstun. Sofern er ein Daheim hat. Sofern jemand die Betriebskosten für dieses Daheim bezahlt. Sofern jemand für Essen und Kleidung aller Daheimbleibenden zahlt.

Nein, stimmt gar nicht. Die Erwerbstätigkeit verweigern kann man auch ohne ein Daheim. Jeder Mensch, egal, ob Frau oder Mann, hat die freie Wahl, sich um seine materielle Absicherung zu kümmern oder zu hoffen, dass es im Bedarfsfall schon ein paar Sterntaler vom Himmel regnen wird. Ist allerdings keine realistische Hoffnung. Deswegen ist es – falls man nicht als vermögende Erbin finanziell unabhängig ist – vernünftig, erwerbstätig zu sein.

Mütter – und Väter – brauchen keine vermeintliche Wahlfreiheit, sondern die Möglichkeit, Zeit und Kraft ausgewogen für Beruf und Familie einzusetzen.

Erwerbstätigkeit ist zwar keine gesetzliche Vorschrift, empfiehlt sich aber als Vorsorge gegen Mittellosigkeit. Erwerbstätige Ehemänner sind als Vorsorge nur bedingt haltbar, immerhin wird mittlerweile jede zweite Ehe geschieden. Mag sein, dass ein paar Ex-Frauen reicher Männer auch nach der Scheidung fein heraus sind, das Gros der Geschiedenen ist es nicht, schon aus dem simplen Grund, dass die Bezüge eines Durchschnittsverdieners nicht ausreichen, um zwei Haushalte und zwei Familien, die aktuelle und die ehemalige, zu finanzieren.

Also: Den Beruf ganz oder teilweise abzuwählen, ist durchaus erlaubt. Nur ist ein Risiko damit verbunden. Dieses Risiko wird beim Geschwätz von der Wahlfreiheit immer unterschlagen. Stattdessen wird so getan, als gelte es, Frauen eine privilegierte Position zuzuschanzen: Ihr könnt es euch aussuchen. Ihr habt es gut.

Tatsächlich ist die Wahlfreiheit eine Ausrede. Für fehlende Kindergärten auf dem Land. Für fehlende Ganztagsschulen überall in Österreich. Für die Unvereinbarkeit von Zwölf-Stunden-Arbeitstagen mit der Betreuung von Kindern. Für Wegzeiten zum und vom Arbeitsplatz, die es unmöglich machen, die Kinder rechtzeitig vom Kindergarten abzuholen. Für Karrierebedingungen, die keine Zeit und keine Luft lassen für etwas anderes als den Beruf.

Statt besserer Voraussetzungen für die Vereinbarkeit von Beruf mit Familie das Gesäusel von der Wahlfreiheit, das suggeriert, dass damit eine paradiesische Freiheit von den Zwängen der Arbeitswelt gemeint sei.

Ist aber gelogen. Klar, jeder und jede kann sich aus der Arbeitswelt mehr oder weniger verabschieden. Aber sie oder er geht damit ein Risiko ein. Es wäre anständig, das Risiko zu benennen, und die Person, die es eingeht, nicht in falscher Sicherheit zu wiegen.

Mütter – und Väter – brauchen keine vermeintliche Wahlfreiheit, sondern die Möglichkeit, Zeit und Kraft ausgewogen für Beruf und Familie einzusetzen. Deswegen ist die Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung eine gescheite Forderung. Statt schlecht bezahlter Teilzeitarbeit für die einen und Überstunden für die anderen eine gerechtere Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit für beide. Muss doch gehen.

Dass Frauen jedenfalls nicht das Daheimbleiben wählen wollen, zeigt sich in den Vorarlberger Gemeinden, wo trotz ausgelobter Herdprämie die Kindergartenanmeldungen boomen.

[email protected] www.elfriedehammerl.com