Elfriede Hammerl

Elfriede Hammerl Arme Schnecken

Arme Schnecken

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Heimat großer Töchter, Söhne – so hab ich in meiner letzten Kolumne den neuen Text unserer Bundeshymne zitiert. Seitdem E-Mail-Flut, viele empörte Zurechtweisungen: Es heiße Töchter UND Söhne. Schande über mich!

Na ja. Tatsächlich wurde zunächst die Version mit dem Beistrich anvisiert, aber im Gesetz ist dann diejenige mit dem Und gelandet. Begründung: weil man sonst Töchtersöhne verstehen könnte. In meinen Augen übertriebene Vorsicht, jedoch, stimmt schon, das Und ist korrekt.

Sagen wir, es war ein kleiner Test, liebe Leute. Er hat folgende Ergebnisse gebracht:

Erstens, der neue Text, der angeblich deswegen nicht gesungen wird, weil niemand ihn kennt, hat offenbar einen überwältigenden Bekanntheitsgrad.
Und, zweitens, ein UND ist wichtiger als Österreichs TÖCHTER. Die Töchter zu vergessen: nicht der Rede wert. Aber das Und auszulassen: ein Skandal!
Zugegeben, das Und holpert, wenn man’s tatsächlich singt. Aber muss man deswegen beim Singen unbedingt die Töchter aussparen? Oder würde es genügen, das Und zu verschlucken?

Ja, am gescheitesten wäre eine neue Hymne, wenn man denn eine braucht und will. Dass die meisten Hymnen ziemlich antiquiert daherkommen, spricht nicht wirklich dagegen, man muss sich ja nicht immer an den Schlechtesten orientieren.

An diesem Punkt wird für gewöhnlich ein Totschlagargument ins Spiel gebracht: Haben wir denn keine anderen Sorgen???

Doch, haben wir. Und?

Die Anliegen oder Forderungen anderer mit Verweisen auf gewichtigere Probleme, größere Katastrophen, bedeutendere Sinnfragen niederknüppeln zu wollen, ist ebenso beliebt wie billig.

Um eine Überstundenregelung geht es Ihnen? Und der ­Regenwald ist Ihnen wurscht?

Mein Gott, dann stehe ich halt auf Ihren Zehen! Darüber klagen Sie – und über die Christenverfolgung in Nordkorea verlieren Sie kein Wort?
Nach demselben Rezept wird auch in der Debatte um den Bundeshymnentext verfahren. Menschen, die sich zu etwaigen Einkommensunterschieden zwischen Männern und Frauen noch nie geäußert haben, schon gar nicht missbilligend, erklären plötzlich, sie könnten die Töchter-Fassung keinesfalls akzeptieren, weil sie die Einkommensschere nicht schließe.

Also, halten wir fest und haken wir ab: Nein, ein gegenderter Hymnentext verbessert nicht die Kollektivverträge in sogenannten Frauenbranchen. Nein, verbesserte Kollektivverträge in Frauenbranchen schaffen die Aufstiegsbarrieren nicht ab. Abgeschaffte Aufstiegsbarrieren bei uns helfen den Frauen in Indien nicht. Und überhaupt würde Geschlechtergerechtigkeit nicht vor Seuchen, Dürre, Missernten oder Blitzschlag schützen, nicht einmal vor Mundgeruch und unreiner Haut.

Dasselbe trifft allerdings auch auf eine nicht gegenderte Sprache und patriarchale Verhältnisse zu. Und auf die Straßenverkehrsordnung, die Rechtsvorschriften zum Maschinenbau oder das Bibliotheksgesetz. Es wäre also ein klein wenig unintelligent, die Berechtigung von Reformvorhaben an ihrer Eignung zum universalen Weltverbesserungsmittel zu messen.
Das universale Weltverbesserungsmittel gibt es nicht. Eine Binsenweisheit. Erstaunlicherweise gerät sie in totale Vergessenheit, sobald über Genderfragen, Rollenbilder u. ä. debattiert wird. Da heißt es schnell: Wozu was ändern, den Weltfrieden bringt es ja doch nicht. Oder, im strafenden Ton moralischer Überlegenheit: Wie kann man sich über solche Kleinigkeiten aufregen, solange der Weltfrieden bedroht ist!

Wie schon letztes Mal bedauert, lässt die Frauensolidarität dabei zu wünschen übrig. Auch Frauen versichern immer wieder unaufgefordert und ohne Not, dass es nichts Nebensächlicheres gäbe als Geschlechtergerechtigkeit, schon gar in der Sprache. (Das sind übrigens die Ersten, die im Fall einer persönlichen Benachteiligung, sei sie geschlechtsbedingt oder Folge persönlichen Ungeschicks, nach feministischer Unterstützung schreien: Wo bleiben denn da die Emanzen?

So, als seien die Emanzen ein Killerhundegeschwader, das frau herbeipfeifen und auf Widersacher loslassen kann, um sich selber jede Beteiligung an den gewünschten Kampfhandlungen zu ersparen.)
Was versprechen sie sich davon? Unwiderstehlichkeit? Fehlspekulation. Schleimerei zaubert keine Rosenwangen, und das Wahlrecht hat sie uns auch nicht gebracht.

Nächstes Totschlagargument: Paula von Preradović war eine Frau, ätsch. Wenn der Text von einer Frau ist, müssen Frauen damit einverstanden sein!
Müssen sie jedoch nicht. Frauen müssen keineswegs automatisch alles gutheißen, was andere Frauen denken oder tun. Sie müssen einander auch nicht reflexhaft und ohne Ansehen der Person ins Herz schließen. Beim Eintreten für Frauenrechte geht es um strukturelle Ungerechtigkeit. Die verschwindet nicht dadurch, dass manche Frauen sie nicht erkennen oder nichts dagegen einzuwenden haben.

Originell der Vorwurf eines Leserbriefschreibers, dass für die zusätzliche Erwähnung von Frauen in Schriftstücken zigtausende Druckseiten und umweltschädlicher Toner geopfert werden müssten. Ach ja, und Frauen fressen auch Schnecken den Salat weg.

Kein Wort über den offenen Brief von 800 Sprachexperten zum Gender-Wahnsinn? Doch. kommt noch.

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