Elfriede Hammerl: Autarke Hausfrau
Ich bin eine große Freundin der arbeitsteiligen Gesellschaft. Sie erlaubt es mir, mich auf Fähigkeiten und Fertigkeiten zu konzentrieren, in denen ich einigermaßen gut bin, und Aufgaben, denen ich mich mangels Begabung und/oder Ausbildung weniger gewachsen fühle, zu delegieren. Das halte ich für einen Fortschritt. Ich hätte es meinem Kind nicht zumuten wollen, in von mir geschneiderten Kleidungsstücken herumzulaufen, und ich würde mich ungern auf von mir getischlerte Sessel setzen. Natürlich wäre es heuchlerisch, zu behaupten, dass in der arbeitsteiligen Gesellschaft jeder Mensch nach seinen speziellen Neigungen zum Einsatz kommt. Niemand hat eine spezielle Neigung, fremde Klos zu putzen, und wenn wir andere damit beauftragen, können wir uns nicht darauf ausreden, dass es uns an der Expertise dafür fehlt. Aber grundsätzlich erscheint es mir vorteilhaft, die Kenntnisse von Fachleuten in Anspruch nehmen zu können und Arbeits- oder Freizeit zu gewinnen, indem ich mich nicht mit Tätigkeiten abmühen muss, für die ich nicht ausgebildet und auch nicht talentiert bin.
Industrialisierung und Geldgier haben freilich bewirkt, dass wir den Produkten der arbeitsteiligen Gesellschaft nicht trauen können, weil Fachkenntnisse nicht verantwortungsvoll eingesetzt werden. Deshalb sind fertig gebackenes Brot und gekauftes Gemüse unter Umständen von minderer Qualität, und darum entsteht fertig gekaufte Kleidung häufig unter fragwürdigen Bedingungen. Aber spricht das gegen eine arbeitsteilige Gesellschaft oder nur gegen Profitgier und Gewissenlosigkeit? Anders gefragt: Ist nicht auch eine arbeitsteilige Gesellschaft ohne Ausbeutung, Umweltverschmutzung und Gift auf den Feldern denkbar? Müssen wir das Kind mit dem Bad ausschütten und gleich nach dem autarken Haushalt rufen, wenn wir schadstofffreien Spinat essen und unsere Gesichter mit Cremes pflegen wollen, deren Erzeugung dem Ökosystem keinen nachhaltigen Schaden zufügt?
Wie so oft drängt sich der begründete Verdacht auf, dass die Rückkehr ins Selbstversorgerleben wohl mehr die Hausfrau belasten wird als den Hausherrn.
Im Zuge der Klimakrise kehrt sie gerade wieder zurück, die idyllische Vorstellung von der heilen, auch die Umwelt heilenden Familie, die selber anbaut, selber verarbeitet, lieber auf der eigenen Scholle urlaubt, statt in die Ferne zu reisen, und mit den eigenen Hühnern schlafen geht, um Strom zu sparen. In Zeitungen und Zeitschriften werden entsprechende Musterhaushalte porträtiert, und wer liest, wie sie ihren Lebensstil moralisch begründen, soll wohl ein schlechtes Gewissen kriegen und sich schämen, wenn er am Computer sitzt, statt Stoffwindeln zu falten. Nein. Nicht er. Sondern sie. Wie so oft drängt sich der begründete Verdacht auf, dass die Rückkehr ins Selbstversorgerleben wohl mehr die Hausfrau belasten wird als den Hausherrn.
Das hatten wir schon. Das kennen wir schon. Auch dem Waldsterben in den 1970er-Jahren sollte mit einer Rückkehr der Hausfrau an die Waschrumpel begegnet werden. Und die Frauen, Meisterinnen im Sich-schuldig-Fühlen, fühlten sich damals schuldig am sauren Regen, weil sie dem heimischen Forst nicht am Waschtrog dienen mochten. Wie wir heute wissen, hätte ihm das aber ohnehin weniger genützt als beispielsweise Rauchgasentschwefelungsanlagen in Kraftwerken.
Nein, ich leugne die Klimakrise nicht, und es leuchtet mir ein, dass sie, weil menschengemacht, von Menschen bekämpft werden muss, auch vom einzelnen Menschen. Und ich mache mich auch nicht lustig übers private Gärtnern oder Brotbacken. Aber ich warne vor der Reimplantierung alter Rollenbilder. (Wobei ja die Hausfrauen früherer Zeiten keineswegs alle am Spinnrad gesessen sind. Da haben halt die Dienstboten geschuftet, und die Hausherrinnen konnten sich dem Klavierspiel widmen. Ebenfalls keine gute Version von Arbeitsteilung, zumindest nicht für die Dienstboten.)
Also, auch individuelle Beiträge sind Beiträge, keine Frage. Niemand muss ein Schlachtschiff von Auto fahren, niemand muss Obst in Plastiksackerln transportieren, niemand muss für ein Wochenende nach Dubai jetten. Ein gewisses Maß an umweltfreundlichem Verhalten ist verlangbar, und wer mehr beitragen will, soll darin bestärkt werden. Aber den Klimanotstand werden wir damit noch nicht in den Griff kriegen, das wissen wir alle.
Deshalb stimmen sie mich misstrauisch, die zunehmenden Berichte über vorbildliche Zero-Waste-Haushalte mit Gemüsegärten, Obstbäumen und Hühnerställen, wo die Jausenbrote in selbst angefertigte Bienenwachstücher gewickelt und die Zähne mit selbst angerührtem Zahnpulver geputzt werden. Erstens kommen sie mir vor wie Ablenkungsmanöver, die unseren Blick umleiten wollen, weg von abgeholzten Urwäldern, ölverseuchten Meeren und Abgasskandalen, hin auf einzelne Konsumenten. Zweitens wie der Versuch, Frauen vom bezahlten Arbeitsmarkt in unbezahlte Beschäftigung zu holen, denn neben Gärtnern, Nutztierhaltung, Brotbacken und der Herstellung von Naturkosmetik geht sich wahrscheinlich kein anderer Job aus. Und drittens … Drittens erinnern sie mich an die unsäglichen Heimatfilme der 1950er-Jahre, aber das ist vielleicht ein persönliches Trauma.
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