Elfriede Hammerl: Champagner her!
Was machen Pensionistinnen, wenn sie überraschend einen Extra-Hunderter kriegen? Bestellen sie Champagner, lassen sie ihre Wohnung renovieren, investieren sie in Oldtimer, stecken sie ihn dem Zimmerservice in einem Luxusresort als Schmattes zu, gönnen sie sich endlich neue Zahnkronen? Egal, sagt die Politik, Hauptsache, er wird ausgegeben. Denn es gälte, die Kaufkraft der alten Menschen zu stärken.
Dieses Kaufkraft-Argument habe sie, schreibt mir Leserin Christa N., in der Debatte um den Pensions-Hunderter am meisten geärgert: „Als würden die (Klein-)Rentner schon in den Startlöchern hocken und nichts anderes im Sinn haben, als das bisschen Geld möglichst rasch für irgendwelche Konsumgüter zu verbrutzeln. Diejenigen, die viel Pension kriegen, werden den Hunderter wohl gar nicht bemerken. Die, die das Geld aber wirklich brauchen, spüren ihn insofern nicht, als ihn die Teuerungen heuer längst aufgefressen haben. Für notwendige und sinnvolle Anschaffungen reicht er sowieso nicht. Ich würde zum Beispiel seit Jahren eine neue Gleitsichtbrille brauchen, aber die kostet mehrere Hundert Euro. Und obwohl in den Inflationsindex auch Fernseher eingerechnet werden (die sind ja angeblich so viel billiger geworden, deshalb krieg ich nur 0,8 Prozent Erhöhung nächstes Jahr) kann ich mir mit dem Hunderter nicht einmal das billigste Gerät kaufen. So hoffe ich halt, dass mein uralter Röhrenfernseher noch eine Weile hält …“
Sie sei, schreibt Christa N., Pensionistin „mit einer Rente über der Mindestsicherung, aber trotzdem unter der Armutsgrenze“. Damit ist sie in zahlreicher Gesellschaft. Vor allem Frauen müssen sich oft mit einer Alterspension durchkämpfen, die, wie man früher gesagt hat, zum Sterben zu viel ist, aber zum Leben nicht reicht.
Erstaunlicherweise kommt diese große Gruppe von alten Menschen mit (zu) wenig Geld, das statistisch jedoch als ausreichend gilt, in der allgemeinen Wahrnehmung kaum vor.
Der Fokus liegt entweder auf den ganz Armen oder auf den kreuzfahrenden, golfplatzgebräunten Luxus-Oldies. Dazwischen befindet sich das breite Segment derer, die ein Arbeitsleben lang brav eingezahlt haben in die sozialen Sicherungssysteme und jetzt besorgt jeden Cent umdrehen müssen, bevor sie ihn doch nicht ausgeben können.
Theaterkarten ein Luxus, Zahnimplantate nicht erschwinglich, Fernreisen sowieso ein unerfüllbarer Traum. Dazu kommt, dass sie, weil ihre Bezüge – wenn auch oft äußerst knapp – über der Mindestrente liegen, keinen Anspruch auf Gebührenbefreiungen, Ermäßigungen oder Zuschüsse haben, wie sie den Allerärmsten zustehen.
Wie kommt es, dass ein echter Teuerungsausgleich für die bedüftigen Alten nicht zur Debatte steht?
Natürlich sollen die Allerärmsten gebührenbefreit und bezuschusst werden. Aber übersehen wird, dass letzten Endes den Gerade-noch-nicht-MindestrentnerInnen nach Abzug der Rezeptgebühren, Rundfunkgebühren, Heizkosten oft genauso wenig im Börsel bleibt wie den Ärmsten. Ein Gnaden-Hunderter dann und wann macht sie nicht nur nicht kaufkräftig, er verhindert nicht einmal das stetige Absinken ihres bescheidenen Lebensstandards in den Keller völliger Anspruchslosigkeit.
Wie kommt es, dass ein echter Teuerungsausgleich für die bedüftigen Alten nicht zur Debatte steht? Stattdessen wird die Almosen-Gießkanne über Reich wie Arm ausgeleert – und als besondere Perfidie nachgedacht, ob den Allerärmsten die Sonderzahlung nicht auf die Ausgleichszulage anzurechnen sei. Dazu die beschwichtigende Kaufkraft-Begründung, damit Wirtschaft, Handel, Bevölkerung – wer oder was auch immer – die Ausgabe für die Alten nicht als hinausgeschmissenes Geld, sondern als Investition ins BIP sehen.
Oh ja, auch unter den Jungen gibt es welche, deren Arbeitsleistung sich bloß unzureichend auf dem Gehaltskonto niederschlägt. Die Welt ist ungerecht, für die Alten wie für die Jungen. Für die Jungen sind allerdings noch Wendungen zum Besseren drin. Die Jüngeren haben eine Zukunft und die Chance, Engpässen wieder zu entkommen. Für die Alten ist Endstation. Da ändert sich nichts mehr. Angekommen in der Armut und keine Aussicht auf Besserung. Wenn sie Glück haben, können sie was dazuverdienen – solange sie arbeitsfähig sind und jemanden finden, der sie gegen Bezahlung beschäftigt (statt zu erwarten, dass sie sich ehrenamtlich zur Verfügung stellen). Wenn sie Pech haben, dann zieht man ihnen den Zuverdienst bei der nächsten Pensionsreform – wie schon öffentlich angedacht – von der Rente ab.
Zum Schluss das Kuriose: Die Stadt Wien beschenkt alte Ehepaare mit einer sogenannten Ehrengabe. Für goldene HochzeiterInnen gibt’s 300 Euro, für diamantene (60 Jahre Ehe) fünf Hunderter, die eiserne Hochzeit (65 Jahre) bringt 700 Euro und die Kronjuwelenhochzeit (75 Jahre) gar 1100 Euro.
Nette Geste, aber was wird hier eigentlich belohnt? 50 Jahre Zweisamkeit statt Einsamkeit? Oder 60 Jahre Zähne-Zusammenbeißen und Durchhalten statt Flucht? Und inwiefern dienen lange Ehen den Interessen der Stadt Wien, weil sie Geld dafür herausrückt? Ich frag ja nur.
Jedenfalls auch eine eher schwache Chance, um im Alter zu Kohle zu kommen.
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