Elfriede Hammerl: Cruella De Corona
Ulrike Lunacek war eine Fehlbesetzung für den Posten der Kulturstaatssekretärin und ist demzufolge zurückgetreten. So weit, so logisch.
Vorher wurde sie von der Kulturszene freilich kreuz und quer durch die Gegend gewatscht als verkörperter Gottseibeiuns für Künstlerinnen und Künstler. "Unser Mond ist dunkel. Drum heißt er Lunacek. Lunacek, der schwarze Mond. Die schwarze Aussicht für alle Kulturschaffenden", höhnte Lukas Resetarits in einem Wutvideo und gab der Krise damit einen Namen, den Namen einer bösen Hexe, die der Kulturszene das Licht ausblies. Lunacek, die Cruella De Corona sozusagen.
Na ja, selber schuld. Warum lässt sie sich auch breitschlagen und übernimmt einen Job, von dem sie wissen hätte müssen, dass sie ihm nicht gewachsen ist?
Gute Frage. Man könnte sie allerdings auch anderen Regierungsmitgliedern stellen. Zum Beispiel der Frauenministerin, deren wichtigste inhaltliche Ansage lautet, dass sie keine Feministin ist. Oder der Arbeitsministerin, von der man nicht viel mehr im Gedächtnis hat als ein Fernsehinterview, bei dem sie wie hypnotisiert in die Kamera starrt und sinnfreie Antworten herunterleiert, die mit den zuvor gestellten Fragen nichts zu tun haben. Beide sind noch im Amt. So weit, so unlogisch.
Ja, auch an männlichen Rücktrittskandidaten wäre kein Mangel. Warum trotzdem ein Spotlight gerade auf Ministerinnen? Weil ihre Performance etwas aussagt über das Frauenbild, das diese Regierung bedient. Und weil die Frauen hierzulande beunruhigt sind angesichts der Geschwindigkeit, mit der mühsam erkämpfte Freiheiten während des Shutdowns in alten Rollenbildern versandeten. Plötzlich waren Mütter rund um die Uhr damit beschäftigt, Kleinkinder zu versorgen, Schulkinder zu unterrichten, zu kochen, zu putzen und irgendwie, nebenbei, auch noch ein Stück ihrer beruflichen Reputation zu retten. Von den Männern wurden sie dabei unterstützt. Aber Unterstützung ist was anderes als gerechte Arbeitsteilung. Und letzten Endes zeigte sich, dass sein Videomeeting Vorrang hatte vor ihrer Telefonkonferenz. Die Corona-Krise habe, heißt es, Frauen zurückgeworfen in die 1950er-Jahre, aber tatsächlich hat sie eher aufgedeckt, wie wenig weit wir die traditionellen Rollenaufteilungen hinter uns gelassen haben.
Wenig Aussicht auf mehr Gendergerechtigkeit. Spricht nichts dafür.
In Anbetracht dieser Erkenntnisse würde frau gerne darauf bauen, dass Regierungspolitikerinnen schon in den Startlöchern lauern, um energisch was weiterzubringen in Sachen Gleichstellungspolitik. Auf den ersten Blick besticht unsere Regierung ja immerhin durch eine zahlenmäßig ansprechende Frauenbeteiligung. Aber der zweite Blick stimmt unfroh. Was sich da zeigt, schaut verdammt nach Boys Club mit Damenbegleitung aus, jedenfalls auf ÖVP- Seite. Die türkisen Ministerinnen-Darstellerinnen sind jung, fesch, perfekt gestylt und selbstbewusst, aber deutet irgendwas darauf hin, dass sie mehr sein möchten als Cheerleading Queens? Die einzige Stellungnahme zu feministischer Politik kommt von der Frauenministerin, die verkündet, dass sie keine Feministin ist und das ausgerechnet mit Selbstbestimmung begründet.
Das eigentliche Sagen im Land haben teils erzkatholisch sozialisierte junge Männer, die sich um den selbstverliebten jungen Anführer scharen, Musketiere mit rechtskonservativer Mission, denen dreifach belastete Mütter, abgestrudelte Alleinerzieherinnen oder rotierende stille Heldinnen sonstwo vorbeigehen.
Der Unterschied zwischen Lunacek und der türkisen Damenriege ist der: Lunacek war eine Fehlbesetzung. Ist passiert. Falsche Zeit, falscher Ort. Richtig eingesetzt wäre sie eine gestandene Politikerin, europapolitisch versiert, frauenpolitisch engagiert.
Die türkisen Ministerinnen sind kein Irrtum, die sind Programm. So und nicht anders will sie der Programmchef. Sie verkünden, was er vorgibt. Die klassenbewusste Gesellschaft, an deren Festigung sie mitwirken dürfen, gesteht Frauen Frauenrechte je nach Schichtzugehörigkeit zu, darum können die in den oberen Rängen studiert haben, während die unteren Ränge einfach nur den althergebrachten Nützlichkeitskriterien genügen sollen, aber die Hegemonie des Maskulinen steht nirgendwo zur Disposition.
Deswegen dürfen unbedarfte türkise Vorzeigefrauen bleiben, während die in ihrem Amt unbedarfte Grüne vom Zorn der Kulturschaffenden hinweggefegt wurde, als hätte es für das Desaster keinerlei Mitverantwortung von Kulturminister und Regierungschef gegeben. Ob sie sich auch deswegen so gut zum alleinigen Sündenbock geeignet hat, weil sie als deklarierte Feministin (und bekennende Lesbe) dem Boys Clubs in Politik und Kunst sowieso verdächtig war, wird man nie erfahren. Aber die hämische Wut, mit der sie geschmäht wurde, hatte Züge einer Hexenjagd an sich.
Daher: Wenig Aussicht auf mehr Gendergerechtigkeit. Spricht nichts dafür. Im Gegenteil, es kommen harte Zeiten auf uns zu, und wir ahnen schon jetzt, wer aufgefordert werden wird, zurückzustehen und zurückzustecken im Interesse der wirtschaftlichen Erholung. Ein heißer Tipp: Die Boys Clubs werden es nicht sein.
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