Elfriede Hammerl: Dad und Donald

Muss ich grantige Männer verstehen, die der Indianerjagd nachtrauern?

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A Basket Of Deplorable nannte Hillary Clinton einen größeren Teil der Trump-Wähler bei einer Wahlveranstaltung. Einen Haufen Bedauernswerter, und er bestehe aus Rassisten, Sexisten und Homophoben. Dafür musste sie sich umgehend entschuldigen. Aber, jetzt ehrlich: Was war so falsch daran?

Ja, diese Frage ist unhöflich. Und wir wollen uns nicht an Donald Trumps Umgangsformen orientieren, obwohl die ja so erfrischend ankamen, dass er zum Präsidenten gewählt wurde. Trotzdem: kein Vorbild. Aber müssen wir uns deswegen so viele Blätter vor den Mund nehmen, dass wir daran zu ersticken drohen?

Ich habe es satt, ständig Verständnis aufbringen zu sollen

Ich habe es satt. Ich habe es satt, ständig Verständnis aufbringen zu sollen. Verständnis für weiße alte Männer, die grantig sind, weil sie nicht wie in der guten alten Zeit Indianer über den Haufen schießen, Schwarze versklaven und ihre Weiber verprügeln dürfen. Verständnis für Verlierer, die vor allem den Verlust einer durch nichts begründeten Vormachtstellung betrauern, es sei denn, man hält eine helle Hautfarbe und männliche Genitalien für ausreichende Rangabzeichen. Ich habe kein Verständnis für die Sehnsucht nach einer Zeit, in der Daddy der große Ernährer war und Mom glücklich beim Putzen und Cookiesbacken im Vororte-Eigenheim, weil es diese Zeit so nicht gegeben hat – weder hat Daddy stets ausreichend verdient, noch war Mom ein glücklicher Putzteufel. Und ich habe kein Verständnis für Frauen, die sexistischen Machos um den Bart gehen, weil sie glauben, ihre Verachtung für andere Frauen bewahre sie vor der Frauenverachtung der sexistischen Machos.

Ich habe viel Verständnis für alle, die unter der Ungerechtigkeit der Verhältnisse leiden, aber kein Verständnis für diejenigen, die daran nur stört, dass es eine Ungerechtigkeit zu ihren Ungunsten ist. Und bei allem Verständnis und Mitgefühl für die Zukurzgekommenen und Absturzgefährdeten macht es mich böse und ungeduldig, dass sie ausgerechnet denen auf den Leim gehen, die ihre Lage verschlechtern werden. Warum kapieren sie nicht, dass viele der von ihnen beklagten Versäumnisse nicht Obama vorzuwerfen sind, sondern dem Widerstand der Republikaner – jener Partei, die sie gerade mit einer satten Mehrheit in Senat und Kongreß ausgestattet haben? Ist es zu viel verlangt, dass WählerInnen sich ein wenig informieren sollen statt vor dem Führungsanspruch eines halbseidenen TV-Promis auf dem Bauch zu liegen?

Der Wahlsieg Trumps ist der Sieg eines Schulhofrüpels, den andere (Möchtegern-)Schulhofrüpel wählen

Das Feuilleton gefällt sich jetzt darin, vor Arroganz den Trumpianern gegenüber zu warnen. Wunsch nach Wandel, Bruch mit dem Establishment, Wut der Modernisierungs- verlierer, Angst um die kulturelle Identität – all das stecke hinter dem Wahlergebnis, und man müsse es begreifen, ja respektieren.

Muss man? Man könnte auch sagen: Wandel per se ist kein Wandel zum Besseren, unter der Establishment-Vetreterin Clinton wären die Modernisierungsverlierer wenigstens krankenversichert, und um welche kulturelle Identität die Reality-Soap-Glotzer insgeheim bangen, ist nicht erkennbar. Man könnte auch sagen: Der Wahlsieg Trumps ist der Sieg eines Schulhofrüpels, den andere (Möchtegern-)Schulhofrüpel wählen, in der Hoffnung, dass unter ihm Faustrecht und Willkür angesagt sind.

Und man muss sagen: Clintons Niederlage zeugt letztlich von tiefer Frauenverachtung. Wie Clinton Intelligenz, Kompetenz und Zielstrebigkeit als Kälte, Streberei und übertriebener Ehrgeiz ausgelegt wurden, das ist in dieser Kolumne schon behandelt worden. Aber noch ein Phänomen fiel auf: die Konsequenz, mit der ihr die Medien Trumps Entgleisungen ebenfalls in die Schuhe schoben. Der schmutzigste Wahlkampf aller Zeiten. Schlammschlacht. Tiefer geht es nicht. So tief wie nie zuvor. Ungeheuerliche Beschimpfungen. Es las und hörte sich an, als würden zwei widerliche Dreckschleudern einander nichts schuldig bleiben. Doch Trump allein beschimpfte, beleidigte, unterstellte, log und schleuderte Dreck. Clinton war maßvoll und sachlich. Ein einziges Mal passierte ihr der – vergleichsweise harmlose – Basket of Deplorable. Trotzdem galt sie als mitschuldig an der Schlammschlacht. Warum? Weil es schon schmutzig ist, wenn sich die Klassensprecherin dem Schulhofrüpel in den Weg stellt?

Jetzt ist ein, so Michael Moore, „Vollzeitsoziopath“ Präsident der USA

Die Beharrlichkeit, mit der Clinton und Trump medial in einen Topf geworfen wurden – gleich unsympathisch, gleich aggressiv, gleichermaßen schuld am vergifteten Klima –, hatte Methode, und sie half mit, Clinton systematisch abzuwerten. Schon bald war sie eins von zwei gleich großen Übeln. Aus einer keineswegs fehlerlosen, aber hochintelligenten und kompetenten Kandidatin mit vernünftigen politischen Zielen auf der einen und einem rassistischen, sexistischen Lügenbold auf der anderen Seite wurde in der öffentlichen Meinung das Gespann Pest und Cholera. Wenn da nicht eine massive, tief verwurzelte Frauenverachtung mitspielt, was dann? Jetzt ist ein, so Michael Moore, „Vollzeitsoziopath“ Präsident der USA. Das wird Mom noch bedauern. Und Dad auch.