Elfriede Hammerl: Ehe leicht gemacht
Im Justizministerium wird, so heißt es, an den gesetzlichen Grundlagen für eine „Ehe light“ gearbeitet. Genaueres ist noch nicht bekannt, aber ziemlich sicher wird es um die Abschaffung des Verschuldensprinzips gehen sowie um die Beseitigung alter Hüte wie der „Mitwirkungspflicht“, die Ehegatten abverlangt, „im Erwerb des anderen mitzuwirken“, und die aus einer Zeit stammt, in der vorausgesetzt werden konnte, dass Gattinnen keinen eigenen Beruf haben. Auch die Frage des Verschuldens gilt ja im Übrigen als alter Hut. Man trifft sich, man trennt sich. Schuld, was ist das?
Was sollen wir uns also unter einer „Ehe light“ vorstellen? Unbeschwertes Zusammensein, solange es beiden gefällt, und danach eine heitere Trennung statt einer Bürde von Verpflichtungen, die auch durch Scheidung nicht so einfach loszuwerden ist? Was wäre denn das Gegenteil einer leichtgewichtigen Ehe? „… in guten wie in schlechten Zeiten, in Gesundheit und Krankheit, bis dass der Tod uns scheidet“? Zusammenbleiben, obwohl man einander nicht mehr liebt? Also bitte! Zum Gruseln.
Tschüss bei Liebesende, warum nicht? Blöd ist nur, dass das Entlieben nicht unbedingt synchron abläuft. Das kann unterschiedliche Folgen haben, greifen wir zwei heraus. Folge a: Derjenige, der nicht mehr liebt, hat ein schlechtes Gewissen und verhält sich bei der Trennung daher wenigstens materiell großzügig. Das wäre anständig, kommt aber eher selten vor, zumal Großzügigkeit einen finanziellen Status erfordert, über den nicht viele verfügen. Folge b: Derjenige, der nicht mehr liebt, sieht die andere nur noch als schwer erträgliche Last und will sie so billig wie möglich loswerden.
Auch für das Verhalten der oder des nicht mehr Geliebten gibt es zwei gegensätzliche Möglichkeiten. Version eins: Die nicht mehr geliebte Person hat ihren Stolz und geht wie das Dirndl vom Tanz. Weshalb sie nachher oft nichts mehr hat als ihren Stolz. Und die Kinder. Und wenig Geld für die Kinder.
Die gesetzlichen Regelungen gehen immer mehr davon aus, dass erwachsene Menschen ihr wirtschaftliches Glück selbstständig schmieden können und nicht auf die Tüchtigkeit eines Partners oder einer Partnerin angewiesen sind.
Version zwei: Die nicht mehr geliebte Person will Jahre des loyalen Zusammenwirkens wenigstens finanziell abgegolten haben, vor allem, wenn sie über weite Strecken unbezahlt gewirkt hat, damit der oder die andere mehr Energie in den Gelderwerb stecken konnte. Das wird ihr manchmal als kleinliche Rachsucht ausgelegt.
Weil Rachsucht gesellschaftlich nicht akzeptiert ist, drängt sich der Verdacht auf, dass unter „Ehe light“ vor allem eine Scheidung light angedacht wird, bei der jeder und jede sich vom Acker macht wie das schon zitierte Dirndl nach dem Tanz, ohne darüber nachdenken zu müssen, wie die oder der andere künftig über die Runden kommt.
Ja, es geht um Geld. Die Heirat als romantische Geste bedürfte keiner weitreichenden Regelung, und dass anhaltende Betörung oder Leidenschaft nicht erzwungen werden kann, ist klar. Aber die Liebesheirat ist, wie man weiß, eine Erfindung der Neuzeit, die Ehe war zunächst nicht als romantische Institution gedacht, sondern als Wirtschaftsgemeinschaft, in der zusammen Wohlstand geschaffen oder familiäres Vermögen vergrößert werden sollte. Mittlerweile ist sie zu einer Art temporärer GmbH geworden, und die Eheleute tun gut daran, sich persönliche Gewinnanteile zu sichern, damit ihnen im Fall einer Scheidung die beschränkte Haftung des oder der anderen nicht auf den Kopf fällt.
Denn die gesetzlichen Regelungen gehen immer mehr davon aus, dass erwachsene Menschen ihr wirtschaftliches Glück selbstständig schmieden können und nicht auf die Tüchtigkeit eines Partners oder einer Partnerin angewiesen sind. Stimmt ja auch, sofern die erwachsenen Menschen nicht von weniger erwachsenen Menschen, bekannt als Kinder, in ihrem beruflichen Fortkommen gebremst werden. Tatsächlich werden aber in den meisten Ehen Kinder großgezogen, und meistens sind es nicht die Väter, die ihren Beruf der Kinder wegen zurückstellen.
Und so ist eine interessante Entwicklung zu beobachten: Während die Ehe immer „lighter“ wird, halten viele Eltern an einer Aufgabenteilung aus der Zeit der Versorgungsheirat fest. Oder anders gesagt: landen Mütter, allen Gleichstellungsbehauptungen zum Trotz, mehrheitlich in der Rolle derjenigen, die zuständig sind für Betreuungs- und Haushaltspflichten. Sie machen zwei Drittel der unbezahlten Arbeit und reduzieren ihre Erwerbstätigkeit auf Teilzeitjobs. Auf ihren Einsatz verlässt sich die Gesellschaft. Sie verlassen sich auf ihren Mann. Er verdient gut und sorgt schon für uns, sagen sie. Er ist nicht so.
Kann ja auch stimmen. Falls er aber doch „so“ ist, haben sie wenig Rückhalt vom Gesetz, schon gar nicht, wenn die Ehe noch lighter wird. Dann heißt es: Sorry, gute Frau, wo war Ihre Eigenverantwortung?
Den gut verdienenden Neopatriarchen kann das recht sein. Aber alle anderen sollten darüber nachdenken, ob eine fortschrittliche Ehereform zulasten der Frauen gehen muss bzw. worin dann der Fortschritt liegt. Nur so gefragt: Was ist eigentlich so gruselig an „in guten wie in schlechten Zeiten“?