Elfriede Hammerl: Kinder, Kinder!

Warum der Familienbonus auch gut verdienende Alleinerzieherinnen benachteiligt.

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Da haben wir diese halbwegs gut verdienende Alleinerzieherin – ja, solche gibt es glücklicherweise auch –, die den Familienbonus voll ausschöpfen könnte. Könnte, wenn sie nicht geschieden wäre. Denn „für getrennt lebende Eltern, die beide Unterhalt leisten“, heißt es im einschlägigen ÖVP-Papier, „soll der Familienbonus, wie bei der derzeitigen Regelung des Kinderfreibetrages, auf beide Eltern aufgeteilt werden.“ Die Alleinerzieherin leistet ihren Unterhaltsbeitrag bekanntlich durch die Betreuung der Kinder. Trotzdem wird der Kinderfreibetrag, wie überhaupt alle staatlichen Familienleistungen, von den Gerichten gern zur Gänze dem gut verdienenden Vater zugeprochen. Die derzeitige Regelung stimmt also nicht sonderlich hoffnungsfroh.

Aber selbst bei gerechter Aufteilung kommt der neue Familienbonus demnach nur zur Hälfte der halbwegs gut verdienenden Alleinerzieherin beziehungsweise ihren Kindern zugute. Dafür erleidet sie Einbußen durch den Wegfall des Absetzbetrages, den sie bisher für die außerhäusliche Kinderbetreuung geltend machen konnte. Und die Kinder haben vom halben Familienbonus für den geschiedenen Vater genau gar nichts, denn seine Unterhaltsleistung erhöht sich dadurch nicht.

Was folgern wir daraus? Wir folgern, dass die neue Regierung damit deutlich ihr Familienwunschbild zum Ausdruck bringt: Alleinerzieherinnen – samt ihren Kindern – eher pfui, heile Familie hui.

Die neue Regierung bringt ihr Familienwunschbild deutlich zum Ausdruck.

In der sogenannten heilen Familie wiederum wird das patriarchale Modell belohnt, bei dem einer hauptsächlich fürs Geldverdienen zuständig ist und die andere für die Kinderbetreuung. Zugegeben, der Familienbonus – der bei aufrechter Ehe gesplittet werden kann, aber nicht muss – greift mit einem Kind bereits bei einem relativ bescheidenen Gesamteinkommen, ab drei Kindern bedarf es jedoch schon eines stattlichen steuerpflichtigen Verdienstes, damit er sich rechnet, schließlich muss die zu mindernde Steuerlast dann 4500 Euro ausmachen. Dieses stattliche Einkommen erreicht man wohl nicht so häufig mit einer Arbeitsteilung, bei der Vater und Mutter gleichermaßen für die häuslichen Pflichten und fürs Geldverdienen zuständig sind, zum Beispiel, indem sie beide Teilzeit arbeiten. (Wenn zwei mit Vollzeit so viel verdienen, dass sie sich ein – womöglich als Bürokraft deklariertes – Kindermädchen leisten können, haben sie natürlich kein Problem, aber diese Bevölkerungsgruppe war ohnehin noch nie im Vereinbarkeitsdilemma.)

Also: klare Signale. Abgesehen von der steuerlichen Diskriminierung Alleinerziehender sind es zwei, die hervorstechen. Signal eins: Kinder sind dem Staat mehr wert, wenn ihre Eltern ordentlich verdienen.

Wirtschaftlich gedacht!, könnte man kaltschnäuzig kommentieren, wem sollte schon die Fortpflanzung der Mittellosen am Herzen liegen? Der Gedanke wäre nicht neu, bereits in früheren Jahrhunderten wurde versucht, die Zahl der armen Schlucker auf einem den Wohlhabenden zuträglichen Niveau zu halten (die Instrumente Heiratsbeschränkung beziehungsweise Heiratsverbot für Arme erwiesen sich allerdings als mäßig wirkungsam, weil Fortpflanzung bekanntlich auch ohne Ehe möglich ist).

Nicht auszuschließen ist freilich, dass sich die gesponserten Kinder der Wohlhabenden später – statt zuverlässig als Leistungsträger zum gesellschaftlichen Mehrwert beizutragen – zum Teil als wenig nützliche Zeitgenossen entpuppen. Dann würde man es wohl ein wenig bedauern, die Entdeckung und Förderung potenzieller Talente unter dem Nachwuchs der armen Schlucker nicht intensiver betrieben zu haben.

Signal zwei ist die Abschaffung der Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten. Dabei geht es weniger um die materielle als um die ideelle Botschaft dieses Schritts.

Materiell schlägt der Kinderbonus, so er voll ausgeschöpft werden kann, sogar etwas höher zu Buche als die Steuerersparnis durch den Absetzbetrag für Kinderbetreuungskosten. Und zugegeben, auch der Absetzbetrag kam nur jenen zugute, die überhaupt Steuern zahlen. Aber die Möglichkeit, außerhäusliche Kinderbetreuung steuerlich geltend zu machen, bedeutete, dass Kinderbetreuung auch als gesamtgesellschaftliche Verantwortung gesehen wurde, während sie jetzt wieder zur rein innerfamiliären Angelegenheit mutiert. Der Bonus belohnt Besserverdienende fürs Kinderhaben und dafür, dass sie den Staat nicht mit der Frage ihrer Betreuung behelligen. Punkt.

Aber gibt’s denn überhaupt viele junge Menschen, die sich nach der Rollenverteilung der frühen 1960er-Jahre sehnen? Na ja, unter den Einheimischen vielleicht nicht, doch für manche der Zugezogenen ist sie die einzig denkbare. Schon drollig, dass die neue Regierung ausgerechnet die Rollenbilder derer bedient, deren Traditionen sie normalerweise für bedrohlich erklärt. Weniger drollig allerdings, dass sie damit die Abschottung von Müttern und Kindern fördert, die eigentlich in die Mehrheitsgesellschaft integriert werden sollten. Denn wenn auch migrantische Alleinverdiener nicht unbedingt zu den Betuchten gehören mögen: Die Botschaft, dass es was bringt, wenn die Frau zu Hause bleibt, kommt durchaus an.