Elfriede Hammerl: Integriert euch, Frauen!
Die Frauenpolitik gehört jetzt zum Integrationsministerium. Das lässt drei mögliche Interpretationen zu. Die erste: Die Regierung glaubt, wir müssen uns darauf einrichten, dass sich in nächster Zeit eine neue Menschengruppe bei uns ansiedeln wird, die Frauen heißt.
Die zweite: Die Regierung weiß, dass es bei uns schon Frauen gibt, betrachtet sie aber generell als unangepasste Spezies, der es an der Fähigkeit mangelt, sich akzeptabel in die bestehende Gesellschaft einzufügen. Deswegen soll ihnen vermittelt werden, dass ständiges Matschkern gegen die herrschenden Verhältnisse unerwünscht ist und dass sie sich mit kleinen Unannehmlichkeiten wie Altersarmut oder gläsernen Decken arrangieren mögen.
Die dritte: Die Regierung meint, Frauenpolitik habe sich vordringlich an Migrantinnen zu richten, weil die einheimischen Frauen eh schon alles erreicht hätten, was Frauen erreichen können bzw. erreichen sollen, sodass Nachholbedarf nur noch bei den Zugewanderten bestehe. Was dann bedeutet, dass sich der Nachholbedarf abermals am Status quo der hiesigen Gendergerechtigkeit bemisst und ein Mehr für überflüssig erachtet wird.
Mit anderen Worten: Tschüss, Gleichstellungspolitik. Wir diskutieren nicht länger über die Einkommensschere, das Vereinbarkeitsdilemma, die ungleiche Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit, sondern fokussieren auf patriarchale Strukturen in Einwandererfamilien, und wenn wir über Gewaltschutzmaßnahmen reden, dann gehen wir davon aus, dass Gewalt gegen Frauen ein von Zugezogenen eingeschlepptes Phänomen ist (wie der Kanzler und seine Kanzleramtsministerin nicht müde werden, zu betonen).
Die Ansiedlung der Frauenagenden im Integrationsministerium wurde bis jetzt erstaunlich mild aufgenommen. Erstaunlich zumindest aus der Sicht derer, die sich von einer fortschrittlichen Frauenpolitik etwas anderes erwarten als ein Kopftuchverbot bis 14. Das finde ich als Signal zwar nicht so verwerflich, weil es ein Zeichen gegen frühe Sexualisierung ist und Mädchen die Chance gibt, eventuellem familiärem Rollenzwang wenigstens in der Schule zu entgehen, aber leider lässt es befürchten, dass die türkisen Frauen-Integrierer derlei punktuelle Kampfansagen gegen unbeliebte Communities als ausreichende Gleichstellungspolitik verkaufen werden.
Erstaunen also bei denen, die Genderfragen nicht auf eine Migrationsproblematik reduziert sehen wollen. Ansonsten Desinteresse bis Wohlwollen. Migrantinnen zu fördern, sei eine wichtige Aufgabe, Integration funktioniere über Mütter, es gelte, die Mütter zu bilden und zu stärken, dann würden auch die Kinder … Und so weiter.
Stimmt alles. Sind wir alle dafür. Fällt aber eben unter Integrationspolitik und nicht unter Frauenpolitik im weiteren Sinn.
Wo bleiben Ansagen zur Gendergerechtigkeit? Gibt es Pläne, die ungleiche Verteilung von Einfluss, Einkommen, Vermögen, bezahlter Arbeit und unbezahlter Care-Arbeit fairer zu gestalten? Wie schaut es mit Maßnahmen gegen das Vereinbarkeitsdilemma aus? Flächendeckende Ganztagsschulen sind nicht angedacht, eine Reduzierung der Norm-Arbeitszeit kommt nicht infrage – da wird sich die gewöhnliche junge Mutter weiterhin schwertun, mitzuhalten beim Contest der Powerfrauen mit M-Hintergrund (M diesfalls für Millionen), die Karriere mit Kinderfrauen vereinbaren und leichtfüßig aus vermögenssteuerbefreiten Elternhäusern in eine Arbeitswelt der SpitzenverdienerInnen einwandern.
Dass Türkis das kaltlässt, überrascht nicht. Die Welt der Freundinnen und Freunde des Sebastian Kurz ist eine, in der Gott aufseiten der Sonntagskinder steht, und wie käme der Kanzler dazu, sich gegen Gott zu stellen? „So wahr mir Gott helfe“, sagte er bei der Angelobung, denn unbefangen verlässt er sich auf himmlische Hilfe bei der Umwandlung des Landes in einen paradiesischen Tummelplatz für Reiche und Schöne.
Aber wo bleiben die Grünen? Warum haben sie die Frauenagenden einfach der ÖVP überlassen, und noch dazu einer Ministerin, die sich bisher vor allem als Hardlinerin im „Kampf gegen Parallelgesellschaften“ profiliert hat? Es gab einmal eine Zeit, da standen die Grünen für eine fortschrittliche, feministische Frauenpolitik, und man hatte den Eindruck, dass sie ihnen wirklich am Herzen lag. Doch jetzt: fort mit Schaden! (Denn der Schaden ist absehbar.) Weshalb? Weil Kompromisse halt notwendig waren? Und weil Kompromisse zum Nachteil von Frauen eine lange, ehrwürdige Tradition haben?
Mittlerweile bekam die neue Frauenministerin Susanne Raab Gelegenheit, Justizministerin Alma Zadić gegen die Hassposter in Schutz zu nehmen, die Zadić wegen ihrer bosnischen Herkunft verunglimpfen. Raab äußerte sich so: Wie der Bundeskanzler schon gesagt habe, werde man „konsequent gegen Hass im Netz vorgehen – egal ob von links, islamistisch oder rechts“. Toll.
Raab wird also der von rechter Hetze bedrohten migrantischen Kollegin wacker beistehen, vor allem gegen etwaigen Hass von links, der ihr als erster einfällt (und vielleicht auch gegen Chemtrails). Da wissen wir doch, worauf wir uns verlassen können.
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