Kolumne

Kinder mit Connections

Von Privatschulen, falschen Erwartungen und der Misere des öffentlichen Bildungssystems.

Drucken

Schriftgröße

Die aufstiegsorientierten Eltern sind, im Vertrauen gesagt, ein wenig enttäuscht. Jetzt haben sie sich von der Privatschule lauter hochkarätige gesellschaftliche Kontakte für ihr Kind erwartet, und dann trifft das Kind nur auf Kinder anderer aufstiegsorientierter Eltern. So was. Ableger der Mittelschicht wären in der öffentlichen Volksschule um die Ecke billiger zu haben gewesen. (Möglicherweise wäre dort die Akademiker:innenquote unter den Eltern sogar eine Spur höher, aber das ist wahrscheinlich nur ein aus Frustration genährter Verdacht der enttäuschten Aufstiegsorientierten.) Wo sind die Sprösslinge der internationalen Eliten, mit denen zur Schule gegangen zu sein dem Kind später einmal zu den wertvollsten Verbindungen verhelfen sollte?

Wo sind die Sprösslinge der internationalen Eliten, die dem Kind einst  zu wertvollen Kontakten verhelfen?

Ja, wo? In anderen Privatschulen, wir wissen es aus der Presse, in den exklusiven Instituten am Bodensee, am Genfersee, im lieblichen England oder im fernen Kanada, dort, wo die upper Upper Class unter sich ist und tunlichst bleibt. 600 Euro im Monat sind halt doch nicht genug für ein Ticket in die First-Class-Brutkästen der Reichen und Schönen.

Doch immerhin bietet die Privatschule für die Lower Society dem Kind einen richtigen Sportplatz, kleine Klassen und geräumige Klassenzimmer sowie  eine Menge möglicher Aktivitäten zusätzlich zum Unterricht.
 Die öffentliche Volksschule um die Ecke hingegen heißt jetzt zwar  Ganztagsschule, aber der Turnsaal ist noch immer ein muffiger Keller, und vormittags wie nachmittags quetschen sich zu viele Kinder in zu kleine Klassenzimmer.

Das öffentliche Schulwesen wird halt nie alle Startnachteile eines Kindes kompensieren können, seien wir doch ehrlich! Gebildete Eltern sind ein Startvorteil. Engagierte Eltern sind ein Startvorteil. Familien, in denen mit den Kindern gelernt, gelesen, gesungen, gebastelt, gesportelt, diskutiert und in Ausstellungen gegangen wird, sind ein Startvorteil. Wie soll da das Kind der ganztägig hackelnden Eltern ohne höheren Schulabschluss mithalten? Beziehungsweise wie soll die Schule das alles ausgleichen?

Berechtigte Frage. Aber was ist die Konsequenz? Den Hut draufhauen und aus? Laufen lassen? Hoffen, dass sich die Supergscheiten schon irgendwie durchsetzen werden – und ansonsten grüß Gott, ungerechte Welt? Das hatten wir in der Vergangenheit, viele Jahrzehnte. Aber wollen wir dorthin zurückkehren?

Noch ist das Bildungssystem in Österreich trotz aller Mängel egalitärer als anderswo. Noch bedeutet es hierzulande, anders als in Großbritannien oder in den USA,  kein Stigma, wenn man aus einer öffentlichen Schule kommt. Dass unsere Privatuniversitäten nicht – wie die amerikanischen Ivy-League-Unis – im Ruf einer ausgezeichneten Exzellenz stehen, sondern, ganz im Gegenteil,  eher im Verdacht moderater Anforderungen zugunsten einer moderat begabten, aber betuchten Klientel, kann man einerseits als üblen Auswuchs einer Klassengesellschaft interpretieren, andererseits bedeutet es jedoch auch, dass Abschlüsse an unseren öffentlichen Unis ein besseres Prestige genießen als die hierzulande privat erworbenen Hochschuldiplome.

Die Privatschulen kriegen indes auch bei uns eine immer größere Bedeutung. Angesichts des katastrophalen Mangels an Lehrerinnen und Lehrern, angesichts hoher Kinderzahlen pro Klasse und im Hinblick auf die miserable Ausstattung öffentlicher Schulen denken mittlerweile auch solche Eltern über private Einrichtungen nach, die grundsätzlich eigentlich gegen ein derartiges Auseinanderdividieren von Kindern sind. Doch wenn’s darum geht, seine Kinder vor Schaden zu bewahren, reiht man seine Grundsätze schon einmal weiter nach hinten. Auf der Strecke bleiben alle, deren Eltern keine Privilegien für sie kaufen können. Dass dabei Talente verloren gehen, kann man sich ausrechnen. Mag sein, dass Genies allen widrigen Umständen zum Trotz ihren Weg machen (wenngleich das nicht bewiesen ist). Aber es kann ja wohl niemand wollen, dass man genial sein muss, um als Kind nicht betuchter, womöglich nicht so bildungsnaher Eltern halbwegs gebildet aus öffentlichen Schulen entlassen zu werden?

Na ja, die Aufstiegsorientierten wollen es vielleicht schon. Zum Aufstieg braucht es klare Hierarchien. Und diejenigen, die von den Hierarchien klar profitieren, sehen wahrscheinlich auch keinen Bedarf an kompensierenden Maßnahmen. Aber alle anderen?

Alle anderen wollen gut ausgestattete Schulen, solange sie unmittelbar betroffen sind, das heißt, solange sie selber in die Schule gehen oder (Enkel-)Kinder dort haben. Kaum ist die Schulzeit – die eigene oder die ihrer Nachkommen – vorbei, schwindet bei vielen das Interesse. Deswegen kann ein Bildungsminister nach dem anderen ungestraft heiße Luft von sich geben, während eine Schüler:innengeneration nach der anderen darauf angewiesen ist, in die richtige Familie geboren worden zu sein und von ihr gefördert zu werden.

Übrigens ist der Junior der aufstiegsorientierten Eltern jetzt zu einem Kindergeburtstag beim Sohn dieser Quizshow-Moderatorin eingeladen. Eine Connection für die Zukunft? Man wird ja hoffen dürfen.