Elfriede Hammerl: Noch immer die Klassiker

Warum man bei mir keinen Generationenkonflikt bestellen kann.

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Weil ich 1997 das Frauenvolksbegehren mitinitiiert habe, werde ich jetzt immer wieder zu (Podiums-)Gesprächen eingeladen, bei denen ich als seinerzeitige mit einer der Proponentinnen des jetzigen Frauenvolksbegehrens debattieren soll. Bei den Einladungen klingt oft durch, dass man sich irgendwie einen Generationenkonflikt erwartet. Was genau sich die Einladenden versprechen, weiß ich nicht, aber Konflikte zwischen älteren und jüngeren Weibern sind beim Publikum immer beliebt. Das zeigt dann angeblich, dass die Anliegen der Älteren überholt sind oder dass die Älteren nix zusammengebracht haben, weil die Jüngeren noch immer Anliegen haben, oder dass die Anliegen der Jüngeren fragwürdig sind, weil sich schon bei den Älteren gezeigt hat, dass das keine Sau interessiert, oder – keine Ahnung, was noch. Jedenfalls: Streitgespräch erwünscht.

Ich wüsste aber nicht, worüber ich mit einer Proponentin des neuen Frauenvolksbegehrens streiten sollte. Noch immer geht es um die alten Klassiker, nämlich um eine gerechtere Aufteilung von Mitsprache, Geld und bezahlter wie unbezahlter Arbeit, da hat sich nicht viel geändert, schon gar nicht zum Besseren.

Eher sind die Verhältnisse schlechter geworden, Konkurrenz und Leistungsdruck lassen Gedanken an Solidarität in der Arbeitswelt gar nicht erst aufkommen, jede soll sich selbstgefällig die Nächste sein, und Emanzipation wird als Mitmachendürfen von Frauen nach neoliberalen Spielregeln verstanden, die nur deshalb nicht patriarchal genannt werden können, weil väterliche Verantwortung dabei keine Rolle spielt.

Wir haben seinerzeit noch geglaubt, dass die Mehrheit unserer Mitmenschen Gerechtigkeit als einen Wert und das Streben danach als menschliches Bedürfnis sieht. Das war unsere Ausgangsbasis. Haben wir uns schon damals geirrt oder ist dieser Konsens erst später nach und nach vor die Hunde gegangen? Offensichtlich glauben auch die jetzigen Volksbegehrerinnen, dass er sich irgendwo in den Tiefen der mitmenschlichen Seele immer noch findet, sonst würden sie nicht an ihn appellieren, aber Tatsache ist, dass sie sich vordergründig mit harter Gegnerschaft herumschlagen müssen.

Gerechtigkeit gibt es nicht, heißt es inzwischen. Angesagt sind Gewinnen, Siegen, Übertrumpfen, den eigenen Vorteil im Auge haben, schneller sein, härter sein, für sich herausholen, was geht. Nicht, dass man es vor 20 Jahren mit Empathie und Rücksichtnahme zu Führungspositionen und einem Vermögen gebracht hätte, aber zumindest war Rücksichtnahme im allgemeinen Verständnis noch nichts, was Verachtung verdiente, und Opfer kein Schimpfwort. Das hat sich geändert.

Auch die Armen zahlen Steuern, und das nicht zu knapp.

Geringschätzung der Erfolglosen wird nicht mehr versteckt, sondern offen ausgesprochen und mit Applaus bedacht.

Diese Regierung, so argumentierte kürzlich Familien- und Frauenministerin Bogner-Strauß in der „ZIB 2“ (am 1.3.2018), sei angetreten, Steuerzahlende zu entlasten, dafür sei sie gewählt worden. Und deswegen gebühre der Familienbonus eben nur den SteuerzahlerInnen, die Armen seien ohnehin schon von Steuern befreit und bekämen künftig trotzdem noch 20 Euro im Monat geschenkt.

Das erinnerte an Gutsherrinnen-Auftritte, wie wir sie aus der (Trivial-)Literatur kennen: Mit gütiger Strenge weist die Grundbesitzerin dem einfachen Volk seinen Platz zu, der für die alleinstehende Mutter mit dem Dienstbotenlohn nun einmal am unteren Ende der gesellschaftlichen Hierarchieleiter ist.

Leider unterschlägt sie dabei eine wichtige Wahrheit: Auch die Armen zahlen Steuern, und das nicht zu knapp. Auf jedem Kilo Mehl, das sie kaufen, liegen 10 Prozent Mehrwertsteuer, auf jedem Kleidungsstück 20 Prozent. Sie zahlen eine Steuer für den Strom, den sie (ver-)brauchen, Kommunalsteuern, Grundsteuer als Häuslbauer, Mineralölsteuer, wenn sie Auto fahren, Kaffeesteuer, wenn sie Kaffee trinken, Tabaksteuer, wenn sie rauchen.

Okay, auf Kaffee und Zigaretten kann man verzichten (obwohl ja gerade diese Regierung Verständnis fürs Rauchen aufbringen müsste), auf Lebensmittel und Strom hingegen nicht, Wohnen muss man jedenfalls, und ohne Auto ist man auf dem Land oft aufgeschmissen. Die Armen kommen also um indirekte Steuern nicht herum. Sie als Schmarotzer hinzustellen, die dankbar sein sollen, wenn man ihnen Almosen zuteilt, ist daher schlicht unangebracht.

Noch leben wir in einem Land, das darauf ausgerichtet ist, niemanden vor die Hunde gehen zu lassen. Noch gibt es ein soziales Netz, auf das wir uns einigermaßen verlassen können. Dafür zahlen wir Steuern. Und das ist gut so.

[email protected] www.elfriedehammerl.com