Elfriede Hammerl: Normiertes Wissen
Die Zentralmatura: wieder heftig kritisiert, wieder heftig verteidigt, fürs Erste vorbei. Warum überhaupt zentral gelenkte Reifeprüfung? Wir kennen die Argumente: Fairness durch gleiche Fragen für alle, objektive Beurteilung, europaweite Vergleichbarkeit.
Na gut. Standards müssen sein, schließlich soll die Matura zum Studieren befähigen, wär blöd, wenn sich nach zwölf Schuljahren herausstellte, dass das, was einer oder eine gelernt hat, nicht dazu reicht. Allerdings ist auch das Ablegen der Zentralmatura keine Garantie für spätere Studienerfolge, und die Qualität des Unterrichts schon vorher immer wieder einmal zu prüfen, wäre vielleicht nützlicher als ein finaler Paukenschlag.
Was die SchülerInnen anlangt, so ist anzunehmen, dass sie, wenn sie es in die letzte Klasse geschafft haben, nicht gänzlich unbeleckt geblieben sind von der unterrichteten Weisheit. Worin liegt eigentlich der nachhaltige Schaden, wenn ihnen bei mündlichen Kompensationsprüfungen sanft über diese oder jene Hürde geholfen wird? Ja, eh, LehrerInnen sind nicht immer objektiv, den einen helfen sie und andere packen sie härter an, aber auch dieses Verhalten ist nicht auf die Matura beschränkt und wird durch die Zentralmatura nicht unbedingt ausgerottet, zumal externe PrüferInnen ebenfalls nicht gefeit sind vor subjektiven Sympathien oder Antipathien. Über Hürden zu helfen, bedeutet jedenfalls nicht, auf Lernerfolge zu verzichten und keinerlei Leistung zu verlangen, sondern lediglich, nicht noch im letzten Moment auf Unfähigkeitsnachweise aus zu sein.
Ja, klar, alle Schulen sollen gleich gut sein, doch wie viel die Zentralmatura dazu beiträgt, lässt sich nicht so richtig sagen.
Ich bin nicht blauäugig. Ich weiß Bescheid über das Phänomen der pubertären Resistenz gegen den Hirngebrauch und dass sich mit sanftem Säuseln oder passivem Urvertrauen in die Selbstzündung von Vernunft und Einsicht oft nichts ausrichten lässt, also halte ich ein wenig Druck und Drohung während der Schulzeit nicht für grundsätzlich unangebracht. Ich bin auch nicht gegen eine große Abschlussvorstellung, die das Ende der Schulzeit würdig markiert und für die man sich ruhig ein wenig anstrengen sollte. Und natürlich wollen wir keine (Privat-)Schulen, in denen privilegierten Faulpelzen und Dummköpfen das Reifeprüfungszeugnis mehr oder weniger geschenkt wird. Insofern ist es gut, die Latte für alle ausnahmslos gleich hoch zu legen, aber, siehe oben, Schulen dieser Art sollte grundsätzlich und schon viel früher das Handwerk gelegt werden.
Anders gesagt: Ja, klar, alle Schulen sollen gleich gut sein, doch wie viel die Zentralmatura dazu beiträgt, lässt sich nicht so richtig sagen. Bleibt die Vergleichbarkeit durch Standardisierung. Wem dient die? Zunächst mal der Selektion. Normierung verspricht Brauchbarkeit innerhalb eines bestimmten Rahmens, vergleichbare Standards helfen beim Sortieren und beim Sichten auf Verwertbarkeit. Das Material künftige Arbeitnehmer kann auf Tauglichkeit überprüft, verschiedenen Ausbildungswegen zugeführt, später nach Verwertbarkeitsgrad beschäftigt werden.
Oder auch nicht. Denn die Bewertung der menschlichen Intelligenz nach computertauglichen Kriterien bedeutet auch, dass wir uns einem System unterwerfen, das letztlich den Einsatz von Menschen überflüssig macht. Menschliche Intelligenz erfasst und abgespeichert, zumindest im coumptertauglichen Ausmaß – Mensch verzichtbar. Schon längst findet zum Beispiel viel Kommunikation mit Firmen rein elektronisch statt, wobei man zwischen vorformulierten Fragen diejenige wählen kann, die dem eigenen Anliegen am nächsten kommt, um eine vorformulierte Antwort zu bekommen, die einen oft ratlos lässt. Offenbar hat das, was man erfahren wollte, halt doch nicht in den vorhandenen Raster gepasst. Pech gehabt.
Seit geraumer Zeit geht es bei der Wissensvermittlung ja vor allem darum, welches Wissen dem Wirtschaftswachstum nützt.
Die Standardisierung von Verfahren bringt eine Einengung des Blicks und eine Beschränkung von Möglichkeiten mit sich. Lassen standardisierte Prüfungen noch Platz für ungewöhnliche Leistungen? Können sie Originalität, Kreativität, innovatives Denken berücksichtigen? Oder signalisieren sie, dass alles außerhalb der Norm unerwünscht ist, überflüssig, weil nicht unmittelbar verwertbar?
Seit geraumer Zeit geht es bei der Wissensvermittlung ja vor allem darum, welches Wissen dem Wirtschaftswachstum nützt. Gebildet ist, wer ausgebildet ist für den ökonomischen und technologischen Wettbewerb.
MalerInnen ranken wir nach den Preisen, die ihre Bilder erzielen, und statt Zeit mit Romanen zu verschwenden, üben wir uns im Verfassen von Bewerbungsschreiben.
„Das macht, es hat die Nachtigall Die ganze Nacht gesungen; Da sind von ihrem süßen Schall, Da sind in Hall und Widerhall Die Rosen aufgesprungen.“
Beurteilung: Dieser Text weist einen gravierenden Fehler auf. Der Ausdruck Nachhall oder umgangssprachlich kurz Hall bezeichnet im Unterschied zum Echo kontinuierliche Reflexionen von Schallwellen (Schallreflexionen) in einem geschlossenen Raum oder in einem natürlich begrenzten Bereich. Vogelgesang im Freien kann daher keinen Hall erzeugen. Leider, Storm: nicht genügend.