Elfriede Hammerl: Paradies adieu

Unser Ferienort wurde yuppisiert. Wir passen nicht mehr hin.

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Jahrelang war mein Ferienparadies ein etwas heruntergekommenes kleines Schlösschen auf einer etwas heruntergekommenen kleinen Insel in einer istrischen Bucht. Das Gebäude herrschaftlich, die Räume eigenwillig in Appartements aufgeteilt und von eher schäbiger Ausstattung. Rundherum ein alter Park, stellenweise nachlässig, stellenweise gar nicht gepflegt, das Meer von fast jedem Punkt der Insel aus in ein paar Minuten erreichbar. Klares Wasser. Unter den hohen Bäumen Pfaue und Kaninchen. Vor dem schiachen Hotelkasten, in dem es Frühstück gab, eine Anlegestelle für die Fähre, mit der man in fünf Minuten in der wunderbaren Altstadt gegenüber war.

Dort komprimierte Geschichte. Überreste römischer Tempel, eine mittelalterliche Stadtmauer, enge Gässchen mit romanischen und gotischen Häusern, Palazzi aus der Zeit der venezianischen Herrschaft und der Regentschaft der Donaumonarchie. Das Pflaster spiegelglatt, durch Jahrhunderte hindurch poliert von darübereilenden oder -schlendernden Füßen. In der Basilika immer wieder großartige Klassik-Konzerte hochkarätiger Kammermusik-Ensembles. Ja, und Touristenmassen, Ramsch, Trubel, Kirtagstimmung, das auch. Na und, es war Sommer!

Wenn wir genug hatten vom Jahrmarktsrummel, flüchteten wir zurück auf die Insel. Die wurde nicht selten von einer Kakofonie unterschiedlicher Discosounds aus diversen Hotelburgen im Umland überflutet, das Paradies war nicht perfekt. Aber irgendwann kehrte Stille ein. Schläfrig schlugen die Wellen ans Ufer, und dann und wann hoppelte ein verwirrtes Kaninchen durch die Nacht.

Wenn die anderen gematschkert haben über zerschlissene Sofas, Gestrüpp an den Wegen und einen Service, den man wohlwollend gerade noch als lässig bezeichnen konnte, dann sagte ich: Seid froh, solange es so aussieht. Wenn es sich ändert, können wir es uns nicht mehr leisten.

Dass dieser Tag kommen würde, war klar. Und jetzt ist es passiert. Alles neu, alles anders. Wir haben es uns angeschaut.

Was nicht alles Platz gefunden hat auf dem Inselchen! Zwei Hotels statt einem, dazu das Schlösschen (einheitlich billigbeige überhiaselt samt den ehemals grünen Fensterläden) und viele Bungalows, die Villas heißen und in speziellen VIP-Zonen liegen, wohin sich der gewöhnliche Besucher nicht verirren soll. (Deswegen stößt er allerorten an Tafeln, auf denen ihm gedankt wird, dass er die Privacy der Erste-Klasse-Gäste respektiert. Klartext: Troll dich!) Weiters Restaurants, Beach Bars, Pool-Landschaften, Sportplätze, Strände. Die Wege sind betoniert oder geschottert und haben hochtrabende Namen wie Natural Trail, auch wenn sie gerade einmal 400 Meter lang sind. Je nach Hotel werden den Gästen einzelne Strand-Reservate zugewiesen. Dort bekommen sie eine Liege und ein Badetuch. Wer woanders liegen will, muss extra zahlen, aber es ist eh überall überfüllt. Die schönsten Strandabschnitte sind für die BewohnerInnen der Luxusbungalows reserviert und dem Pöbel nicht mehr zugänglich.

Unser Freiluftkäfig (die nunmehr horrenden Preise auf der Insel waren uns zu hoch, aber ein paar Tage in einem dazugehörigen Stadthotel, mit Bademöglichkeit auf der Insel, gingen sich aus) besteht aus zwei Teilen. Der gepflegte ist kleiner und schon in der Früh usurpiert. Der andere ist, wenn man ein bisschen genauer schaut, eine brutal abgeholzte Gstätten. Vorher war hier dicht verwachsenes Unterholz, auch nicht lieblich, aber ehrlich. Hat ja auch niemand Riviera-Beach dazu gesagt wie jetzt, und man lagerte nicht hier, sondern auf der Wiese, die nun ein Infinity-Pool ist und zur Privacy der finanziellen Oberschicht gehört. (Die modischen Liegen sind übrigens verdammt unbequem. Bloß Krempel oder Absicht? Vielleicht sollen wir ja nicht zu lang darauf herumlungern, sondern irgendwo anders irgendwas konsumieren?)

Überall Behübschung, Bespaßung, Gewinnstreben. Jeder Quadratzentimeter Boden genützt und zu Geld gemacht. So geht Yuppisierung.

Die Stadt gegenüber ist immer noch eindrucksvolles Kulturerbe und pulsierender Ferientrubelplatz, nur kommt sie uns lauter und stressiger vor, wahrscheinlich, weil wir kein Leo mehr haben, in das wir flüchten können. Rundum breitet sich wie ein Krake der Hotelkonzern aus, der unserer Insel die Seele ausgetrieben hat, und nimmt Bucht um Bucht in seinen Besitz. Überall Behübschung, Bespaßung, Gewinnstreben. Jeder Quadratzentimeter Boden genützt und zu Geld gemacht. So geht Yuppisierung.

Thank you so much, sagt das hübsche junge Mädchen in der schmucken Uniform, das den Eingang zum Frühstücksbuffet bewacht. In der neuen Vier- bis Fünf-Sterne-Welt arbeiten lauter schöne junge Menschen, zumindest an sichtbarer Stelle. Wohin wurden die drallen älteren Frauen und Männer im Styling der werktätigen Massen verräumt, die früher hier zugange waren?

Thank you so much. Wir kriegen was für unser Geld, ein Danke fürs Frühstücken und den Anblick tadelloser Gestalten. Na bitte.

Nein, Sanierung ist nichts Böses, und dass Investitionen sich lohnen sollen, versteht man. Aber was ist Sanierung, und was ist, im Gegenteil, gnadenloser Ressourcenverschleiß? Die Antwort gibt wieder einmal der Gierfaktor.