Elfriede Hammerl: Pensions-Gerechtigkeit
Die Hacklerregelung war keine besonders geglückte Konstruktion, aber der Gedanke dahinter war gut: Menschen, die 45 Jahre gearbeitet haben, sollen, falls sie das wollen, abschlagsfrei in Pension gehen dürfen, auch wenn sie das gesetzlich vorgeschriebene Pensionsalter noch nicht ganz erreicht haben. Fehlerhaft war das Konstrukt aus zwei Gründen. Erstens wegen der ursprünglichen Sonderkonditionen für Beamte. Und zweitens, weil es 45 Jahre Arbeit ausnahmslos als ununterbrochene Erwerbstätigkeit definierte.
Den Beamten wurde zunächst quasi ein roter Teppich ausgelegt: Sie durften (bis 2011) mit nur 40 Beitragsjahren und schon mit 60 Jahren in Frühpension gehen, alle anderen "Hackler" erst mit 62 und 45 Beitragsjahren. Das hatte zur Folge, dass eine Zeit lang mehr Schreibtischarbeiter in den Genuss des vorgezogenen Ruhestands kamen als Menschen, die ein Arbeitsleben lang schwer körperlich geschuftet hatten. Bauarbeiter zum Beispiel, im Winter zeitweilig arbeitslos, brachten die erforderlichen Beitragszeiten oft nicht zusammen. Ausgepowert waren sie nach 45 Jahren am Bau dennoch.
2019, als die Hacklerregelung wieder in Kraft trat, wurden die Extras für die Beamten zwar abgeschafft, ansonsten änderte sich jedoch nichts.
Frauen profitierten kaum. Nicht nur, weil sie ohnehin früher in Pension gehen dürfen als Männer, sondern auch, weil sie ebenfalls Mühe hatten und haben, Beitragszeiten zu sammeln-Unterbrechungen und Teilzeitarbeit wegen der Kinderbetreuung wirken sich eben aus.
Kurzum: Die Hacklerregelung war nicht das Gelbe vom Ei. Aber immerhin kam sie einer Gruppe von Menschen zugute, der ein früherer Ruhestand zu vergönnen ist. Mehr Pensionsgerechtigkeit wäre durchaus möglich, doch dafür hätte man die Hacklerregelung nicht abschaffen, sondern zusätzliche Maßnahmen andenken müssen. Zum Beispiel geänderte Anspruchsvoraussetzungen, die saisonale Arbeitslosigkeit oder andere Erwerbseinschränkungen berücksichtigen.
Bei den Frauen beginnt die Benachteiligung schon lange vor dem Pensionsalter, nämlich bei den Einkommensunterschieden im Erwerbsleben. Diese Differenz setzt sich in den Altersrenten fort. Solange die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen nicht geschlossen wird, sind Frauen im Alter ärmer als Männer.
Nicht ganz so arm wären sie allerdings, wenn die Pensionshöhe generell nicht nach dem Lebenseinkommen bemessen würde, sondern wie früher nach dem Verdienst in den 15 sogenannten besten Jahren. Dann nämlich würden sich Teilzeit und Kinderbetreuungszeiten nicht so drastisch auswirken wie jetzt. Das würde die Schere zwischen Frauen und Männern zwar nicht schließen, aber die Frauen wären besser dran als heute.
Auch eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung würde nützen. Dann wäre es leichter, Kinder mit einer Vollzeitstelle zu vereinbaren.
Der Frühstarterbonus ändert an all dem gar nichts. Deswegen dient das Kippen der Hacklerregelung weniger der Geschlechtergerechtigkeit als dem Staatshaushalt, dessen Verwalter offensichtlich lieber an den Hacklern sparen als an Ausgaben für die Eigenwerbung oder bei, sagen wir einmal, Hilfsgeldern für die Glücksspielbranche.
Ob denn in diesen schwierigen Zeiten nicht alle ihren Beitrag leisten müssten, fragte eine Fernsehreporterin einen ÖGB-Funktionär, als sie ihn zur Abschaffung der Hacklerregelung interviewte. Österreichs Bevölkerung würde ja immer älter, bald könne man sich die Pensionen ohnehin nicht mehr leisten.
Sie drückte damit einen Unmut aus, mit dem sie nicht allein dasteht. Die Pensionisten sind ein beliebtes Feindbild. Kriegen Geld, ohne zu arbeiten. Liegen den Jungen auf der Tasche. Fressen ihnen die Butter vom Brot.
Jede Pensionserhöhung wird kommentiert wie eine abenteuerliche Gewinnausschüttung. Dabei deckt sie in der Regel gerade einmal die Inflation ab.
Sind denn die Pensionisten eine homogene Masse? Das Wort fällt, und schon sehen die meisten Leute braun gebrannte Nichtstuer vor sich, die sich bis vor Kurzem die Zeit mit Golf, Luxusreisen und dem Trinken teurer Rotweine vertrieben haben. Ja, die gibt's auch. Aber die Mehrheit sind sie nicht. Im Durchschnitt sind Österreichs RentnerInnen kein sonderlich begüterter Verein. Die durchschnittliche Alterspension machte hierzulande im Dezember 2019 rund 2000 Euro brutto für Männer und rund 1100 Euro brutto für Frauen aus. Glaubt irgendjemand, dass sich damit große Sprünge ausgehen? Oder auch nur ein sorgloses Leben? Für viele RentnerInnen bedeutet jede größere Reparatur ein kleines Unglück, und jede Neuanschaffung setzt einen Verzicht voraus. Wer will da tauschen?
Müssen denn nicht alle einen Beitrag leisten? Tun wir. Wir tragen alle bei. Wir finanzieren den Staatshaushalt. Einen Extrabeitrag? Na ja. Einen Beitrag wofür? Für noch mehr Regierungs-PR? Vor allem aber: einen Beitrag womit? Stellen wir die Frage doch einmal denen, die nicht von einer Hacklerpension oder von einer Frauenrente leben müssen.
Jetzt im Buchhandel. Elfriede Hammerl: "Das muss gesagt werden. Kolumnen". Ein Best-of der letzten zehn Jahre. Verlag Kremayr & Scheriau.