Elfriede Hammerl
Elfriede Hammerl

Punktgenau. Oder so.

In OÖ sind Kindergartenplätze Mangelware. Der angekündigte Ausbau bleibt vage.

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In Oberösterreich koaliert die ÖVP mit der FPÖ, obwohl die Türkisen in Wien die FPÖ bekanntlich gerade als Gottseibeiuns entdeckt haben, vor dem nicht genug gewarnt werden kann. Der siegreiche OÖ-Landeshauptmann Thomas Stelzer muss aber trotzdem mit den Freiheitlichen eine Regierung bilden, weil es ja schließlich um Stabilität für die nächsten sechs Jahre geht, und wer könnte Stabilität besser garantieren als die FPÖ? So etwa begründete er jedenfalls sein Zusammengehen mit den Blauen in einem von Katja Arthofer vorzüglich geführten Interview im Ö1-Mittagsjournal am 23. Oktober. (Vorzüglich, weil Arthofer klug und beharrlich fragte, und wiederum nicht so vorzüglich, weil Stelzer im leider üblichen Phrasenmodus auf klare Fragen unklare Antworten gab.)

Die FPÖ ist eine Partei, die schon einmal die Abschaffung von Frauenhäusern verlangt hat, weil sie „Familien zerstören“, und die auch sonst viel von der Pflege traditionell diskriminierender Rollenbilder hält. Das passt in der Tat recht gut zu den Vorstellungen der ÖVP, die Frauen vor allem im Kontext mit dem Begriff Familie wahrnimmt, wobei sie unter Familien vorzugsweise solche mit gut verdienenden Vätern versteht. Weswegen Familienministerin Raab (die zudem Frauenministerin sein sollte, wovon man aber wenig merkt) den Vorwurf, die Steuerreform komme Frauen nicht zugute, mit der Vermutung konterte, dass Familienväter von ihrem Gewinn aus dem Familienbonus ja wohl den Müttern etwas abgeben würden. (Sie tat das in einem Interview auf Oe24 am 20. Oktober, bei dem Interviewer Niki Fellner den Vorwurf nicht als Vorwurf, sondern als „Es-heißt“-Zitat formulierte, weil er seine Rolle offenbar als die eines Hölzlwerfers auslegte. )

Oberösterreich ist das Bundesland, in dem es die wenigsten Kindergartenplätze für unter Dreijährige gibt, und auch bei den Drei- bis Sechsjährigen liegt das Betreuungsangebot weit unter dem Bundesdurchschnitt. Nun kündigte der Landeshauptmann immerhin einen Ausbau an. Konkrete Zahlen nennt er dabei nicht. Aber er weiß, dass man mehr Kinderbetreuung „und vor allem bessere und flexiblere Öffnungszeiten“ brauche. Wonach sich die Flexibilität der Öffnungszeiten richten soll, sagt er nicht, aber nachdem er zuvor nachdrücklich auf die Bedeutung des Wirtschaftsstandortes Oberösterreich hingewiesen hat, drängt sich der Verdacht auf, dass sie in erster Linie den Erfordernissen der Wirtschaft dienen sollen, die nicht unbedingt deckungsgleich mit den Bedürfnissen der Kinder sein müssen, Stichwort Zwölf-Stunden-Tag.

Arthofer im Interview: „Sie müssten wahnsinnig viel Geld in die Hand nehmen. Machen Sie das auch?“

Das macht der LH insofern nicht, als er ja nicht direkt verantwortlich ist. Zuständig „vor Ort“ sei die Gemeinde, sagt er, „die den Bedarf punktgenau kennt“. Danach würden sich dann die Förderungen des Landes richten.
 

Notwendig wären nicht einfach nur mehr Plätze, sondern mehr Plätze und mehr Qualität."

Vor Ort. Kann man schon nicht mehr hören. Und: Wenn die Gemeinden sich punktgenau auskennen, warum ist Oberösterreich dann Schlusslicht bei Betreuungsangeboten? Weil die brave Oberösterreicherin ihre Kinder eh gar nicht in fremde Hände geben will? Oder weil die gestandenen Mannsbilder im Gemeinderat (man kann sie sich gut vorstellen) fanden und finden, dass ordentliche Familien – also Gott sei Dank die Mehrheit der Dorfbevölkerung – so was wie einen außerhäuslichen Betreuungsplatz nicht brauchen? 

Wer sich auch nur ein bisschen umhört außerhalb der großen Städte, kennt den sozialen Druck, der dort auf jungen Müttern lastet. Kleine Kinder auch nur stundenweise in den Kindergarten zu geben, gilt immer noch als Akt von brutalem Egoismus, und wenn wirtschaftliche Not die Alleinerzieherin dazu zwingt, dann ist das in den Augen der Umgebung keine Rechtfertigung, sondern ein Beweis für ihr Rundum-Versagen.

Nur zäh setzt sich die Auffassung vom Kindergarten als Bildungseinrichtung durch, und wenn man sich anschaut, wie 20 kleine Kinder von einer Pädagogin und einer Helferin betreut werden müssen (was in öffentlichen Betreuungseinrichtungen leider der Standard ist), dann teilt man die Zweifel, ob das der frühkindlichen Förderung ausreichend dient. 

Notwendig wären also nicht einfach nur mehr Plätze, sondern mehr Plätze und mehr Qualität. Aber dazu müsste man aufhören, vorschulische Betreuungseinrichtungen als Kinderaufbewahrung in Notfällen zu sehen.

Gleiches gilt für die Nachmittagsbetreuung an Schulen. Dass sie im deutschen Sprachraum nicht wie in vielen anderen Ländern Teil eines regulären Bildungskonzepts ist, wird von PädagogInnen bedauert. Kern und Mitterlehner wollten sie großräumig – samt Rechtsanspruch – anbieten, Kurz und seine Clique haben es verhindert. Stelzer sagt jetzt, ein Rechtsanspruch sei „nicht zielführend“. Und überhaupt ändere sich der Bedarf an Kinderbetreuung von „Jahr zu Jahr, aufgrund der Arbeitssituation, aufgrund der Familiensituation“. Nein! Der Bildungsbedarf von Kindern bleibt aufrecht, egal wie es in der Familie ausschaut und ob die Eltern Arbeit haben. Zielführend wäre es, ihn zu befriedigen. Kann sich das endlich einmal durchsprechen?