Respekt lernen
Dass es migrantische Milieus gibt, in denen Burschen mit einer massiven Geringschätzung für Frauen aufwachsen, muss man nicht schönreden. Die gibt es (es stimmt nur nicht, dass alle migrantischen Milieus so sind). Diese Art der Frauenmissachtung ist an eine rigide Sexualmoral gekoppelt, die Männern alles erlaubt und Frauen nichts. Solche Burschen glauben daher, es sei ihr gutes Recht, sich zu nehmen, was sie nur irgendwie kriegen können, und die Mädchen, von denen sie bekommen, was sie wollen, dafür zu verachten. Ein tragisches Missverständnis: Er will Sex, sie will Liebe – oder wenigstens Zuneigung. Und ein ungerechter Ausgang: Er kriegt den Sex, sie kriegt Verachtung.
Man hat es an dem Fall in Favoriten gesehen, wo eine Zwölfjährige von einer Gruppe Jugendlicher Wochen hindurch vergewaltigt wurde. Was das Mädchen zunächst als Beginn einer romantischen Beziehung sah, war nichts als ein Vorwand, sie zu sexueller Nachgiebigkeit zu bewegen. Und als sie begriff, dass ihre Hilf- und Ahnungslosigkeit in der Frage, was man in einer „Beziehung“ zulassen müsse, brutalen, systematischen Missbrauch nach sich zog, wurde ihr Nein nicht mehr zur Kenntnis genommen. Mit der Drohung, die Videobeweise dafür, wie sie missbraucht worden war, öffentlich zu machen, wurde sie gefügig gehalten und weiter gedemütigt. Das war nur möglich, weil ihre Peiniger den Missbrauch nicht als Missbrauch sahen, sondern als Fehlverhalten ihrerseits, und weil sie, selbst wenn sie es anders sah, befürchten musste, dass ihnen von einer breiteren Öffentlichkeit recht gegeben würde.
Das alles ist fürchterlich, und es bringt nichts, darauf mit relativierenden Beschwichtigungen zu antworten. Solche Milieus dürfen nicht einfach sich selbst überlassen bleiben, da müssen Jugendschutzeinrichtungen eingreifen, damit Burschen anders erzogen und Mädchen geschützt werden. Das schreibt sich freilich leichter, als es die Praxis zustande bringt, die Stichworte dazu sind bekannt: Personalmangel, Geldmangel und die Schwierigkeit, die Persönlichkeitsrechte der Jugendlichen, die Rechte ihrer Eltern und das Recht auf staatliches Einschreiten in Einklang zu bringen.
Fies ist es allerdings, so zu tun, als wären die migrantischen Sammelplätze der Frauenfeindlichkeit der einzige schwarze Fleck auf einer ansonsten blütenweißen heimischen Weste in Sachen Respekt vor Frauen. Wenn man nur ein bisschen nachdenkt, dann fallen einem sofort auch autochthone Milieus ein, in denen polygame Burschen tolle Hirsche sind und polygame Mädchen miese Schlampen. Wo über sexistische Witze brüllend gelacht wird. Wo der Handkuss auf Gattinnenhände nicht verhindert, dass man Frauen gern als depperte Weiber verunglimpft, vor allem, wenn sie mehr sein wollen als Gattin. Und nein, das ist keine beschwichtigende Relativierung, weil eins das andere nicht aufhebt, was hier ausdrücklich festgehalten sei, aber ein berechtigter Hinweis darauf, dass es die ach so perfekte misogyniefreie Gesellschaft, in die Zugewanderte sich eingliedern sollen, leider nicht gibt.
Würde man polemisch sein wollen, könnte man fragen: Wo und von wem sollen die Neuankömmlinge den viel zitierten Respekt vor Frauen denn lernen? Von strammen Burschenschaftern, die wie einst unterm Eichenlaub unterscheiden zwischen ehrbaren potenziellen Müttern von völkischem Nachwuchs und minderwertigem Freiwild? Von Provinzbürgermeistern, die den Mädeln im Ort beim Feuerwehrfest gern einmal aufs Popscherl greifen (wenn sie nicht überhaupt eines vergewaltigen und, obwohl dafür verurteilt, wiedergewählt werden)? Von einflussreichen Männernetzwerken, wo alte und junge Boys einander Führungsposten zuschanzen und beim Austricksen lästiger Konkurrentinnen unter die Arme greifen?
Das bedeutet natürlich nicht, dass das vorhin geforderte Einschreiten unangebracht wäre, solange nicht eine tadellose, geschlechtergerechte Gesellschaft dahintersteht, sondern es bedeutet, dass sich bei der Debatte um Frauenrechte und Migration leider die falschen Leute aufpudeln. Die FPÖ mit ihrer Herdprämie als Verteidigerin der Frauenrechte ist ein schlechter Witz. Eine Frauenministerin, die sich ausdrücklich nicht als Feministin versteht, ist eine Peinlichkeit. Ein ehemaliger Nationalratspräsident, der über eine SPÖ-Vorsitzende redet wie ein gewaltaffiner Patriarch über ein „ungezogenes“ Kind (Rendi-Wagner habe danach gerufen, dass man „ihr eine auflegt“, sagte er.) ist alles Mögliche, nur kein respektvoller Mann.
Und jetzt auch noch der faule Zauber der Leitkultur. Dirndl, Bierzelt, Maibaum, Humtata; die Degradierung Wiens, einer weltläufigen Großstadt mit einer Vergangenheit als Vielvölkermetropole, zum Schauplatz provinzieller Kirtags- und Oktoberfestspektakel; und als Begleitmusik das Hohelied des angeblichen Respekts vor Frauen, wie er uns in Fleisch und Blut …
So sehr in Fleisch und Blut zum Beispiel, dass der Vize der NÖ-Landesmutti sich weigert, LandeshauptFRAUstellvertreter zu heißen, weil er das mit seiner Würde als Testikelträger nicht vereinbaren kann? Bitte! Genug!