Elfriede Hammerl Sparen an Schulen
Zuerst wollte die Bildungsministerin die Klassenschülerhöchstzahlen an den AHS-Oberstufen und an den Berufsbildenden höheren und mittleren Schulen hinaufsetzen. Das scheiterte an parteienübergreifender Empörung. Gut so.
Jetzt wird am Ausbau der Ganztagsschulen gespart. Das ist zwar gar nicht gut, fand aber ausreichend Zustimmung, auch bei den Elternvertretern. Damit könne man sich abfinden, wurden sie sinngemäß in den Medien zitiert.
Was sagt uns das? Es sagt uns: Gerade die, die es am nötigsten hätten, haben keine Vertretung. Und: Immer noch wird die berufstätige Mutter hierzulande für eine wenig wünschenswerte Spezies gehalten.
Am nötigsten hätten mehr schulische Förderung Kinder aus sogenannten bildungsfernen Schichten, mit denen niemand zu Hause lernen kann. Die Halbtagsschule reicht, man weiß es, nicht aus, diesen Mangel zu kompensieren. Die Ganztagsschule hingegen ist zumindest von der Idee her geeignet, einen gewissen Ausgleich zu schaffen. Aber leider: Ausbau mehr oder weniger auf Eis gelegt.
Nicht, dass überfüllte AHS-Klassen eine erträgliche Alternative gewesen wären. Doch es fällt auf: Verschlechterungen in den höheren Klassen höherer Schulen rufen Widerstand hervor, das Ausbremsen einer Schulform, die ansatzweise an Bildungsprivilegien kratzt, nicht.
Die zitierten Elternvertreter zwei Männer , von denen angenommen werden darf, dass sie den bildungsnahen Schichten angehören, vertreten offensichtlich nur ein ganz bestimmtes Milieu. Eines, in dem die Halbtagsschule genügt (sofern sie andere Standards erfüllt) und wo Väter, wie es scheint, das Vereinbarkeitsdilemma für eine vernachlässigbare Theorie halten dürfen.
Ärgerlich genug. Aber was ist mit der Politik? Anders gefragt: Warum lässt sich die SPÖ seit Jahrzehnten in der Schulpolitik von der ÖVP vorführen? Dass Konservative gesellschaftliche Hierarchien bewahren wollen und daher zufrieden sind, wenn sich diese Hierarchien im Schulbereich abbilden, ist nachvollziehbar. Aber weshalb gehen die Roten vor diesem Wunsch ständig in die Knie, obwohl sie doch angeblich Chancengleichheit auf ihre Fahnen geschrieben haben?
Ja, Koalitionszwänge. Und, ja, die Lehrergewerkschaft. Muss man bedenken. Soll man nicht unterschätzen. Trotzdem stellt sich die Frage, welchen SPÖ-Granden ein egalitärer Bildungszugang wirklich am Herzen liegt. Bezeichnend erscheint mir, wie lahm die meisten von ihnen replizieren, wenn die Verfechter des Gymnasiums in TV-Debatten wieder einmal unser differenziertes Schulsystem loben, das nicht einer Einheitsschule geopfert werden dürfe. Da kommt kaum jemals ein fundierter Widerspruch. Aus Ahnungslosigkeit, was das Konzept der gemeinsamen Schule bis 15 Jahre (mit innerer Differenzierung) betrifft, oder weil auch so manche SP-Größe derart viel Gleichheit im tiefsten Inneren für bedrohlich hält?
Dabei geht es ja längst nicht mehr darum, wie viele AkademikerInnen wir brauchen oder nicht brauchen können, sondern um die Frage, welches Ausmaß an Unbildung dieses Land aushält. Erschreckend viele SchulabgängerInnen können, wie wir gleichfalls wissen, weder sinnerfassend lesen noch halbwegs richtig schreiben noch einfachste Rechenaufgaben lösen. Das müsste uns doch entsetzen! Darin liegt die wahre Bedrohung! Was soll denn aus diesen jungen Menschen werden?
Selbst wenn uns das Schicksal der BildungsverliererInnen emotional kaltlässt, sollte es uns im Interesse des sozialen Friedens nicht egal sein. Den aufs Spiel zu setzen, schadet nämlich langfristig auch den geförderten und behüteten Kindern in ihren Eliteschulen. Vielleicht könnten das die Elternvertreter in ihre Überlegungen aufnehmen.
Themenwechsel: Kinder mit erheblichen Zahn- oder Kieferfehlstellungen bekommen ab Mitte nächsten Jahres Gratis-Zahnspangen. Das ist eine wichtige Neuerung, weil Zahnregulierungen viel Geld kosten. Für ärmere Familien waren sie bis jetzt oft nicht erschwinglich.
Als einzige Partei stimmten die NEOS im Nationalrat gegen die kostenlose Zahnspange, weil so auch Millionäre in die Lage versetzt würden, die Zähne ihrer Kinder auf Kosten der Allgemeinheit reparieren zu lassen.
Stimmt. Überhaupt können Spitzenverdiener auch Krankenkassenleistungen aller Art in Anspruch nehmen, und tun es. Ist das ungerecht? Oh ja. Aber nicht grundsätzlich, sondern deshalb, weil die am besten Verdienenden bei uns in der Relation am wenigsten in die Kassen einzahlen. Es steigen ja die Beiträge nur bis zur sogenannten Höchstbeitragsgrundlage, einem Monatseinkommen von rund 4500 Euro. Danach bleiben sie gleich.
Wenn die NEOS also den Reichen am Zeug flicken wollen, dann sollten sie sich für die Aufhebung oder doch zumindest für eine Anhebung der Höchstbeitragsgrundlage einsetzen. Das wäre nützlich und diente der Gerechtigkeit mehr, als dem Kind der Durchschnittsverdienerin die kostenlose Zahnspange verwehren zu wollen. Und den Einnahmen der Krankenkassen diente es auch. Ist sowieso ein schlechter Scherz, dass einem Versicherten, der zehn oder 15 Tausender im Monat casht, die Segnungen unseres Gesundheitssystems fürs gleiche Geld zur Verfügung stehen wie einer Person, die nicht einmal die Hälfte verdient.