Elfriede Hammerl: Triest. Eine Impression

Elfriede Hammerl: Triest. Eine Impression

Das vereinte Europa ist kein Ponyhof! Schade. Warum eigentlich nicht?

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Triest hat diesen spektakulären Hauptplatz, der sich lichterbestickt im Meer verliert, und zwei Schwimmbäder neben der Lanterna, dem ältesten Leuchtturm der Stadt, wo man im erstaunlich klaren Wasser des Hafenbeckens urbanes Feeling mit unbegrenztem Weitblick verbinden kann.

Das größere der beiden Bäder, das Bagno Ausonia, bietet um 5,50 Euro Eintritt pro Tag Tische, Sessel und Liegen zur freien Benützung und die Möglichkeit, Straßenkleidung und Schuhe in einem großen Garderoberaum vertrauensvoll zu deponieren. An langen Kleiderständern hängen auf Bügeln die Kleider, die Schuhe stehen darunter; bewacht wird nicht, aber anscheinend ist das auch nicht nötig. Und dann gibt es noch, ach ja, einen überdachten Bereich mit einer langen Bücherwand voll Lektüre für Erwachsene wie Bambini, wohin man sich zum Schmökern zurückziehen kann. Auch hier: freie Entnahme, keine Kontrollen, kein Vandalismus.

Weil wir den Schengenraum verlassen, wird die Zwei-Stunden-Schiffsreise zur streng kontrollierten Unternehmung.

Von Triest kann man mit dem Schiff nach Muggia oder Grado fahren oder die istrische Küste hinunter bis nach Rovinj. Wir fuhren nach Piran, allerdings mussten wir einen Umweg über Poreč in Kauf nehmen. Die Fahrt TriestPorečPiran dauert knapp zwei Stunden und führt durch drei Länder – beziehungsweise die entsprechenden Meere –, wobei um einen Meeresabschnitt zwei der Länder, wie man weiß, seit Jahren rangeln.

Weil wir den Schengenraum verlassen, wird die Zwei-Stunden-Schiffsreise zur streng kontrollierten Unternehmung. Securitycheck vor dem Einschiffen, Passkontrollen in Triest, in Poreč (wo wir das Schiff eh nicht verlassen dürfen), in Piran. Warteschlangen. Strenges Personal, das der frommen Touristenherde mit finsterer Miene signalisiert, dass sie nicht auf übermütige Gedanken kommen soll. Polizeiboote in der umstrittenen Bucht von Piran.

Nicht Vertrauen, sondern massives Misstrauen ist das offizielle Gebot der Stunde. Zäune, Mauern, Uniformen, Zerstückelung.

Ja, Leute, die Festung Europa ist kein Ponyhof. Wer, vollgetankt mit naiver Freude über freiwilligen Anstand, aus dem Triestiner Stadtbad kommt und glaubt, so könnte es weitergehen, wird schnell wieder auf den harten Boden der politischen Tatsachen zurückgeführt. Nicht Vertrauen, sondern massives Misstrauen ist das offizielle Gebot der Stunde. Zäune, Mauern, Uniformen, Zerstückelung.

So haben wir uns das nicht vorgestellt, damals, als wir von einem vereinten Europa geträumt haben, barrierefrei, nicht zuletzt, was die mentalen Barrieren nationalistischer Engstirnigkeit anlangt. Am schlimmsten dabei ist, dass das Zerplatzen dieses Traums in weiten (regierenden) Kreisen nicht Bedauern, sondern, wie mir scheint, Kampfbegeisterung hervorruft. Endlich wieder die Burgtore verrammeln und Geschoße unter den Pechnasen in Bereitschaft bringen können!

Zurück in Wien, überrascht uns der Innenminister mit einer Pressekonferenz, die dem Verbreiten von Tipps für das richtige Verhalten bei „Amok und Terror“ dienen soll. Der aktuelle Anlass: keiner, wie der Innenminister in seiner Begrüßung ausdrücklich festhält. So macht man Stimmung. Es ist zwar alles ruhig, Leute, aber seid vorsorglich schon einmal alarmiert! Damit die derzeitige Ruhe als Ruhe vor dem Sturm rüberkommt, beschwören wir unablässig einen Ernstfall, von dem niemand so genau weiß, wie er ausschaut, doch gerne helfen wir eurer Fantasie nach, zum Beispiel mit einer Grenzschutzübung, bei der österreichische Polizeischüler augenrollend fäusteballende Migranten mimen, oder demnächst vielleicht mit der Simulation eines Terroranschlags auf die Präsidentschaftskanzlei, wer weiß, Hauptsache, ihr fürchtet euch.

Weltläufigkeit als eitle Attitüde gehört ebenso zum Ausgrenzungsspiel wie die zur Schau getragene Pseudotracht.

Da kommt man schon ins Nachdenken. Und stellt sich vor, wie es wäre, ein Stück zähnebleckender Alpenfestung gegen einen weltoffenen Meerzugang eintauschen zu dürfen, was uns zumindest den Anblick städtischer Laiendarsteller in krachledernen Beinkleidern und edelweißgetupften Wämsen ersparen würde.

Kleiner Schwenk. In einem Interview mit dem „Kurier“ (vom 5. August) anwortet Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer auf die uns alle bewegende Frage nach seinem bevorzugten Sommer-Drink: „Gin-Tonic, wobei mein Lieblingsgin der Gin Mare von der spanischen Costa Dorade (sic!) ist mit einem Fever Tree Mediterranean Tonic.“

Ist das jetzt besser als demonstratives Provinzlertum? Nein, leider. Weltläufigkeit als eitle Attitüde gehört ebenso zum Ausgrenzungsspiel wie die zur Schau getragene Pseudotracht. Signalisiert wird die Zugehörigkeit zu einer angesagten Gruppe respektive Sozialschicht. Wir drinnen, du draußen, und damit sich ein wohliges Drinnen-Gefühl einstellt, braucht es, wie man weiß, ein Draußen. Bleib auf Distanz, dodeliger Hugo-Schlürfer, deine Zeit ist vorbei!

Aber ich will hier nicht allzu streng auftreten. Haben wir nicht alle unsere Marotten? Ich zum Beispiel befeuchte meine Bügelwäsche vorzugsweise mit Veen Velvet, dem „Champagner unter den Quellwassern“, aus der arktischen Wildnis Lapplands und einem Spritzer vom walisischen Ty Nant aus der roten Flasche (ohne Kohlensäure).

[email protected] www.elfriedehammerl.com