Elfriede Hammerl: Trocken Brot...

… macht Wangen rot. Aber den BäckerInnen genügt das nicht. Na so was!

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Also. Es gibt keine BäckerInnen. Das heißt, geben tut es sie wahrscheinlich schon, aber sie melden sich nicht bei den Bäckereibetrieben, die dringend Personal suchen. Das versteht man irgendwie gar nicht, so auf den ersten Blick. BäckerIn, das muss doch ein schöner, erfüllender Beruf sein. Menschen mit Brot versorgen, einem Grundnahrungsmittel. Laibe formen, Striezel flechten, frische Semmerln aus dem Ofen holen …  Das ist befriedigend und kreativ, stellt man sich vor. Haben wir in den Lockdowns nicht selber immer wieder aufgetankt bei der schöpferischen Tätigkeit des Brotbackens? Zahllose Fotos selbst geschaffener Backwerke legten in den sozialen Medien Zeugnis davon ab. Warum gibt’s denn dann keine BewerberInnen um die freien Stellen auf dem Arbeitsmarkt?

Die üblichen Vermutungen waren schnell ausgesprochen. Man kennt sie: Die Leute wollen nichts arbeiten (die Chefin einer Großbäckerei). Die Menschen sind faul. Sie schaukeln lieber in der sozialen Hängematte, statt zu hackeln. 

Die angeblichen Versäumnisse des Sozialstaats wurden schnell genannt. Es waren die üblichen: Den Arbeitslosen geht es zu gut. Statt sie mit herben finanziellen Einbußen zur Annahme von Jobs zu zwingen, lässt man es zu, dass sie freie Stellen ablehnen. 

Inzwischen haben Medienberichte darauf hingewiesen, dass die Vorstellungen vom kreativen Brotbacken mit der Realität des BäckerInnenalltags ungefähr so viel zu tun haben wie die Schäferspiele des Rokoko mit der realen Arbeit in landwirtschaftlichen Berufen. 

Als BäckerIn zu arbeiten heißt: Sechs-Tage-Woche, Schichtdienste, Nachtarbeit, stickige, bis zu 40 Grad heiße Backstuben, deren Fenster aus Hygienegründen nicht geöffnet werden dürfen (Klimaanlagen sind meist nicht vorhanden), Arbeiten im Stehen (was auf Dauer die Wirbelsäule ruiniert), das Tragen und Heben schwerer Mehl- und Zuckersäcke. Ein ehemaliger Bäcker, der seinen ursprünglichen „Traumberuf“ wegen der Arbeitsumstände aufgegeben hat, sagt im Interview mit dem Online-Magazin „Morgenmoment“ des Thinktanks „Momentum“: „Am Ende der Nacht ist man fix und fertig (…). Am Weg heim sieht man in der Winterzeit kurz die Sonne, dann haut man sich hin. Wenn man wieder aufsteht, ist die Sonne längst untergegangen. Über Wochen sieht man kaum Tageslicht.“ Dass Familienleben und Freundschaften dabei auf der Strecke bleiben, wundert nicht. Und das Einstiegsgehalt von 1400 bis 2300 Euro brutto ist wahrlich keine Kompensation.

Häufig suchen Bäckereibetriebe aber gar keine gelernten BäckerInnen, sondern Hilfskräfte, sogenannte LadnerInnen, für Verpackung und Verkauf. Auch sie arbeiten sechs Tage die Woche, beginnen im Morgengrauen und müssen zwischendurch schwere Lasten stemmen. Sie verdienen zwischen 1500 und 1700 Euro brutto und dürfen – schlechter Kollektivvertrag – von einem Tag auf den anderen gekündigt werden.

AMS-Chef Kopf wies auf den frühen Dienstbeginn hin, um zu erklären, dass derlei Jobs mit Betreuungspflichten nicht vereinbar sind. Wer Kinder habe, könne nicht um fünf Uhr früh am Arbeitsplatz sein, weil die Kindergärten um diese Zeit nicht offen haben. Das stimmt, sollte aber nicht zu dem Fehlschluss führen, dass den Bäckereibetrieben Arbeitskräfte zugeführt werden können, indem man die Kindergärten schon im Morgengrauen aufsperrt. Überflüssige Warnung? Leider nein. Immer wieder werden ja im öffentlichen Diskurs flexible Kindergartenöffnungszeiten als Lösung für alle möglichen Engpässe gefordert, als seien Kinder programmierbare kleine Maschinen, die man je nach wirtschaftlichen Erfordernissen in Betrieb nehmen kann.

Ich stelle mir bei all dem nicht zum ersten Mal die Frage, woher vergleichsweise Privilegierte die Chuzpe nehmen, Unterprivilegierte faul zu schimpfen, wenn die nicht zu Bedingungen arbeiten wollen, zu denen sie selber nicht einmal den kleinen Finger rühren würden. Was lässt sie glauben, dass andere verpflichtet sind, für wenig Geld ein anstrengendes, mühevolles Leben auf sich zu nehmen, während sie völlig zu Recht davor bewahrt bleiben? 

Am schärfsten geißeln die angebliche Faulheit der gewöhnlichen Leute ja gern solche, die selbst am wenigsten Erfahrung mit harter Arbeit haben. Können die, Himmelherrgott, nicht wenigstens den Mund halten? Wer noch nie in großer Hitze oder bei klirrender Kälte acht Stunden täglich körperlich arbeiten musste, wer noch nicht erfahren hat, wie schwer schwere Lasten sind, wer noch nie gezwungen war, regelmäßig seine Ekelschranke zu überwinden, um stinkenden Dreck zu entfernen, wem es erspart bleibt, jeden Morgen vor Tagesanbruch aus dem Bett zu kriechen, wer mit seinem Monatseinkommen auskommt, ohne jeden Cent dreimal umdrehen zu müssen, der oder die soll dem Schicksal gefälligst still danken, statt die Arbeitsmoral derer infrage zu stellen, die es nicht so gut getroffen haben. Geht das? Das muss gehen! 

Und im Übrigen muss es möglich sein, Arbeitsbedingungen zu verbessern und anständige Löhne zu zahlen – also andere schlicht so zu behandeln, wie man selber behandelt werden will.