Elfriede Hammerl

Elfriede Hammerl Woher das Geld kommt

Woher das Geld kommt

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Sonja W. (1) ist Sozialarbeiterin. Sozialarbeit ist, engagiert betrieben, harte Arbeit und geht an die Substanz. Frau W. ist zuständig für Todkranke und Sterbende, davor war sie Beraterin in einem Frauenhaus. Zurzeit nimmt sie ein sogenanntes Sabbatical in Anspruch. Sie arbeitet weniger Stunden für weniger Geld. 75 Prozent ihres Gehalts bekommt sie, das sind 967 Euro im Monat. Nicht viel. Allerdings würde sie auch mit einer Vollzeitstelle nicht üppig aussteigen.

Sonja W. hat zwei Kinder im Alter von elf und 14, die sie allein erzieht. Der Kindesvater zahlt Unterhalt, 670 Euro. Seit Unterhaltszahlungen bei der Berechnung der Wohnbeihilfe dem Einkommen zugeschlagen werden, fällt Sonja W. um eine Wohnbeihilfe um. Ihre Miete macht 780 Euro im Monat aus. (Wohnen ist bekanntlich sehr teuer geworden, das weiß man, aber wenn es um die Lebenshaltungskosten geht, wird das gerne außer Acht gelassen.)

Frau W. schickt mir eine Aufstellung ihrer Fixkosten, Miete, Strom, Telefon, Versicherungen, Auto. (Ja, sie hat ein Auto, denn sie wohnt und arbeitet im Einzugsgebiet einer mittelgroßen Stadt, wo zwar nicht die Mieten ländlich bescheiden sind, die Verkehrsverbindungen aber schon.) Unterm Strich bleibt da kaum Geld. Gegen Monatsende immer großes Zittern, ob es fürs Essen reichen wird. Und quälende Überlegungen, sobald ein Kind einen neuen Pullover braucht. (Kinder wachsen. Das wird ebenfalls gelegentlich ausgeblendet vom öffentlichen Bewusstsein.)

Kirchensteuer zahlt Sonja W. übrigens auch. Nach zähen Verhandlungen wurden ihre Beiträge auf 147 Euro im Jahr herabgesetzt. (Aus der Kirche auszutreten, kann Frau W. nicht empfohlen werden, sie hätte dann Probleme mit ihrem Arbeitgeber.)

Gelegentlich verdient sich Sonja W. in Naturalienform was dazu: Sie hilft NachbarInnen beim Schriftverkehr mit Behörden oder auch beim Wohnungsputz und kriegt dafür Obst und Gemüse. Genau genommen umgeht sie damit die Steuergesetze. Denn für Dienstleistungen müssen üblicherweise 20 Prozent Umsatzsteuer ans Finanzamt abgeführt werden, beim Kauf von Lebensmitteln zahlt man zehn Prozent Umsatzsteuer mit. Ja, Frau W. wird nicht wegen Steuerhinterziehung belangt werden, dazu sind die Werte, um die es hier geht, zu gering. Aber prinzipiell bewegt sie sich in einem Rahmen, in dem jeder ihrer Schritte auf eine eventuelle Abgabentauglichkeit kontrolliert wird.

So ist unser System: hohe Steuern auf Arbeit, keine auf Vermögen; hohe Eingangssteuern; Steuern auf Konsumgütern und Lebensmittel, die klarerweise die Armen weit härter treffen als die Reichen. Denn Reiche geben einen Bruchteil ihres Budgets für Lebensmittel aus, bei Armen ist nach dem Einkauf im Supermarkt gleich ein größerer Teil des Monatslohns weg. Progressive Sozialabgaben bis zur sogenannten Höchstbeitragsgrundlage, danach keine Steigerung, weswegen den wirklich gut Verdienenden die Segnungen unseres Gesundheitssystems für vergleichsweise wenig Geld zur Verfügung stehen.
Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer. Das ist das Mantra, das wir alle nachbeten, als wäre es ein Naturgesetz. Aber ist es eins?

Die katholische Kirche scheut sich nicht, von Sonja W. 147 Euro im Jahr zu kassieren. Das Bundesland, in dem sie lebt, knausert bei der Wohnbeihilfe. Wenn’s darum geht, die Armen mitzahlen zu lassen, ob für die Erhaltung der Kirchenschätze oder bei der Finanzierung unseres Staats­wesens, gibt es erstaunlich wenig Hemmungen. Den Vermögenden hingegen begegnet man mit vorauseilender Resignation: Eine Reichensteuer bringt doch nichts! So viele Superreiche gibt’s ja gar nicht! Na ja: ausprobieren! Dann werden wir’s schon sehen.

Und: Die Ersparnis von 40 Euro Wohnbeihilfe (um einen Verwaltungsaufwand von wie viel?) bei Leuten wie Sonja W. – die bringt’s?
Sie habe, sagt Sonja W., manchmal die Befürchtung, nicht genug Kraft in ihre KlientInnen investieren zu können, weil es ihr selber an Hilfe und Unterstützung mangle. Gut nachvollziehbar. Wie soll eine Stärke und Zuversicht ausstrahlen, die nachts vor Sorgen nicht schafen kann?
Womit wir wieder einmal bei der Bewertung und Bezahlung von Arbeit wären. Wenn SozialarbeiterInnen zu sozial Bedürftigen gemacht werden, ist das ungefähr so sinnvoll wie die Versorgung von Unfallopfern durch grippekranke ÄrztInnen, nach dem Motto: Die Maroden sollen gefälligst unter sich bleiben. Auf Dauer werden sich die Maroden nämlich nicht wegsperren lassen. Und dann könnte es auch für diejenigen eng werden, die sich, wie man so sagt, bis jetzt gesund gestoßen haben.

Themawechsel: WhatsApp-Mitbegründer Jan Koum erklärt laut „Standard“ (2), er habe eine App entwickeln wollen, die „eine 60-jährige Oma ohne Computerkenntnisse“ benützen können sollte. Wieder einmal: die (60-jährige) Oma als Symbolfigur für elektronische Ahnungslosigkeit. Warum? Die meisten der jetzt etwa 60-jährigen Frauen, in den USA wie bei uns, sind oder waren berufstätig und haben dabei mehr oder weniger mit Computern zu tun gehabt. Als Symbolfigur für Nix-Wissen taugt also eher der Nerd. Gibt’s vielleicht eine App, die ihn mit der Realität vertraut macht?

1) Name geändert
2) vom 21.2.2014

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www.elfriedehammerl.com