Elfriede Hammerl: Wohnbüroschule
Ein wenig erstaunt es mich schon, dass es eine Pandemie gebraucht hat, um das Homeoffice – genauer die All-inclusive-Version davon, die da lautet: Frau macht alles von daheim aus, den Haushalt, die Kinder versorgen, die Kinder unterrichten, Geld verdienen – in Verruf zu bringen.
Seit vielen Jahren wurde es ja immer wieder gepriesen als die Vereinbarkeitslösung schlechthin. „Vielleicht wird der häusliche Telearbeitsplatz mit dem Kinderbett neben dem Faxgerät das moderne Äquivalent zum Baby, das auf dem Rücken der Mutter herumgetragen wurde, oder zum Vater, der seine Kinder um sich hatte, während er die Felder pflügte.“ So schwärmten zum Beispiel drei Zukunftsvisionäre in einem profil-Interview im Jahr 2001. (Entwicklungsforscher Gopnik, Kuhl und Meltzoff, profil 15/2001)
Ich habe schon damals meine Zweifel an diesem Modell angemeldet, nicht nur, weil ich auch in meiner fernen Jugend nie feldarbeitende Bauersleute mit Kleinkindern auf dem Buckel gesehen habe, sondern weil es mir grundsätzlich unmöglich erschien, eine halbwegs qualifizierte Berufsarbeit mit der gleichzeitigen Betreuung von Kindern zu verbinden. (Es wird ja schon eine vergleichsweise weniger herausfordernde Tätigkeit wie Bodenwischen nicht einfacher, wenn muntere Kleine Legosteine ins Wischwasser schmeißen.) Viel Zustimmung habe ich nie bekommen. Im Gegenteil, den meisten Menschen erschien es geradezu ideal, mit dem geliebten Kind kreativ spielen und nebenbei, wie in meinem Fall, einigermaßen vernünftige Artikel verfassen zu können. Hatte sicher auch was damit zu tun, dass viele den Ausstoß von Texten nicht als Arbeit, sondern als kreatürliche Ausscheidungsfunktion sehen, aber nicht nur. Heimarbeit plus Kinder schien ganz allgemein kein Problem. Doch jetzt, auf einmal, da sie flächendeckend zum Gebot wird – Überraschung! Homeschooling und Homeoffice fügen sich nicht zu einem harmonischen Ganzen!
Frustrierende Erkenntnis und trotzdem irgendwie wurscht. Da mögen verzweifelte Mütter noch so sehr stöhnen, dass sie doch eigentlich Chemie studiert haben und nicht, wie man die Grundbegriffe der deutschen Grammatik unterrichtet – es nützt nichts, sie müssen durch. Die Schule erwartet Leistungen, der Arbeitgeber auch. Einen Anspruch auf Freistellung gibt es nicht, weder für die Eltern noch für die Kinder. Der Spagat muss gelingen.
Und während sich die einen mühen, Videokonferenzen mit krähenden Kleinkindern in Einklang zu bringen, müssen die anderen ausrücken, um sich systemrelevant nützlich zu machen, und ihre Brut sich selbst überlassen, sofern die alt genug ist, um unbeaufsichtigt am elektronischen Unterricht zu scheitern. (Ja, vielleicht auch zu wachsen. Man wird sehen. Ob uns Freude machen wird, was wir sehen werden, ist zweifelhaft.)
Brauchen die Kinder der systemrelevanten Beschäftigten hingegen noch Beaufsichtigung, können sie ausnahmsweise im Kindergarten abgegeben werden. Das sei keine Schande, lässt der Bundeskanzler ausrichten, und er muss es extra betonen, weil es eigentlich schon normal und wünschenswert wäre, dass Familien (also Mütter und Großmütter) alles daransetzen, um die Kinder selbst zu betreuen.
Besorgt frage ich mich: Wie wird es nach dem Lockdown weitergehen? Was werden wir aus der Krise gelernt haben?
Nach wie vor ist ja in Österreich vom Abschieben die Rede, wenn unter Dreijährige in den Kindergarten und Schulkinder in eine Schule mit Nachmittagsbetreuung kommen. Aber weil die Großmütter gerade ausfallen und die Handelsangestellten im Handel dringend benötigt werden, neuerdings auch wieder, um den Konsum von Gütern zu ermöglichen, die nicht unbedingt lebensnotwendig sind, darf sich die handelsangestellte Mutter, die ihr Kind in den Kindergarten bringt, als exkulpiert betrachten. Keine Schande. Versprochen.
So einer Mutter mag das Homeoffice vielleicht als paradiesische Alternative erscheinen. Aber sie täuscht sich. Büro im Kinderzimmer heißt nicht, die Berufsarbeit spielend erledigen zu können. Warum eigentlich ist diese Kombination so sang- und klanglos installiert worden? Kaum war die Krise samt allen Beschränkungen ausgerufen, war auch schon klar, dass der Schulunterricht jetzt eben zu Hause stattfinden müsse, und dass, wer seinen Job behalten darf, dankbar seinem Job von daheim aus nachgehen solle. Wie, stand nicht zur Debatte. Wird schon gehen. Muss gehen. Punkt.
Und anscheinend geht es ja auch. Irgendwie. Weil es immer irgendwie geht. Weil Frauen darauf trainiert sind, auch unter widrigen Umständen zu funktionieren. Weil Frauen sowieso darauf konditioniert sind, berufliches Fortkommen dem Familienwohl unterzuordnen. Ja, auch Männer kommen unter den gegenwärtigen Bedingungen dran, aber die Hauptlast der Vereinbarkeit tragen die Mütter.
Besorgt frage ich mich: Wie wird es nach dem Lockdown weitergehen? Was werden wir aus der Krise gelernt haben? Dass elektronischer Heimunterricht eine prima Sache ist, die wir vermehrt in den Schulbetrieb einbauen können? Weil: Hat ja gut geklappt. Zumindest in den bildungsnahen Elternhäusern, und von dort kommen schließlich die Eliten.
Hinweis in eigener Sache: Die Realität hat mein letztes Theaterstück „Oma oder Alles paletti“ eingeholt. Aufgeführt kann es nicht werden. Aber man kann’s lesen: elfriedehammerl. com/dateien/oma_oder_alles_paletti.pdf
[email protected] www.elfriedehammerl.com