Elfriede Hammerl: Zu lang im Spital?
Die London School of Economics hat festgestellt, dass österreichische Spitäler ihre PatientInnen zu lange behalten. Der Vorwurf ist nicht neu. Immer wieder wird die zu lange Verweildauer in unseren Krankenhäusern kritisiert.
Zu lange. Für wen und warum?
Na, für die Krankenkassen. Weil das Verweilen in Spitalsbetten schließlich was kostet. Aus dem Blickwinkel der Krankenversicherungen dauert im Grunde jeder Spitalsaufenthalt eines oder einer Versicherten zu lange, um dem Budget gutzutun. Je kürzer, desto besser, am billigsten kommen PatientInnen, die gar keine sind.
Aber aus der Perspektive der Kranken? Zu lange, das klingt nach faulem Herumkugeln ohne Sinn und Zweck, und alle, die sich regelmäßig darüber empören, tun das in einem Ton, als seien sie überzeugt, dass längst Genesene von einem idiotischen System zum Krankfeiern gezwungen würden.
Ist aber nicht so. Kürzere Verweildauer ist nicht gleich schnellere Gesundung. Kürzere Verweildauer bedeutet nur, dass immer noch Pflegebedürftige früher in die häusliche Versorgung entlassen werden.
Und wer pflegt dann daheim weiter? Wir wissen es: Ehefrauen, Mütter, Töchter, Schwiegertöchter. Seltener, aber auch: Ehemänner und Söhne. Das Problem ist freilich, dass sich Pflege und Berufstätigkeit schwer bis gar nicht vereinbaren lassen. Eine Entlastung der Krankenkassen ginge also zu – auch finanziellen – Lasten der Angehörigen. So einfach ist das.
Einfach und ärgerlich. Denn vor genau dieser Situation sollte uns die solidarische Krankenversicherung bewahren: dass uns ein Erkrankungsfall in existenzielle Schwierigkeiten bringt. Und deshalb sollten wir uns dagegen wehren, dass die ausreichende Versorgung Kranker durch das Gesundheitssystem nicht als glücklicherweise selbstverständlicher Anspruch, sondern als eigentlich nicht länger zu verantwortender Luxus schlechtgeredet und -geschrieben wird.
Ja, aber muss man denn nach einer läppischen Gallenblasenentfernung wirklich eine Woche in einem teuren Spitalsbett liegen? Nicht unbedingt in einem Spitalsbett. In einem Bett wahrscheinlich schon, vielleicht nicht den ganzen Tag, aber vorwiegend. Denn frisch Operierte brauchen Schonung. Und sie können sich nicht selbst versorgen, schon gar, wenn sie älter und ein wenig gebrechlich sind. Das Spitalsbett hat halt den Vorteil, dass es an einem Ort steht, wo Hilfe auf Abruf verfügbar ist, wo es (Diät-)Essen gibt und wo einem der fertige Tee aufs Nachtkastl gestellt wird. Die mobilen Dienste, so gut sie sind, setzen eine gewisse Selbstständigkeit voraus, die Rekonvaleszente nicht immer aufbringen.
Versorgungssysteme sollten sich an realistischen Voraussetzungen orientieren.
Natürlich, und das ist der springende Punkt, muss das Spitalsbett, in dem Kranke gesund werden können, kein teures Akutbett sein. Auch das ist eine immer wieder erhobene Forderung: Mehr Pflegebetten statt Akutbetten. Wie es ausschaut, fiel sie bislang nicht auf fruchtbaren Boden. Warum?
Nicht zuletzt hat die Sorglosigkeit, mit der die kühlen Befürworter der Kosteneffizienz davon ausgehen, man könne Kranke nach einer möglichst kurzen Akutbetreuung in häusliche Pflege entlassen, etwas mit Rollen- und Familienbildern zu tun, die tradiertem Wunschdenken entspringen. Sie gaukeln die Existenz von Verwandtschaftsnetzwerken vor, in denen aufopfernde Weibspersonen nur darauf warten, hegen und pflegen zu dürfen. Tatsächlich ist dieses Bild aber auch historisch unzutreffend. Die häusliche Pflege Kranker hat dort funktioniert, wo sie an notgedrungen sich aufopfernde Dienstboten delegiert werden konnte, in Bauernfamilien oder im Arbeitermilieu fehlte es schlicht an zeitlichen und räumlichen Ressourcen, um das sieche Ahnl komfortabel zu versorgen.
Zeitgemäße Versorgungssysteme sollten sich jedenfalls an realistischen Voraussetzungen orientieren. Realistisch ist, dass kranke Menschen nicht wundergeheilt werden, wenn sie sich ein paar Tage nach einer OP in ihrer Wohnung wiederfinden.
Themawechsel: Pursten Sexismus wirft Marlene Svazek, die Landesparteichefin der FPÖ Salzburg, in einem offenen Brief dem Autor Hans-Henning Scharsach vor, weil er sie in seinem neuen Buch „Stille Machtergreifung. Hofer, Strache und die Burschenschaften“ als Alibifrau bezeichnet. Und listig stellt sie ihm die Frage: „Hätten Sie einen jungen männlichen Landesparteiobmann, der keiner Studentenverbindung angehört, etwa auch als ‚Alibimann‘ bezeichnet?“ Scharsach antwortet, dass er das getan hätte, wenn es in der FPÖ außer diesem einen Mann ausschließlich Landesparteiobfrauen gäbe. So weit, so logisch. Was indessen verblüfft, ist das Dummdreiste des Svazek’schen Vorgehens: Sie versteht das Wort Alibifrau nicht, glaubt aber, die Sexismuskeule schwingen zu dürfen. Leider ist das typisch für eine Partei, die feministische Begriffe immerzu diffamiert und sich dennoch keck an ihnen vergreift, wenn es ihr in den verleumderischen Kram passt.
Also. Sex Männer in einem Autobus: kein Sexismus. 60 Frauen in der U-Bahn: keine Alibifrauen. Ein Krokodil in der Amphibienschau: Alibikrokodil. Aber kein Sexismus.
Puh, schwer. Man könnt’ genderwahnsinnig werden.
[email protected] www.elfriedehammerl.com