Elfriede Hammerl: Zwölf Stunden
Sie wird sich für flexiblere Kindergarten-Öffnungszeiten einsetzen, sagt die Familien- und Frauenministerin. Dann stehe dem 12-Stunden-Arbeitstag für Eltern nichts mehr im Weg. Charmante Idee. Papa, Mama und die Kinder schieben einfach 12-Stunden-Schichten. Wenn’s der Wirtschaft dient! Oder doch nicht so einfach?
Natürlich brauchen wir flexible Öffnungszeiten. Damit Kinder zum Beispiel auch von elf bis sechs am Abend im Kindergarten sein können statt ausschließlich zwischen, sagen wir, acht und vier. Und natürlich könnte man die Betreuung während zwölf Stunden Abwesenheit besser auf den anderen Elternteil, die Großeltern und den Kindergarten aufteilen, wenn Kindergärten über einen längeren Zeitraum zur Verfügung stünden. Aber würde man ein Kind zwölf Stunden im Kindergarten lassen wollen? Und sollte diese Bildungseinrichtung grundsätzlich nicht in erster Linie den Interessen der Kinder dienen statt denen der Wirtschaft?
Lange Zeit hat die ÖVP die sogenannte Fremdbetreuung verteufelt. Kinder gehörten angeblich 24 Stunden am Tag zur Mutter oder in den Schoß der Großfamilie. Wer sie in die Obhut fremder Personen gab, schob sie angeblich ab, und noch heute gilt in vielen ländlichen Gemeinden jede Mutter als Rabenmutter, die ihre Kinder vor dem vierten Lebensjahr in den Kindergarten schickt (steckt heißt das dann im Jargon der missbilligenden Umgebung).
Ebenso die Ganztagsschule: von der ÖVP über viele Jahre mit Leidenschaft verhindert (und immer noch bekämpft), es sei denn, die Ganztagsschule ist ein katholisches Privatinstitut, in dem die konservative Oberschicht ihren Nachwuchs klassenbewusst erziehen lässt.
Ja, eh. Die Restlkinder kriegen halt eine Restlbetreuung, damit müssen sie zufrieden sein, schon gar, wenn ihre Eltern keine Leistungsträger sind.
Diese großteils verächtliche Haltung Betreuungseinrichtungen gegenüber ist auch nicht wirklich verschwunden. Sie spielt nur keine Rolle mehr, sobald die Arbeitskraft der Eltern abgerufen werden soll. Dann überträgt sich die verächtliche Einstellung auf die Kinder, die ruhig auch für zwölf Stunden ausgelagert werden sollen, wenn es längere Arbeitstage von Mutter und/oder Vater erfordern.
In der ORF-Fernsehsendung „Report“ am 17. Juli erläuterte die zuständige Ministerin im Gespräch mit Susanne Schnabl, wie sie sich eine kostensparende Flexibiliserung vorstellt: In den sogenannten „Randzeiten“, wenn nur noch wenige Kinder da seien, könne man flexibel reagieren und Gruppen zusammenlegen. Dann genüge eine einzige Betreuungsperson für die wenigen verbleibenden Kinder.
Ja, eh. Die Restlkinder kriegen halt eine Restlbetreuung, damit müssen sie zufrieden sein, schon gar, wenn ihre Eltern keine Leistungsträger sind, die es sich leisten können, dass die Mama um den Familienbonus zu Hause bleibt.
Nein, das unterstellt nicht, dass die Restlbetreuung schlecht sein muss, das zeigt nur auf, wes Geistes Kind das Bemühen um flexiblere Öffnungszeiten ist: Es geht dabei um eine möglichst effiziente Nutzung der elterlichen Arbeitskraft, und nicht darum, Kinder in einer möglichst hochwertigen Bildungseinrichtung zu fördern.
Weiber in Geldnot, krank und/oder alleinerziehend statt golfplatzgebräunt in High Heels? Haben es nicht anders verdient.
Leider passt das zur kruden Politik von Bogner-Strauß, deren Funktion als Frauenministerin einem zunehmend als Pflanzerei erscheint, agiert sie doch eher gegen als für Frauen. Sie streicht Frauenorganisationen und Frauenberatungsstellen flächendeckend die finanziellen Mittel, ist aus einem international bewährten Gewaltschutzprojekt, den sogenannten „Fallkonferenzen“, ausgestiegen und hat dem Schulungsprogramm, das Polizisten und Polizistinnen im Umgang mit Gewaltopfern unterrichtet, das Geld gestrichen. In einem „Presse“-Kommentar am 27. Juli spendet ihr Christian Ortner in seiner Eigenschaft als Bello des Rudels der kalten Schnauzen Applaus, macht sich über die angeblichen Pimperlvereine lustig, die dabei auf der Strecke bleiben, und zeigt sich besorgt, weil den Frauen von Feministinnen gegen ihren Willen ein Opfer-Image verpasst werde. Damit dückt er wohl aus, was derzeit auch in der Regierung so über Frauen gedacht wird. Feminismus? Lächerlich bis überflüssig. Weiber in Geldnot, krank und/oder alleinerziehend statt golfplatzgebräunt in High Heels? Haben es nicht anders verdient. Und jede, die in eine Faust rennt (haha), reißt sich eben darum, als Opfer zu gelten.
Vor nicht allzu langer Zeit tauchte in der FPÖ ja sogar die Forderung auf, Frauenhäuser zu schließen, weil sie zur Zerstörung von Familien führten. Damals hat die Öffentlichkeit noch mit Kopfschütteln und Spott auf die Idee reagiert, dass nicht der prügelnde Ehemann die Familie zerstöre, sondern die vor Gewalt flüchtende Frau, aber inzwischen muss man befürchten, dass abwegige Familienbilder nicht mehr lange als abwegig gelten.
Anders ist nicht erklärbar, warum die Regierung in bewährten Gewaltschutzmaßnahmen keinen Mehrwert erblickt und den Familienberatungsstellen die – ohnehin bescheidenen – finanziellen Grundlagen entzieht. Aber vielleicht ist ja der 12-Stunden-Tag als Schutzmaßnahme gedacht? Wer nicht daheim ist, kann wenigstens nicht geprügelt werden. Zynisch? Ja, schon. Aber nicht die Schlussfolgerung, sondern diejenigen, die sie nahelegen.
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