Kolumne

Finger weg von Weihnachten, FPÖ!

Das Nervigste an der aktuellen Jahreszeit: Rechtspopulistische Parteien versuchen, den Advent politisch zu instrumentalisieren.

Drucken

Schriftgröße

Ich muss Ihnen vorweg sagen: Der November und Dezember sind meine liebsten Monate im Jahr – weil ich so ein großer Weihnachtsfan bin. Anfang November habe ich bereits etliche Weihnachtstees, Zutaten für Kekse, Adventkalender und Geschenke gekauft, so groß ist meine Vorfreude auf die kommenden Wochen. Nur eines nervt mich an dieser Jahreszeit: dass die FPÖ jedes Jahr aufs Neue versucht, dieses Fest für sich politisch zu instrumentalisieren.

Rechtspopulistische Parteien tun so, als würden wir in einer Parallelrealität leben, in der ein „war on christmas“ stattfinde. Die Logik dahinter ist: Wegen muslimischen Migrant:innen dürfen „wir“ nicht mehr Weihnachten feiern – und die böse Elite würde da mitspielen. Zum Beispiel hat Herbert Kickl am 1. Dezember 2021 ein Bild auf Facebook gepostet, auf dem es hieß: „EU streicht ‚Weihnachten‘ und ‚Josef und „Maria‘.“ Dazu schrieb der offizielle Facebook-Kanal des Parteichefs: „Die EU zeigt wieder einmal ihr wahres Gesicht. Auf dem Weg zur multikulturellen Einheitsgesellschaft wird nun offiziell angeregt, auf den Begriff ‚Weihnachten‘ zu verzichten. Statt ‚Josef und Maria‘ schlägt die EU als Alternative ‚Malika und Julio‘ vor. Die FPÖ sagt dazu klar: Hände weg von unseren christlichen Werten und Traditionen!“ Übrigens hat auch der frühere AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen damals die gleiche Behauptung verbreitet.

Zu dieser Behauptung gibt es sogar Faktenchecks. Das Online-Medium correctiv.org kommt beispielsweise zum Schluss: „Nein, die EU will den Begriff ‚Weihnachten‘ nicht abschaffen.“ Irreführend umgedeutet wurde hier ein Leitfaden der EU-Kommission, in dem es um inklusive Sprache geht. Er richtet sich an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der EU-Kommission. Neben Empfehlungen zum Umgang mit Themen wie geschlechtersensible Sprache und LGBT-inklusiven Formulierungen heißt es dann auch, man soll nicht davon ausgehen, dass jede Person christlich ist. Man könne beispielsweise sagen, „für jene, die Weihnachten oder Chanukka feiern“, statt davon auszugehen, dass alle daheim unter dem Christbaum feiern. Dieses Dokument strebt mehr Diversität in der Sprache an. Und es scheint Rechtspopulist:innen nicht zu gefallen. Aber halten wir kurz fest: Selbstverständlich können wir alle in der EU weiterhin Weihnachten feiern.

Rechtspopulistische Parteien tun so, als würden wir in einer Parallelrealität leben, in der ein „war on christmas“ stattfinde. Die Logik dahinter ist: Wegen muslimischer Migrant:innen dürfen „wir“ nicht mehr Weihnachten feiern – und die böse Elite würde da mitspielen.

Anderes Beispiel: Niederösterreichs FPÖ-Chef Udo Landbauer zeigt sich wiederholt besorgt über den Nikolo. Er postete etwa vergangenen Dezember: „Ich wünsche euch einen schönen Nikolaustag. Wir Freiheitliche sind stolz auf unser Brauchtum. Dazu gehört besonders der traditionelle Nikolausbesuch. Das lassen wir uns von niemandem nehmen.“ Solche Postings irritieren mich schon sehr: Denn erstens will niemand dem Landeshauptfrau-Stellvertreter Udo Landbauer den Nikolo wegnehmen. Und zweitens wird so getan, als würde nur mehr die FPÖ in Österreich Weihnachtstraditionen aufrechterhalten. Das steht im krassen Widerspruch zur Realität: Wenn man im November und Dezember durch österreichische Hauptstädte spaziert, wird man (mal schöneren, mal seltsameren) Weihnachtsschmuck sehen, man wird überall Hinweise auf das frohe Fest entdecken. Doch speziell in rechten Postings auf Social Media wird ein Bild gezeichnet, als dürfe man nicht einmal mehr „Weihnachten“ sagen. Zum Beispiel: Nein, deutsche Supermärkte bezeichnen Schoko-Weihnachtsmänner weiterhin als „Weihnachtsmann“ und nicht als „Jahresendfigur“ – wie ein irreführendes Bild behauptet. Und es ist auch ein Unsinn, dass die „heiligen drei König:innen“ gegendert werden sollen – auch das ist eine Behauptung der FPÖ in Österreich, die alle Jahre online wiederkehrt und gekonnt die Themen „Angst um Weihnachten“ und „Wut über Gendern“ verknüpft.

Man muss anmerken, dass europäische Rechtspopulist:innen hier nicht sonderlich kreativ vorgehen. Schon seit fast 20 Jahren behaupten Rechte in den USA, dass angeblich ein „war on christmas“ stattfände – und bei uns wird dann eben nicht um die Zukunft von Santa Claus gebangt, sondern um jene des Krampus und Nikolo. Man sollte sich also auch dieses Jahr gedanklich darauf vorbereiten, dass aus politischem Kalkül wieder solche Angsterzählungen verbreitet werden. Was mich am meisten an diesem Mythos nervt: Die FPÖ wirft anderen vor, Weihnachten kaputtzumachen – aber für mich ist eher das Gegenteil der Fall. Sie ist diejenige Partei, die versucht, ein weitverbreitetes, kulturell tief verankertes Fest, an dem sich viele unterschiedliche Menschen erfreuen und zu dem viele nostalgische Gefühle entwickeln , zum Zwecke ihres politischen Vorankommens zu besetzen. Dazu lässt sich anmerken, dass das Erfinden von Schreckgespinsten typisch rechtspopulistisches Handwerk ist. Man erfindet eine Bedrohung, um sich dann in vielen Postings und Reden als Retter oder Retterin vor der erfundenen Bedrohung darzustellen.

Es mag sich wie ein Wunsch ans Christkind anhören (ist es auch), aber ich wünschte wirklich, dass die FPÖ wenigstens einmal bei diesem Thema weniger polemisch und vereinnahmend auftreten würde. Denn das Schöne an Weihnachten ist: Es gehört nicht nur als Thema einer Partei, es gehört uns allen.

Ingrid   Brodnig

Ingrid Brodnig

war bis Dezember 2023 Kolumnistin des Nachrichtenmagazin profil. Ihr Schwerpunkt ist die Digitalisierung und wie sich diese auf uns alle auswirkt.