Leitartikel

Der kompromisslose Herr K.

Herbert Kickls Unfähigkeit zur Mäßigung erweist sich als Segen.

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Wer kompromisslos handelt, biedert sich nicht an, beweist Standhaftigkeit und erntet dafür meist Respekt. Allerdings stößt diese Tugend dort unsanft an eine Grenze, wo der Kompromisslose plötzlich selbst auf einen Kompromiss angewiesen ist. An diesem Punkt mündet die vermeintliche Tugend in einen programmierten Reinfall.

Österreich darf in diesen Wochen ein anschauliches Beispiel für Glanz und Elend eines Unbeugsamen bestaunen: Herbert Kickl.

Der FPÖ-Chef hat sich den Ruf der Kompromisslosigkeit hart erarbeitet. Im August etwa erläuterte Kickl sein Fernbleiben bei der Eröffnung der Salzburger Festspiele damit, dass er bei „diesen Heuchlern, dieser Inzuchtpartie“ nicht dabei sein wolle. FP-Generalsekretär Christian Hafenecker präzisierte anschließend per Aussendung, dass Kickl damit „den Bundespräsidenten“ und „die Vertreter der Einheitspartei“ gemeint, respektive „ins Visier genommen“ habe. Das lässt, Kinderstube hin oder her, an Klarheit wenig zu wünschen übrig.

Aber nicht nur Kickls persönlicher Stil, allen politischen Mitbewerbern unterschiedslos verachtenswerte Verkommenheit zu bescheinigen, dient seinem Alleinstellungsmerkmal. Auch das FPÖ-Programm für die Nationalratswahl war so formuliert, dass die einzige Partei, die als Koalitionspartner der FPÖ in Betracht käme – die ÖVP –, den Eindruck kriegen musste, einen Drohbrief übermittelt bekommen zu haben. Den wesentlichen Institutionen der EU unterstellte die FPÖ darin „gesellschaftspolitische Zersetzung“, „Eskalation“, „Kriegstreiberei“ und vieles mehr, und stellte sich damit frontal gegen die Überzeugungen der traditionell proeuropäischen ÖVP.

Mit diesem Karambolage-Kurs fuhr Kickl bei der Nationalratswahl einen historischen Erfolg ein. Jetzt allerdings ist die Zeit der Koalitionsgespräche und der Verhandlungen angebrochen, und der FPÖ-Chef stellt bass erstaunt fest, dass keiner der „Heuchler“ aus der „Inzuchtpartie“ mit ihm eine Partnerschaft eingehen möchte.

Es ist unübersehbar, dass Kickl es darauf angelegt hat, gedisst zu werden. Er will damit seine Aura der Unbeugsamkeit verstärken. Und dann?

Nicht, dass ich einen besonderen Drang verspüre, Rechtsaußen-Parteien Tipps zu geben, aber ein Vergleich der FPÖ mit ihren internationalen Schwesterparteien zeigt, dass es cleverere Strategien gibt. Wahlerfolge haben die Rechtspopulisten in vielen Staaten Europas zumindest in die Nähe von Regierungsverantwortung gebracht, und zum endgültigen Sprung an die Macht braucht es eines: Kompromissfähigkeit anstatt des Beharrens auf den radikalsten Positionen.

Kickls Parteifreundin Marine le Pen arbeitet seit Jahren an ihrem Image als staatsmännische, berechenbare Politikerin, die derzeit sogar großherzig darauf verzichtet, die konservativ-liberale Regierung in Frankreich zu stürzen, obwohl sie könnte. Ihr Ziel: so weit in die Mitte der Wählerschaft zu strahlen, um bei der Präsidentschaftswahl 2027 Erste zu werden.

In den Niederlanden hat es einer von Kickls Parteifreunden geschafft, eine Regierung zu bilden, auch wenn er ihr nicht selbst angehört: Geert Wilders. Er konnte sich immerhin dazu durchringen, von seinen irrwitzigsten Forderungen Abstand zu nehmen – etwa der nach einem Verbot des Korans –, und er akzeptierte sogar, dass die Niederlande weiterhin die Ukraine unterstützen.

Bündnisfähigkeit und eine – mehr oder weniger glaubhafte – Absage an Extremismus sind die Modetrends unter Rechtsaußen-Politikern, die etwas werden wollen. Kickl ist dazu, ähnlich wie seine Gesinnungsgenossen in der Alternative für Deutschland (AfD), politisch-charakterlich zu altmodisch. Er will sich nicht einmal von den rechtsextremen Identitären distanzieren, und wenn er seine Anti-EU-Obsession kaschieren möchte, bekennt er sich gerade einmal zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), dem auch Nicht-EU-Mitglieder angehören.

Das macht es ÖVP-Chef Karl Nehammer vergleichsweise einfach, Kickls vergiftetes Angebot wegzuwischen. Kein Like, kein Match.

Am Ende bleibt eine interessante Schlussfolgerung: Rechtspopulisten, die sich moderater geben und so eher an die Macht gelangen, sind gefährlicher als kompromisslos-radikale Exemplare, die einsam bleiben und verbittern.

Wir sollten Herbert Kickl in seiner Kompromisslosigkeit bestärken.

Robert   Treichler

Robert Treichler

Ressortleitung Ausland, stellvertretender Chefredakteur