profil-Kolumnist Franz Schellhorn

Franz Schellhorn: Bauen mit der Stadt Wien

839.000 Euro für die Wartung eines Bauzauns, 95.000 Euro für einen esoterischen Schutzring. Darüber könnte man herzhaft lachen. Wenn es nicht so traurig wäre.

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Mit großen Summen können Menschen nicht wirklich viel anfangen. Werden Millionen oder gar Milliarden verpulvert, ist das in der Wahrnehmung vieler Bürger weniger tragisch, als wenn sich der Sekretär einer Gemeinde am Land in der Kasse vergreift. Es sind eben die kleinen Beträge, die hängen bleiben. Kostet beispielsweise das Krankenhaus Wien Nord statt der geplanten 605 Millionen Euro über 1.400 Millionen Euro, zucken viele Bürger etwas ratlos mit den Schultern. Zahlt die Stadt Wien für die Wartung (!) eines Bauzauns 839.000 Euro, wird der Skandal aber gleich verständlich und greifbar, dementsprechend groß ist dann auch die Aufregung. Das übrigens völlig zu Recht, zumal das Angebot des nicht zum Zug gekommenen Zweitbieters bei 13.000 Euro lag, wie einem Bericht des Rechnungshofs zu entnehmen ist. Der Auftrag ging also an einen Anbieter, der 64 Mal teurer war als der Konkurrent.

Bereits im März dieses Jahres vergnügte sich das halbe Land mit dem Fall eines Energetikers, der das neue Krankenhaus Wien Nord für 95.000 Euro einer esoterischen Grundreinigung unterzogen und einen „Energie-Schutzring“ um die Anlage gelegt hat. Rund 610.000 Euro wurden in einen Brunnen investiert, der Grundwasser für die Bewässerung der Grünflächen und für die Kühlung von Anlagen liefern sollte. Eine gute Idee, wie auch die zuständige Magistratsabteilung meinte. Später kamen dann doch Zweifel auf, die Genehmigung wurde zurückgezogen, mehr als eine halbe Million Euro Steuergeld waren versenkt.

Derartige Dinge passieren nicht nur in Österreich. Typisch österreichisch ist aber das Danach, also wie mit solchen Vorfällen umgegangen wird. Niemand scheint es wirklich zu interessieren, warum die Stadt Wien das Krankenhaus nicht wie geplant von einem Konsortium zu einem Fixpreis von rund 850 Millionen Euro bauen ließ. Das volle Risiko wäre bei privaten Unternehmen gelegen, den Wiener Bürgern wären Mehrkosten von mehreren Hundert Millionen Euro erspart geblieben. Kaum jemand, der sich dafür zu interessieren scheint, warum in Klagenfurt vor zehn Jahren ein vergleichbares Spital um 350 Millionen Euro gebaut werden konnte, das Krankenhaus Wien Nord heute aber mindestens das Vierfache davon kostet. Dabei handelt es sich um jenes Klagenfurter Spital, das als Kostenreferenz für Wien Nord fungierte.

Das Mindeste, das sich die steuerzahlende Allgemeinheit erwarten darf, ist, dass die Politik die Lehren aus Skandalprojekten wie dem Krankenhaus Wien Nord zieht.

Passierte so etwas in Zürich, Stockholm oder Kopenhagen, wäre ein politisches Erdbeben die Folge. Wobei es ja nicht so ist, dass in Wien niemand zurückgetreten wäre – aber auch zurückgetreten wurde auf zutiefst österreichische Art und Weise: Die für den Krankenhausbereich zuständige Stadträtin wechselte zu einem sehr großen Anbieter im Gesundheitsbereich, deren Nachfolgerin tauschte den Posten der Stadträtin mit dem einer einfachen Gemeinderätin. Die seinerzeitige Finanzstadträtin hat sich von der politischen Bühne verabschiedet, sie ist heute Bevollmächtigte der Stadt Wien für Daseinsvorsorge (was nicht ganz ohne Ironie ist). Nun hat Wien mittlerweile auch einen neuen Bürgermeister – aber weder sein Vorgänger noch die politisch zuständigen Stadträtinnen haben ihre Ämter wegen der Vorgänge rund um das Krankenhaus Wien Nord abgegeben. Sondern aus „persönlichen Gründen“ oder wegen „nicht mehr vorhandener Gestaltungsmöglichkeiten“.

Das Mindeste, das sich die steuerzahlende Allgemeinheit erwarten darf, ist, dass die Politik die Lehren aus Skandalprojekten wie dem Krankenhaus Wien Nord zieht. Vor allem einmal jene, dass die öffentliche Hand nicht mehr als Bauherr in Erscheinung treten darf, weder direkt noch über ihre Tochtergesellschaften. Das Risiko ist privaten Unternehmen zu übertragen, die das Ding schlüsselfertig in der vereinbarten Ausstattung und Qualität zu übergeben haben. Und zwar nicht als „Generalunternehmer“, sondern als „Totalunternehmer“, die auch die Planung mitverantworten müssen.

Diese Unternehmer würden auch Tag und Nacht dafür arbeiten, den vereinbarten Preis zur vereinbarten Qualität halten zu können. Gelingt es ihnen nicht, bleibt ihnen der wirtschaftliche Schaden. Jetzt ist es so, dass es eine Kostenplanung gibt, die von den politischen Gremien verabschiedet und im Lauf der Jahre um ein Vielfaches überzogen wird. Gezahlt wird im Namen der Bürger letzten Endes das, was es kostet. Es sind übrigens dieselben Bürger, bei denen im derzeitigen System auch der wirtschaftliche Schaden hängen bleibt. Eine anonyme Masse an Menschen, die teilnahmslos danebensteht und fassungslos die Köpfe schüttelt. Das schadet nicht nur den regierenden Parteien, sondern dem gesamten demokratischen System.

Weshalb es so nicht weitergehen kann – all das gehört schleunigst geändert. Womit uns zwar eine ganze Reihe „lustiger“ Storys von der Baustelle abhanden käme, aber auch Milliardengräber wie das Krankenhaus Wien Nord erspart blieben. Selbst wenn die Bevölkerung mit versenkten Milliardenbeträgen nicht wirklich viel anzufangen weiß, wäre das doch ein gewisser Fortschritt.

Franz Schellhorn ist Leiter der wirtschaftsliberalen Denkfabrik Agenda Austria.