Franz Schellhorn: Die Sünden der Vergangenheit
Österreichs Bundesregierung zündet den Schuldenturbo: Bis zum Jahr 2024 werden im Namen der Steuerzahler 90 Milliarden Euro geliehen. Das ist in Zeiten der schwersten Wirtschaftskrise der Zweiten Republik nicht wirklich ungewöhnlich. Der Staat federt mit neuen Schulden die Folgen der Krise am Arbeitsmarkt ab, mehr Geld geht in die Digitalisierung, die Bildung und den Klimaschutz. Unternehmen werden mit Kreditgarantien versorgt, bekommen Investitionen steuerlich gefördert und erhalten bereits bezahlte Steuern wieder zurück, wenn sie durch die Pandemie in die Verlustzone rutschen.
An all dem ist nichts auszusetzen, ganz im Gegenteil. Auch Organisationen wie IWF und OECD unterstützen die aggressive Schuldenpolitik. Jetzt sei die Zeit, in die Vollen zu gehen. Wo liegt also das Problem? Vor allem einmal darin, dass sich niemand wirklich zu fragen scheint, wie der enthemmte Staat wieder einzufangen ist und wie die nun angehäuften Schuldenberge jemals wieder abgetragen werden können.
Im aktuellen Budgetplan sind kaum Ansätze zu erkennen, wie die großen Ausgabentreiber in den Griff zu kriegen wären. Gemeint sind jene, die schon vor der Pandemie existierten, allen voran die Pensionen. Allein um die jährlichen Defizite im staatlichen Pensionssystem abzudecken, werden in den kommenden fünf Jahren 64 Milliarden Euro benötigt. Weitere 54 Milliarden Euro fallen an, um die Beamtenpensionen auszahlen zu können. Macht in Summe 118 Milliarden Euro, die bis 2024 unter dem Kapitel "Alterssicherung" fällig sind. Das ist mehr als für die gesamte Krisenbekämpfung eingesetzt wird.
Die Bundesregierung hat es nicht nur verabsäumt, diese atemberaubende Kostendynamik mit einer Anpassung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters an die steigende Lebenserwartung einzubremsen. Sie hat die finanzielle Schieflage mit außertourlichen Pensionserhöhungen vor und nach den Wahlen verschärft. Nicht zu reden von der Wiedereinführung der abschlagsfreien Frühpension. Finanzminister Gernot Blümel hat absolut recht, wenn er meint, "dass wir unseren Wohlstand nicht auf Kosten unserer Kinder finanzieren dürfen". Aber genau das geschieht, solange keine Regierung den Mut findet, hier entschlossen gegenzusteuern.
Warum das nicht passiert, ist schnell erklärt. Die Pensionisten sind mit fliegenden Fahnen von der SPÖ in das Lager der ÖVP gewechselt. Hinzu kommt die Verlockung des billigen Geldes. Womit die österreichische Bundesregierung Gefahr läuft, in altbekannte Muster zu verfallen: Problemfelder mit Geld zuzuschütten, statt das Land engagiert zu modernisieren.
Zwar ist es durchaus denkbar, dass die Zinsen noch für viele Jahre hinaus im Keller bleiben. Aber Österreich geht damit eine überaus riskante Wette auf die Zukunft ein. Wer kann heute sagen, wie hoch das Zinsniveau in zehn bis 20 Jahren sein wird? Was wir aber wissen, ist, dass Österreich mit seinen Schulden in eine gefährliche Zone vorstößt. Wenn sich die Realität an die Prognosen hält, werden die Staatsschulden bei 85 Prozent der Wirtschaftsleistung ihren Höhepunkt erreichen. Fällt das Wachstum aber schwächer aus als erwartet, sieht die Sache schon wieder völlig anders aus. Von einem weiteren Schock nicht zu reden. Überraschungen kann es immer geben. Ende 2019 hatte kaum jemand Angst vor einer globalen Pandemie.
Im Gegensatz zu Österreich können die Schweden und Dänen die Ausgaben in luftige Höhe treiben, in Zukunftsprojekte investieren und gleichzeitig auch noch die Steuern kräftig senken. Sie haben sich in den wirtschaftlich guten Jahren jenen Spielraum erarbeitet, den wir heute gerne hätten. Vor Ausbruch der Corona-Pandemie lagen die Staatsschulden der beiden bestens ausgestatteten Wohlfahrtsstaaten bei unter 40 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Die Regierungen der beiden Länder müssten das Geld schon beim Fenster hinauswerfen, um nach überwundener Krise auch nur in die Nähe jenes Schuldenniveaus zu kommen, das Österreich bereits vor Corona erreicht hat.
Der Unterschied ist schnell erklärt: Während wir in den Jahren der Hochkonjunktur neue Schulden anhäuften, haben die beiden skandinavischen Länder ihre Schulden mit hohen Budgetüberschüssen getilgt. Allein in den vergangenen 25 Jahren erzielte Schweden 13 Überschüsse, Österreichs Bundeshaushalt war seit 1954 nur ein Mal im Plus, das war im Vorjahr. Ob wir im Umgang mit der Pandemie von Schweden lernen können, ist schwer zu sagen. Budgetpolitisch ist die Frage zweifelsfrei geklärt.
Nun ist es richtig und wichtig, dass die Regierung der Corona-Krise mit schuldenfinanzierten Ausgaben begegnet. Das ist das Gebot der Stunde. Richtig und wichtig wäre es aber auch, die explodierenden Schulden mit längst überfälligen Reformen zu flankieren. Nur so kann Österreich gestärkt in den nächsten Aufschwung gehen, nur so können Spielräume für die kommenden Generationen geschaffen werden, und nur so ist zu verhindern, dass wir unseren Wohlstand nicht auf Kosten unserer Kinder finanzieren. æ
Franz Schellhorn ist Direktor des Thinktanks Agenda Austria.
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